Die letzten Handelstage haben den SMI deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Während der Schweizer Hauptindex noch am 11. Oktober 2023 komfortabel über 11’000 Punkten stand, notierte er am 19. Oktober zum Börsenschluss bei nur noch 10’448 Punkten. Damit ist die Performance seit Anfang Jahr deutlich negativ, das Minus beträgt seither 4,3 Prozent. Andere wichtige Indizes, darunter etwa der deutsche DAX und natürlich auch der US-amerikanische S&P 500, sind im laufenden Jahr im Plus, obwohl auch sie jüngst verloren haben.
Ebenfalls keine gute Figur macht der SMI, wenn man vergleicht, wie weit die verschiedenen Indizes unter ihren Allzeithöchstständen notieren. Der S&P 500 etwa notiert 9,5 Prozent unter seinem Allzeithoch, der DAX 9,1 Prozent. Der SMI dagegen hat von seinem Allzeithoch aus gesehen schmerzhafte 18,2 Prozent verloren. Kein Wunder, fragen sich nicht wenige der Schweizer Anlegenden, was mit dem SMI los ist. Warum bildet er das Schlusslicht unter diesen Indizes?
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Für eine Antwort ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, dass die europäischen Märkte von zyklischen Sektoren wie Industrie, Finanzen und Energie geprägt sind, während die US-Märkte seit einigen Jahren von den Technologie-Superstars dominiert werden. Der SMI demgegenüber wird von drei defensiven Schwergewichten bestimmt, den beiden Pharmariesen Novartis und Roche sowie dem Lebensmittelkonzern Nestlé. Ausserdem ist es nützlich, den Betrachtungszeitraum etwas zu erweitern. Also nicht nur die Kursentwicklung seit Jahresbeginn zu betrachten, sondern die Performance beispielsweise der letzten fünf Jahre.
Die Grafik zeigt, dass sich die Indizes von 2018 bis Mitte 2020 im Gleichschritt entwickelten. Dann enteilte der S&P 500 den beiden anderen, vor allem, weil die Technologie-Superstars stark zulegten. Aber auch SMI und DAX legten von März 2020 bis Ende 2021 massiv zu, weil die Marktakteure davon ausgingen, dass die Pandemie bzw. neue Medikamente beispielsweise den Pharma-Unternehmen Roche und Lonza haufenweise Geld in die Kasse spülen würden. Der DAX profitierte ausserdem von Software-Unternehmen wie SAP.
In der Schweiz liess darüber hinaus die Liquiditätsschwemme der Notenbanken nicht nur den Kurs der UBS anschwellen, sondern auch den von zyklischen Werten im SMI, darunter Luxusgüterkonzern Richemont und Logistiker Kühne & Nagel. All dies hatte allerdings Einfluss auf die Bewertungen: Schweizer Aktien waren Ende 2021 ausserordentlich teuer.
Roche und Co. gleichauf mit den Technologie-Superstars
Das zeigt sich etwa an der Kennzahl EV/Sales. EV steht für Enterprise Value, also die Marktkapitalisierung eines Unternehmens plus die Schulden, vermindert um die Cash-Bestände. Sales sind die Umsätze des letzten Jahres. Diese Kennzahl ist ein Indikator dafür, wie teuer ein Unternehmen oder ein Index ist. Ende 2021 hatte der SMI eine EV/Sales-Ratio von 3,3. Beim S&P 500 betrug sie 3,4. Der SMI hatte also Bewertungshöhen erklommen, die praktisch gleich hoch waren wie diejenigen des von Technologie-Titeln geprägten S&P 500. Der DAX dagegen war weitaus günstiger bewertet.
Allerdings stellt das EV/Sales-Verhältnis nur auf die Umsätze ab, nicht auf die Gewinne. Deswegen sollte man auch das EV/Ebit-Verhältnis anschauen. Das Ebit ist der Gewinn vor Zinsen und Steuern. Ende 2021 waren SMI und S&P 500, gemessen am EV/Ebit, fast gleich teuer, während der DAX deutlich günstiger zu haben war. Das änderte sich im Verlaufe der Zeit, heute ist der SMI ähnlich günstig wie der DAX, während der S&P 500 teuer blieb.
Der Grund für dieses Muster dürfte in den Treibern für den Boom der letzten zwölf Monate liegen. Das waren zum einen der KI-Hype, von dem die US-Technologie-Superstars profitierten, aber auch Firmen wie das deutsche Software-Unternehmen SAP. Zudem profitierten zahlreiche S&P500- und DAX-Unternehmen von der Erhöhung der Militärausgaben (etwa die Rüstungskonzerne Lockheed Martin und Rheinmetall).
Der SMI enthält aber weder Rüstungs- noch Software-Konzerne; dementsprechend ging der Boom der letzten zwölf Monate an der Schweiz weitgehend vorbei. Im Gegenteil, gerade einige Firmen, welche im Nach-Corona-Boom stark waren, begannen zu schwächeln, etwa Roche oder Lonza. Die hohen Erwartungen nach der Pandemie erwiesen sich als überzogen.
Mit leichter Verspätung dürfte sich ein ähnliches Muster jetzt allerdings auch für den DAX und vor allem für den S&P 500 zeigen: Die Erwartungen sind sehr hoch und werden wahrscheinlich in den nächsten Monaten nach unten korrigiert.
Für die Privatanlegenden bedeutet das Folgendes: Der SMI ist weniger teuer als der S&P 500. Gleichzeitig sind die Aussichten besser als etwa für die deutsche Industrie, die seit einiger Zeit auf das billige russische Erdgas verzichten muss. Es ist deswegen wahrscheinlich, dass der SMI in den nächsten Monaten seine Defensivqualitäten zeigt und wieder Boden auf den S&P 500 und den DAX gutmachen kann.
Das heisst nicht, dass der SMI nicht weiter zurückgehen kann. Aber falls das Börsenklima weiterhin schwierig bleibt, dürfte er das in geringerem Ausmass tun als der DAX oder der S&P 500. Nicht nur, weil er stark von defensiven Firmen geprägt ist, sondern auch, weil er früher in die Korrekturphase eingetreten ist als die ausländischen Indizes und diesen darum punkto Korrekturnotwendigkeit etwas voraus ist. Aus dieser Perspektive gesehen, empfiehlt sich zum jetzigen Zeitpunkt eine Umschichtung weder in US- noch in deutsche Aktien.