Allein im Januar gabs bis zu 10'000 Anrufe pro Tag
Serafe verschickt weiterhin falsche Rechnungen

Die Abkehr von der Billag treibt absurde Blüten: Selbst Personen, die der Serafe die Fehler auf ihren Rechnungen schon im Januar gemeldet haben, werden bis im Sommer weiterhin falsche Rechnungen erhalten. Und teuer wird das Ganze für die öffentliche Hand obendrauf.
Publiziert: 29.04.2019 um 23:39 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2019 um 10:59 Uhr
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So sieht die neue Rechnung für die TV-Abgabe aus. Im Januar wurden Zehntausende Rechnungen mit falschen Angaben verschickt.
Foto: Thomas Meier
Konrad Staehelin
Konrad StaehelinWirtschafts-Redaktor

Würde ein gewöhnliches Unternehmen ein halbes Jahr brauchen, um eine Adressänderung eines Kunden zu bewältigen, würden Köpfe rollen. Die Serafe dagegen – das ist seit Anfang Jahr die neue Billag – erhält sogar zusätzliche Gelder von der öffentlichen Hand dafür. 

Darum gehts: Die Schweizerische Erhebungsstelle für die Radio- und Fernsehabgabe, kurz Serafe, hat der Billag den Auftrag abgeluchst, indem sie dem Bundesamt für Kommunikation (Bakom) das deutlich günstigere Angebot unterbreitet hat. Statt der über 60 Millionen Franken, die die Billag zuvor eingestrichen hatte, erhält die Serafe jetzt noch gut 20 Millionen Franken im Jahr. Im Minimum.

Zwei Prozent Fehler

Das ist möglich, weil die Serafe voll automatisiert arbeitet. Die Billag verwaltete die Adressen noch von Hand, hatte darum 240 Angestellte. Bei der Serafe macht das ein Computerprogramm. Gefüttert wird es mit einem Datensatz der Einwohnerämter, der bisher nur pro forma geführt wurde, und jetzt erstmals gebraucht wird: Er erfasst nicht nur die Adresse, sondern auch die genaue Wohnung aller Bürger.

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Neuer Herr über die Rechnungen: Werner Krauer.
Foto: Thomas Meier

Letzteres ist die Hauptfehlerquelle. Bis zu zwei Prozent aller Angaben waren fehlerhaft, wie Serafe gegenüber BLICK heute bestätigt. Bei 3,6 Millionen im Januar verschickten Rechnungen sind das rund 70'000.

Doch das war nicht der einzige Grund, warum es Anfang Jahr zu Frust wie in den Billag-Zeiten kam. Hinzu kamen Tausende Fragen zu verschiedenen Zahlungsmöglichkeiten, Rechnungsintervallen oder -befreiungen.

«Beachtliche Wartezeiten»

«Wir bitten Sie, sich bei Unstimmigkeiten direkt an Ihre Einwohnerkontrolle zu wenden», stand im Januar auf der Rechnung. Doch konnten die Behörden viele der Anliegen gar nicht behandeln, die sich um Serafe-spezifische Themen drehten.

Nur wenige Tage nach Rechnungsversand am 22. Januar, fällten die Beteiligten darum den Entscheid, die Serafe für die Bürger zum alleinigen Anlaufpunkt für alle möglichen Fragen und Korrekturen zu machen.

«Das Callcenter beantwortete an Spitzentagen bis zu 10'000 Kundenanfragen», sagt Serafe-Sprecher Erich Heynen zu BLICK. «In dieser Zeit waren die Wartezeiten für Anrufer zeitweise beachtlich.» Zwischen Ende Januar und Ende März musste das Callcenter neben der 100 eingeplanten Telefonisten 30 zusätzliche einstellen.

Diese können zwar Fehlerkorrekturen entgegennehmen und sammeln. Sie dürfen sie aber von Gesetzes wegen nicht selber anpassen. Die Änderungen müssen zur Korrektur zurück an die Einwohnerdienste.

Bis im Sommer nicht gelöst

Das klingt kompliziert und ist es auch. Es wird mindestens Hochsommer bis sich Serafe, Bakom und die Gemeinden auf ein Vorgehen geeinigt und dieses durchgeführt haben, wie Serafe gegenüber BLICK bestätigt.

Das heisst für einen Haushalt, der zu jenem Zwölftel gehört, der die erste Jahresrechnung im Juni erhalten wird: Selbst wenn er nach einer falschen Rechnung im Januar die Anpassung bei der Serafe durchgegeben hat, wird auf der Juni-Rechnung der gleiche Fehler stehen.

Die fehlerhaften Daten stammen von den Einwohnerämtern. Walter Allemann (57), Sekretär des Verband Schweizerischer Einwohnerdienste (VSED), wehrt sich jedoch gegen die Rolle als Sündenbock: «Erstens diente die Haushaltbildung bisher nur statistischen Zwecken. Hier liegen wir unter den zwei Prozent Fehlertoleranz, die vom Bund vorgesehen sind.» Auch der Bundesrat bescheinigt den Datensätzen eine «sehr gute Qualität». Zweitens, so Allemann, habe Serafe im Januar keine aktuellen Daten verwendet, sondern solche vom November 2018.

Wie teuer wirds? Unklar!

Egal, wer schuld ist – das Ganze wird teuer: Die Serafe dürfte ihren Zusatzaufwand dem Bakom in Rechnung stellen. «Wir haben uns anderthalb Jahre auf unsere Aufgabe vorbereitet», sagt Heynen. «Nie war davon die Rede, dass wir alleinige Anlaufstelle für Fragen und Korrekturen zu Personendaten sein würden.»

Ein Bakom-Sprecher schreibt: «Allfällige Aufwände der Serafe, die vom Pflichtenheft nicht abgedeckt sind, müsste diese genau beziffert und begründet beim Bakom geltend machen.»

Wie teuer wird die Rechnung? «Jetzt lösen wir gemeinsam mit den involvierten Partnern erst das Problem», sagt Heynen von Serafe. «Danach beschäftigen wir uns mit der Höhe allfälliger Mehraufwendungen.»

Von aussen ist es schwer einzuschätzen, wie hoch diese ausfallen werden. Unter dem Strich wird das darüber entscheiden, wie schlimm der Schlamassel wirklich war.

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