Schon drei Interessenten an Airline
Air Berlin schon bald verkauft?

Der Verkauf von Air Berlin könnte schneller kommen als erwartet. Neben der Swiss-Mutter Lufthansa verhandeln zwei Interessenten mit der insolventen Airline. Die Swiss will Air Berlin Slots abnehmen.
Publiziert: 17.08.2017 um 14:37 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 16:17 Uhr
Air Berlin ist zahlungsunfähig. Jetzt buhlen drei Käufer um die Airline.
Foto: Reuters

Die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin verhandelt bereits mit mehreren potenziellen Käufern: Drei börsennotierten Rivalen sprechen über eine Übernahme mit der insolventen Fluggesellschaft. «Neben der Deutschen Lufthansa stehen wir mit zwei weiteren Interessenten aus der Luftfahrt in Kontakt", sagte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ, Donnerstagausgabe).

Lufthansa will bis zu 144 Flugzeuge

Es gehe um die Übernahme von Teilen von Air Berlin selbst und von der Österreich-Tochter Niki. Die Firmen, mit denen schon seit Wochen verhandelt werde, seien «in finanzieller Hinsicht seriös, vom Volumen her ausreichend gross, um Air Berlin eine sichere Zukunft zu bieten, und hätten zudem das Interesse, weiterhin vom Standort Deutschland aus zu operieren.» Namen nannte Winkelmann nicht.

Laut einem Zeitungsbericht will sich die Lufthansa grosse Teile von Air Berlin einverleiben. Es könne um rund 90 der 144 Flugzeuge gehen, wurden am Donnerstag entsprechende Informationen der «Süddeutschen Zeitung» in Unternehmenskreisen bestätigt.

Swiss zeigt Interesse an Slots von Air Berlin

Insidern zufolge zählt weiter Easyjet zu den Interessenten. Zudem hatte der Reisekonzern Thomas Cook erklärt, er und seine Ferienflug-Tochter Condor stünden ebenfalls für eine «aktive Beteiligung an der Zukunft von Air Berlin bereit». Auch der Touristik-Konzern TUI, dessen Tochter TUIfly Flüge für Air Berlin abwickelt, wird als Gesprächspartner gehandelt.

Auch die Swiss äusserte bereits Interesse, vor allem an den Start- und Landefenstern von Air Berlin (im Fachjargon Slots genannt). «Wir sind generell an allen Slots am Flughafen Zürich – unabhängig davon, welche Airline sie freigibt – interessiert, die in unsere Hauptabflugzeiten fallen und den täglichen Betrieb verbessern», sagte Swiss-Sprecher Stefan Vasic bereits am letzten Dienstag.

Bis September Absicherung grosser Teile der Belegschaft erhofft

Der irische Billigflieger Ryanair hat dagegen abgewunken. Die Übernahme werde zu schnell gehen, als dass man eine faire Chance hätte, sagte Konzernchef Michael O'Leary gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Kurz zuvor hatte O'Leary die Rettung von Air Berlin durch den Kredit der deutschen Regierung als «Komplott» bezeichnet.

Foto: KEY

Air-Berlin-Chef Winkelmann will dem «FAZ»-Bericht zufolge noch im September mit zwei oder mehr Käufern juristisch belastbare Vereinbarungen getroffen haben, die den Betrieb der zentralen Einheiten von Air Berlin und den grössten Teil der Belegschaft absichern.

Die Zeit drängt, weil die Buchungen angesichts der Insolvenz einzubrechen drohen. «Alle Arbeitsplätze werden jedoch auch nach dieser Vereinbarung nicht zu retten sein», zitierte die FAZ Winkelmann. Air Berlin beschäftigt in Deutschland rund 7200 Menschen, davon 1000 in der Verwaltung und 850 in der Technik-Tochter.

Slots werden zur Kredit-Tilgung verkauft

Zum Verkauf stehen vor allem die Slots. Aus dem Erlös soll der 150 Millionen Euro schwere Massekredit getilgt werden, mit dem die Bundesregierung den Betrieb von Air Berlin in den nächsten drei Monaten gewährleisten will.

Seine Flugzeugflotte hat Air Berlin nur geleast. «Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit dem Verkauf von Geschäftseinheiten und den damit verbundenen Start- und Landerechten Erlöse in einem Umfang erzielen werden, der über der gewährten Finanzhilfe liegt», sagte Winkelmann. Die Slots standen Ende 2016 noch mit 80 Millionen Euro in der Bilanz von Air Berlin.

Begehrt dürfte vor allem der Flughafen Düsseldorf sein, wo Air Berlin rund ein Drittel der Slots hält. «Er ist besonders wichtig, weil die Slots dort aus Umweltgründen sehr begrenzt sind und weil er (...) lukrativeres Geschäft für die Lufthansa bietet», sagte Luftfahrtberater John Strickland. Als Hindernis für den Marktführer könnten sich aber die Kartellvorschriften erweisen.

Vorgehen bei Air Berlin auch für Niki möglich

Foto: KEY

Die Lufthansa wickelt 68 Prozent aller Inlandsflüge in Deutschland ab, Air Berlin kommt auf 27 Prozent. Die möglichen Hürden für die Lufthansa bei der Übernahme von Slots belasteten die Aktien der Fluggesellschaft.

Die Slots von Niki waren in der Bilanz für 2016 nicht mehr berücksichtigt. Die Österreich-Tochter sollte eigentlich an den arabischen Grossaktionär Etihad gehen, der dafür bereits 300 Millionen Euro an Air Berlin gezahlt hatte. Das Geld dürfte in der Insolvenz aber verloren sein.

Winkelmann stellte klar, dass Niki noch Air Berlin gehöre. Dem Bericht zufolge ist für Niki ein ähnliches Vorgehen möglich wie bei den 30 Flugzeugen von Air Berlin, die zuletzt an die Lufthansa gegangen und in deren Tochter Eurowings integriert wurden. (SDA/grv)

Darum gibts bei Air Berlin kein Grounding

Die Flotte der einst stolzen Swissair blieb am Boden, als der nationalen Airline das Geld ausgegangen war. Auch Air Berlin ist jetzt pleite – aber fliegt weiter. Möglich ist das nur, weil der deutschen Regierung Jobs wichtiger sind als Prinzipien.

Das Bild ist eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Schweiz. 2. Oktober 2001, über siebzig Flieger der einst stolzen Swissair stehen am Boden. Das Grounding der Airline nach über siebzig Jahren Luftfahrt.

Am Schluss kämpfte im Grunde nur noch einer für das Schweizer Kreuz auf der Heckflosse: Mario Corti, der letzte Swissair-Chef, bettelte bei den Banken um die rechtzeitige Überweisung des Geldes für den Kauf der Swissair-Tochter Crossair. Er bettelte beim Bundesrat um eine Bürgschaft, die hätte helfen sollen, den Liquiditätsengpass zu überbrücken. Beim Bund blitzte er ab, die UBS überwies das Bare später als abgemacht. Das bedeutete das Ende der nationalen Luftfahrtgesellschaft, an der vielfältige öffentliche Körperschaften beteiligt waren.

In der EU eigentlich verboten

Jetzt hat Air Berlin Insolvenz angemeldet. Zu den grössten Aktionären gehört die Golf-Airline Etihad Airways sowie die ESAS Holding, eine türkische Beteiligungsgesellschaft im Besitz einer Industriellenfamilie vom Bosporus. Dennoch sprach die deutsche Bundesregierung ohne Zögern einen Überbrückungskredit über 150 Millionen Euro, um die Flieger in der Luft zu halten. Sie wollte das Grounding der seit Jahren hochdefizitären privaten Fluggesellschaft verhindern, obwohl zumindest vordergründig keine deutschen Interessen im Spiel sind. Und sie nahm damit in Kauf, mit dem Scheckbuch in der Hand Strukturpolitik zu betreiben – was die EU eigentlich verbietet.

Steuergelder liefern Sauerstoff

Warum geht bei Air Berlin, was bei der Swissair nicht ging? Es geht um einige tausend Arbeitsplätze – und geht es um Jobs, stehen in Deutschland die Gebote der freien Marktwirtschaft gewöhnlich nicht mehr zuoberst auf der politischen Agenda. Zum anderen wird die Lufthansa wohl Flieger und Strecken der Air Berlin übernehmen können, gleichzeitig wird die Offensive der Konkurrenz aus den Vereinigten Arabischen Emiraten elegant gestoppt. In Deutschland genügt dies, um wirtschaftsliberale Grundsätze über Bord zu werfen. In der Schweiz scheinen diese in Stein gemeisselt. Deshalb musste die Swissair sterben. Air Berlin bekommt Sauerstoff in Form von Steuergeldern. 

Die Flotte der einst stolzen Swissair blieb am Boden, als der nationalen Airline das Geld ausgegangen war. Auch Air Berlin ist jetzt pleite – aber fliegt weiter. Möglich ist das nur, weil der deutschen Regierung Jobs wichtiger sind als Prinzipien.

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