Die hohen Spritpreise von über 2.30 Franken für Bleifrei 95 im Frühjahr fuhren ein. Die Literpreise haben zwar wieder etwas nachgegeben, dennoch fallen die Preisdifferenzen zwischen einzelnen Tankstellen massiv ins Gewicht. Und treffen die einzelnen Automobilisten empfindlich im Portemonnaie. Bislang gab es in der Schweiz – im Gegensatz zu unseren Nachbarländern – kein offizielles Preisvergleichstool für Benzinpreise, nur kleinere private Plattformen. Genug damit, heisst es beim Touring Club Schweiz (TCS).
TCS-Generaldirektor Jürg Wittwer (52) kündigte im SonntagsBlick-Interview den Start eines «Benzinpreisradars» an, um dem Treiben der Mineralölkonzerne nicht mehr länger tatenlos zusehen zu müssen. «Wir gehen das Problem der fehlenden Benzinpreisübersicht hier und jetzt an», stellt Wittwer klar.
Und das geht so: Registrierte Nutzerinnen und Nutzer erfassen schweizweit regelmässig die aktuellen Benzinpreise. Via der neuen Preisvergleichsplattform des TCS oder dessen App werden die Differenzen bei den Preisen von Schweizer Tankstellen für sechs fossile Treibstoffsorten übersichtlich und möglichst tagesaktuell auf einer Karte dargestellt. Das Ziel: Durch die neue Transparenz einen «preisreduzierenden Effekt» auf die Treibstoffpreise auslösen, wie Wittwer sagt.
Blick hat die Betaversion des «Benzinpreisradars» im Vorfeld der Lancierung exklusiv testen können. Dabei fällt auf: Die Plattform hat noch Luft nach oben.
Braucht es eine Registrierung?
Um Informationen abzurufen, braucht es keine Registrierung. Wer aber aktiv an der Plattform teilnehmen und Preise erfassen oder aktualisieren will, muss sich registrieren. Das ist auch völlig problemlos: Man muss nur Grundlegendes wie Name, Adresse, Mail und Telefon eingeben, dann noch einen Avatar auswählen und rechtliche Zustimmungen anklicken, und los gehts. Nicht alle mögen das, ist aber bei partizipativen Plattformen üblich und unbedenklich. Alle erfassten Protokolldateien werden nach einem Jahr gelöscht.
Suchen und vergleichen
Die Suche nach Benzinpreisen erfolgt über eine geografische Karte der Schweiz, auf der alle Tankstellen eingezeichnet sind. Zumindest die Tankstellen gängiger Marken findet man problemlos, sie sind auch gut kenntlich gemacht. Kleine private Tankstellen sind derzeit aber noch nicht auszumachen.
Beim Blick-Test in der Region Illnau-Effretikon ZH sind die Tankstellen von Socar, Migrol, Avia, Shell, Agrola und Tamoil auf der Karte vermerkt. Benzinpreise sind aber erst für die Agrola in Illnau ersichtlich. Die der Öffentlichkeit zugänglichen Tankstellen der Stadtgarage Rossi oder des Autohändlers Häusermann im Industriequartier sind dagegen auf der Karte nicht eingetragen.
Wie die Erfassung erfolgt
Das führt zur Frage: Lassen sich nebst den Preisen auch ganze Tankstellen erfassen? Blick hat alle genannten Tankstellen abgefahren. Die Preise lassen sich problemlos via App eingeben und im Fall der Agrola auch aktualisieren. Wurde ein Preis aktualisiert, kann die nächste Aktualisierung erst sechs Stunden später erfolgen.
Leider lassen sich aber keine neuen Tankstellen aufnehmen. Die Treibstoffpreise liegen bei Häusermann um 2 Rappen und bei der Stadtgarage Rossi um einen Rappen unter jenen der Marken-Tankstellen, die fast durchgehend denselben Preis für alle Benzinkategorien haben. Natürlich bieten die Letztgenannten dafür Tankstellenshops oder zusätzlichen Service, der die Preisdifferenz berechtigt. Trotzdem: Der TCS muss unbedingt die Erfassung von Privattankstellen ermöglichen, wenn der reine Benzinpreisvergleich möglichst effektiv sein soll.
Blick hat zudem einen «Bschiss» versucht: Von Effretikon aus den Benzinpreis einer Tankstelle im benachbarten Tagelswangen erfassen. Das müsste infolge der Geolokalisierung der erfassenden Person eigentlich nicht möglich sein. Ist es in diesem Fall aber: Vom Ort der Eingabe bis zur erfassten Tankstelle sind es laut Google-Maps 900 Meter. Zu nah? Neue Eingabeversuche bei weiter entfernten Tankstellen in Weisslingen oder Illnau scheitern. Man erhält den Hinweis, man sei zu weit von der Tankstelle entfernt, und kann keine Eingabe machen. Die Schummelei-Verhinderung mittels Ortung funktioniert also, aber nur ab einem Radius von über einem Kilometer.
Fazit des Blick-Tests
In dieser frühen Phase ist der Benzinpreisradar noch bedingt aussagekräftig, zumindest in etwas ländlicheren Regionen. In Stadtgebieten wie Zürich oder Bern ist die Informationsdichte zu den Treibstoffpreisen schon deutlich besser, wenn auch immer noch lückenhaft. Es wird ganz entscheidend sein, dass der TCS die Schweizer Bevölkerung dazu bringt, proaktiv und regelmässig tagesaktuelle Preise ins Tool zu speisen. Ob die Aussicht auf Benzingutscheine als Mitmach-Preis dafür reicht?
Blick fällt auf, dass sich aktualisierte Preise teils schon wesentlich verändert hatten: Innert drei Tagen durchgehend um 5 Rappen billiger. Andere Preise wurden jedoch nicht aktualisiert. Das zeigt, dass der Preisvergleich auch nur funktioniert, wenn die Preise durchgängig praktisch täglich aktualisiert werden.
Ebenfalls noch etwas unbefriedigend: Man kann zwar die gängigen Treibstoffe eingeben. Aber was ist mit Spezialtreibstoffen wie Adblue oder V-Power? Wer solche nutzt, möchte sicher auch verlässliche Informationen haben.
Es ist auch nicht möglich, schweizweit die günstigste oder teuerste Tankstelle auszumachen. Das ist aufgrund der stets ändernden Preise weder möglich noch wirklich sinnvoll. Die Logik der Plattform ist ohnehin anders: Man erhält schnell einen Überblick über die Tankstellen in der Region, in der man sich befindet. Man kann sich auf Wunsch aber schweizweit Tankstellenpreise ansehen. Es fehlt einfach ein Filter für die schnelle Suche. Gerade für professionelle Vielfahrer wäre es sinnvoll, wenn man auf längeren Routen die günstigsten Tankstellen entlang der Route schnell findet. Vielleicht würde eine Art Routenplaner helfen? Immerhin: Werden mehrere Tankstellen zwecks Übersichtlichkeit in einer Cluster-Anzeige zusammengefasst, ist auf dieser jeweils der tiefste Preis ersichtlich.
Verbesserungen und zusätzliche Features sind vom TCS bereits versprochen. Dereinst kann der Benzinpreisradar viel Nutzen entfalten. Doch dafür muss er gleich von Beginn weg stark verbreitet und genutzt sein. Ansonsten bleibt er ein leeres Versprechen.