Spricht man Deutsche auf den neuen Berliner Flughafen an, brechen diese entweder in Gelächter aus oder verwerfen entnervt die Hände. Zu viele Zwischenfälle hat es in der langen Bauzeit des Flughafens gegeben. 2006 war Spatenstich. Die Euphorie war gross. Wer hätte damals gedacht, dass der Bau neun Jahre länger dauern würde, als geplant? Und über vier Milliarden Franken mehr kosten würde?
Eigentlich hätte der Flughafen schon Ende 2011 fertig sein sollen. Doch zwei Jahre nach Baubeginn wurde noch mal umgeplant. Die Kapazität des Flughafens würde sonst nicht ausreichen. So plante man im Hauptterminal noch ein weiteres Zwischengeschoss ein. Doch damit nicht genug. Ein beteiligtes Ingenieurbüro ging Konkurs, und europäische Richtlinien zu Sicherheitsanforderungen änderten. So verschoben die Zuständigen die Eröffnung um sieben Monate.
Ungenügender Brandschutz
Im Dezember 2011 kam ein weiteres Problem hinzu: Das Alarmsystem und vor allem der Brandschutz funktionierten nicht richtig. Im Brandszenario würden die Notausgänge nicht automatisch aufgehen. Die Bauherren hatten aber eine Lösung parat: Sie stellten Hunderte Studenten ein, die vor den Türen sitzen und im Notfall die Ausgänge manuell öffnen könnten. Der Flughafen erhielt die Sicherheitszertifikate nicht. So verschob man die Eröffnung kurz vor Inbetriebnahme erneut. Die Karten für die Eröffnungsfeier waren zu dem Zeitpunkt schon verschickt.
Neues Eröffnungsdatum war im März 2013. Dann ging das Chaos aber erst richtig los. In dieser Zeit berichten Medien von fehlender Leitung auf der Baustelle, Protesten der Anwohner und gröberen Baumängel. Es gab keine zentrale Führung des Projekts, und auch sonst funktionierte die Zusammenarbeit der einzelnen Akteure schlecht.
Ein Beispiel: Die Rolltreppen waren zu kurz geraten. Weil es zu Umplanungen kam, als die Rolltreppen bereits bestellt waren, mussten drei Stufen hinzugefügt werden. In die Lüftung lief Regenwasser. Der Rauchabzug durch den Keller funktionierte nicht wie gewünscht. So wurden die Kosten neu auf 4,3 Milliarden Euro gerechnet. Nach weiterem Missmanagement und zusätzlichen Problemen beim Bau musste man das Eröffnungsdatum erneut verschieben.
Schmiergelder eingefordert
Inzwischen klagten die Air Berlin und die Deutsche Bahn wegen der Verschiebung des Starttermins auf Schadenersatz. Der Flughafen stand kurz vor der Pleite. Ausserdem wuchs der Protest in der Bevölkerung. Auch 2013 wurde das Projekt nicht billiger: Reinigung, Instandhaltung und Überwachung verschlangen monatliche Beträge in Millionenhöhe – bevor auch nur ein Flugzeug abgehoben ist. Ausserdem blieb der Flughafen rund um die Uhr beleuchtet. Man konnte das Licht nicht steuern. Täglich fuhr eine leere S-Bahn durch den fertig gebauten Bahnhof, um die Schimmelbildung zu verhindern.
Auch diverse Personalgeschichten machten die Runde. Ingenieure, die keine waren, kümmerten sich um den Brandschutz. Korrupte Cheftechniker und Angestellte, die Schmiergelder entgegennahmen, wurden publik. Deshalb entliess man Führungspersonen, ein Bürgermeister trat zurück und deren Positionen wurden neu besetzt. Vertrauliche Unterlagen wurden herumgereicht, die in Berlin im Müll gefunden wurden. Ausserdem waren die Türen falsch nummeriert und wurden für Rettungskräfte zum potenziellen Hindernis. Die Kosten des Baus stiegen 2014 auf 5,4 Milliarden Euro. Neuer Eröffnungstermin sollte definitiv die zweite Hälfte im 2017 sein.
Kosten klettern immer weiter
Doch leider funktionierte die sogenannte Entrauchungsanlage 2015 weiterhin nicht. Und Blitzableiter fehlten ebenso. Der mangelhafte Brandschutz blieb mangelhaft. Hinzu kamen weitere Umbau- und Erweiterungspläne. Und dann ging auch noch eine der grossen Baufirmen pleite. Als ein zwischenzeitlicher Baustopp wegen schwerer Rauchgasventilatoren dazu kam, war absehbar, dass auch die nächste Eröffnung verschoben wird.
Im Januar 2017 ist die Absage der Eröffnung offiziell. Begründet wurde sie mit unkontrollierbaren Türen und Problemen der Sprinkleranlage. Ein Jahr später wurde die neue Kalkulation von 7,3 Milliarden Euro bekannt. Das Geld wurde auch für den Austausch von Monitoren verwendet. Diese liefen schon so lange, dass sie ihre Lebensdauer erreicht hatten.
Letzte Bedenken
2019 gab es einmal mehr Bedenken, ob sämtliche Sicherheitsstandards für den Eröffnungstermin erfüllt werden können. Dieses Mal waren Kabel das entscheidende Problem. Im Januar 2020 klappte es dann doch: Alle Sicherheitszertifikate wurden abgenommen. Ab April startete der Probebetrieb. Allerdings standen noch nicht überall Schallschutzwände. Die Anwohner glaubten wohl selbst nicht an die Eröffnung des Flughafens.
Trotz aller Probleme, Zwischenfälle und Peinlichkeiten konnte der Flughafen doch noch fertig gebaut werden. Ende Oktober ist es so weit. «Wir sind super gut vorbereitet und blicken nervös, aber mit Freude auf die Eröffnung», sagt der Pressesprecher der Berliner Flughäfen zur kommenden Eröffnung.