Schiss nach Postauto-Bschiss
Post verpasst Bus-Firmen Maulkorb!

Der gelbe Riese verkündet, eine «ehrliche Post» sein zu wollen, und verspricht eine schonungslose Aufklärung des Postauto-Bschisses. Gleichzeitig verteilt der Konzern Maulkörbe an private Carunternehmen, die Postautolinien bedienen. Für Politiker ist das ein «Skandal».
Publiziert: 08.03.2018 um 23:39 Uhr
|
Aktualisiert: 09.10.2018 um 00:44 Uhr
1/6
Wie lange kann sich Post-Chefin Susanne Ruoff noch halten?
Foto: Keystone
Sven Zaugg, Pascal Tischhauser

Nachdem BLICK aufgedeckt hatte, dass die Post-Führung mehr wusste, als sie zugab, versprach Post-Präsident Urs Schwaller (65) eine schnelle und lückenlose Aufklärung. Man wolle Transparenz, sagte er an der Pressekonferenz vom 15. Februar. Zudem bat der CVP-Mann, dass Aktennotizen und sonstige Post-Internas intern bleiben sollen. Für Reklamationen oder Ungereimtheiten existiere eine interne Whistleblower-Stelle.

Auch an der gestrigen Medienkonferenz blieb Schwaller auf dieser Linie. Er räumte ein, dass gravierende Fehler begangen wurden. Die Post habe viel Vertrauen verspielt. Er wolle absolute Klarheit und Transparenz. Aber BLICK weiss, wie die Aufarbeitung des Post-Skandals à la Schwaller aussieht: Statt die Aufarbeitung des Bschisses voranzutreiben, verpasst die Post den Busunternehmen einen Maulkorb!

«Klare Reaktion auf den Postauto-Bschiss»

Das zeigt ein neues Dokument, das BLICK vorliegt. Es handelt sich um eine «Geheimhaltungsvereinbarung», welche die Post in den letzten Tagen jenen Busunternehmen zustellte, die unter dem Banner von Postauto Linien betreiben – knapp einen Monat nach dem Auffliegen der «illegalen» Umbuchungen. Zufall?

Die privaten Unternehmen sollen dieses Dokument unterschreiben. Sonst verlieren sie ihre Aufträge.

«Nein», sagt Walter Wobmann, Präsident des Postautoverbands. «Das ist Erpressung der privaten Busunternehmer und eine klare Reaktion auf den Postauto-Bschiss.» Damit wolle man private Postautounternehmen zum Schweigen bringen. Der Druck, den die Post ausübe, sei enorm, so der SVP-Nationalrat. 

CVP-Nationalrat und Berggebietsvertreter Thomas Egger (50) ergänzt: «Das ist ein Skandal! Was wir jetzt brauchen, ist tatsächliche Transparenz.» Und FDP-Nationalrat und Präsident von Regionalverkehr Bern–Solothurn (RBS), Kurt Fluri, doppelt nach: «Das sieht stark nach Behinderung der Untersuchung aus. Das geht nicht.»

Bei Verletzung drohen hohe Bussen

Die Busunternehmer sollen die Geheimhaltungsvereinbarung für «als vertraulich gekennzeichnete oder als solche erkennbare Informationen, die sich auf die Post beziehen», binnen Monatsfrist unterschrieben an die Postzentrale in Bern retournieren. Sonst droht ihnen die Einstellung der Zusammenarbeit.

Und nach Beendigung der Zusammenarbeit mit der Post soll der Unternehmer alle Unterlagen «auf erstes Verlangen zusammen mit einem Übergabeprotokoll herausgeben» oder «auf Anordnung der Post hin «vernichten und diese Vernichtung schriftlich bestätigen».

Wird die Maulkorb-Vereinbarung verletzt, drohen den kleinen Busunternehmen drakonische Strafen. Die Konventionalstrafe ist auf 50'000 Franken dotiert. Und: «Die Konventionalstrafe ist zusätzlich zu einem allfälligen Schadenersatz geschuldet.»

Für die Busunternehmen, viele von ihnen Familienbetriebe, wäre eine Strafe also der finanzielle Untergang.

Wobmann präsentiert Papier im Nationalrat

Ein betroffener Busunternehmer, der anonym bleiben will, ist verzweifelt: «Die Post diktiert, wie wir zu geschäften haben.» Der Maulkorb sei ein Vertrauensbruch. «Wir werden von der Post drangsaliert, und es wird immer schlimmer.» Diese Vereinbarung diene nur dazu, noch mehr Sauereien unter den Teppich zu kehren.

Die Post beteuert, die Vereinbarung stehe nicht im Zusammenhang mit der Postauto-Affäre. Es sei eine konzernweite Forderung «im Sinne einer erhöhten Sicherheit», die seit vergangenem Jahr konzernweit eingesetzt werde. Private Busunternehmer haben sie aber erst jetzt erhalten.

Dominik Steiner, Geschäftsleiter des Verbands der privaten Postauto-Unternehmer, empfiehlt seinen Mitgliedern, das Dokument vorerst nicht zu unterschreiben. Zuerst müsse dessen Rechtmässigkeit geprüft werden.

Wobmann glaubt der Post ohnehin nichts mehr. Deshalb präsentiert er das Papier am Mittwoch in der Postauto-Debatte im Nationalrat. So will er verhindern, dass private Unternehmer sich den Maulkorb umbinden müssen und die Aufarbeitung des Skandals erschwert wird.

Zweierlei Postautos

Über die Hälfte der Schweizer Postautolinien wird nicht von der Post betrieben. Sie sind ganz oder teilweise an private Busunternehmer ausgelagert. Diese sind von der «Geheimhaltungsvereinbarung» betroffen. Die Privatbetriebe fallen nicht auf: Für Passagiere sehen die Postautos alle gleich aus. Die rund 170 Firmen sind im Berufsverband Bus CH organisiert.

Über die Hälfte der Schweizer Postautolinien wird nicht von der Post betrieben. Sie sind ganz oder teilweise an private Busunternehmer ausgelagert. Diese sind von der «Geheimhaltungsvereinbarung» betroffen. Die Privatbetriebe fallen nicht auf: Für Passagiere sehen die Postautos alle gleich aus. Die rund 170 Firmen sind im Berufsverband Bus CH organisiert.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.