Blue Jeans ist das laut eigenen Angaben älteste Jeansgeschäft Zürichs. Es steht an bester Lage, direkt beim Bahnhof Stadelhofen. Seit den 50er-Jahren versorgt es die Zürcherinnen und Zürcher mit «trendigen Jeans und Freizeithosen in allen Beinlängen», heisst es auf der Webseite des Unternehmens.
In jüngster Zeit macht Blue Jeans aber nicht wegen ausgefallener Hosentrends von sich reden. Sondern wegen problematischer Corona-Botschaften im Schaufenster. «Lockdown bringt Tod und Armut», steht prominent auf einem Schild. Auf einem Bildschirm wird für ein Nein zum Covid-Gesetz geworben. Auch Flyer liegen auf. Darauf heisst es unter anderem «Zertifikatsfrei ist das neue sexy». Kundinnen und Kunden reagieren irritiert bis erbost, melden sich auch auf der Blick-Redaktion.
Maskenpflicht ist Makulatur
An der Eingangstür prangt ein violetter Aufkleber der Corona-Skeptiker-Gruppierung Mass-voll. Daneben ein Flyer: «Attestinhaber herzlich willkommen!» Kontrolliert werden die Atteste nicht, heisst es dazu. Bedeutet: Die Maskenpflicht ist in diesem Geschäft de facto Makulatur.
Das berichten Kundinnen und Kunden. Auch Blick machte diese Erfahrung bei einem Augenschein am Donnerstag, kurz nach Feierabend. Der Laden ist gut besucht. Rund die Hälfte der Kundschaft trägt keine Maske. Auch Inhaber Hans Steinmann hat keine auf, beruft sich auf ein Attest.
«Idiotisches Geschwurbel»
Steinmann leitet das Kleidergeschäft gemeinsam mit seiner Frau Helene. Seit bald 30 Jahren verkaufen die beiden hinter dem Opernhaus ihre Jeans. Bis vor der Pandemie lobten die Kunden das grosse Sortiment und die zuvorkommende Beratung. Nun häufen sich auf Google Ein-Sterne-Bewertungen, zeigen Recherchen. «Idiotisches Geschwurbel in den Schaufenstern», schreibt einer. «Zutiefst befremdlich und ekelhaft!» ein anderer.
Blick hat Hans Steinmann mit den Vorwürfen konfrontiert. Er verweigert jegliche Stellungnahme. Aufschlussreicher sind die Google-Bewertungen. Dort reagieren die Inhaber auf jede negative Bewertung persönlich. Schreiben zu den Vorwürfen punkto Maskenpflicht, dass im Geschäft «alle willkommen» seien. Dass sie mit ihren Botschaften Hass säen, lassen Steinmanns nicht gelten. «Die Gesundheit aller liegt uns sehr am Herzen. Wir wollen keine Spaltung.»
Bei einigen kommt die Haltung des Ladens denn auch gut an: Auf Google schreiben User von «Mut» oder loben, dass das Geschäft «maskenfrei» sei – mit drei Smileys dazu.
Polizei weiss um die Schaufenster
Die Stadtpolizei Zürich kontrolliert regelmässig Läden, Restaurants oder Bars auf die Einhaltung der Corona-Massnahmen. Ob sie im Jeansladen im Seefeld auch schon vorgefahren ist, will die Polizei allerdings nicht sagen. Nur so viel: «Hinweisen aus der Bevölkerung, dass sich ein Betrieb nicht an die geltenden Vorschriften hält, gehen wir konsequent nach.» Heisst auch: Die Polizei hat den Jeansverkäufer im Visier.
Fest steht ausserdem: Die Botschaften im Schaufenster polarisieren zwar. Strafrechtlich relevant sind sie laut Polizei allerdings nicht. Bei den Zürcher Behörden heisst es zudem, dass sich die grosse Mehrheit der Betriebe an die Corona-Vorschriften hält. Es müssen kaum Ermahnungen ausgesprochen werden.
Winterthurer Skeptiker-Beck
Ins gleiche Horn stösst auch der Detailhandelsverband Swiss Retail Federation. Der Zürcher Jeansladen ist dort kein Mitglied. Daher will Verbandsdirektorin Dagmar Jenni (53) den Fall auch nicht weiter kommentieren. Sie lässt aber durchblicken, dass sie das Vorgehen überhaupt nicht goutiert. «Es ist selbstverständlich, dass die Mitglieder unseres Verbands unsere Schutzkonzepte und die Vorgaben des Bundes einhalten. Das ist im Sinne des Verbands und der Branche.»
Dennoch: Der Jeansladen ist nicht der einzige im Raum Zürich, der aufbegehrt. In Winterthur ZH macht Bäcker Urs Gerber in seinen beiden Filialen Holzofebeck und Grabebeck ebenfalls Stimmung gegen die Corona-Massnahmen. Auch gegen ihn hagelte es massenhaft Ein-Sterne-Bewertungen. Inzwischen sind die Kommentare gelöscht.