Die Superyachten der russischen Oligarchen sind spätestens seit dem Angriffskrieg ein Thema. Ende Februar haben sie in einer Nacht- und Nebelaktion ihre prunkvollen Schiffe aus den westeuropäischen Häfen gefahren, um den Sanktionen zu entgehen. Die Yachten sollen aber nicht nur für luxuriöse Ferien genutzt werden, sondern haben noch eine ganz andere und geheime Aufgabe.
In Norwegen ist über die Gefahr der Superyachten von russischen Oligarchen eine Diskussion entbrannt. Die «NZZ» berichtete am Dienstag darüber. So sollen die Schiffe zu Spionage- und Sabotagezwecken verwendet werden. Bei der Ein- und Ausfahrt in den Fjord würden die Yachten jedes Mal die Erdgas-Verarbeitungsanlage Nyhamna und die dazugehörigen Rohrleitungen passieren, die Norwegen quer durch die Nordsee mit dem britischen Erdgas-Terminal Easington verbinden.
«Neue U-Boote» Putins
Das gibt Raum für Spekulationen. Ivar Strömmen von der norwegischen Marine-Akademie in Bergen sagte in der norwegische Sendeanstalt NRK, dass der Kreml an einer Behinderung der Rohrleitungen interessiert sein dürfte. Wenn Moskau den Europäern das Erdgas abdreht, könnte Ersatzlieferant Norwegen so nicht in die Bresche springen.
Die Oligarchen-Yachten bezeichnet Strömmen als die «neuen U-Boote» Russlands. Die teuren Schiffe sind mit komplexen Helikopterlandeplätzen, Satellitenanlagen, Tauchgerät und Schnellbooten ausgestattet. Ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen, lasse sich mit ihnen Aufklärung betreiben. Norwegen sei hier lange Zeit sehr naiv gewesen, sagte Strömmen.
Yacht mit Mini-U-Boot und amphibischem Fahrzeug
Die «NZZ» nennt etwa die Superyacht Ragnar, die für unauffällige Aufklärung tatsächlich geeignet sei. Besitzer: Wladimir Strschalkowski (76), Vertrauter Putins (69) und wie sein Freund früherer KGB-Offizier. Laut einer einschlägigen Website, die die Zeitung zitiert, gehören ein Helikopterlandeplatz, ein Mini-U-Boot, Schnellboote und ein amphibisches Fahrzeug zur Ausrüstung des Schiffes.
Mitte Februar sei die Ragnar im Hafen der nordnorwegischen Stadt Narvik gelegen. «War es ein Zufall, dass sie zwei Wochen vor dem Beginn des grossen norwegischen Nato-Manövers «Cold Response 2022» dort angekommen war und bis Mitte März bleiben sollte?», fragt die «NZZ»
Mysteriöse Sabotage-Vorfälle
Befeuert werden die Spekulationen in Norwegen um mögliche hybride russische Spionage mit Oligarchen-Yachten durch zwei mysteriöse Ereignisse der vergangenen Monate. Im November fiel das Ozean-Observatoriums in der Region Lofoten-Vesteralen aus. Mehrere Kilometer Strom- und Datenkabel, die zur Einrichtung führten, waren verschwunden. Damit fielen Sensoren aus, die laut «NZZ» auch die Vorbeifahrt von Unterseeboten registrieren können. Und genau diese Region werde oft von russischen Kriegsschiffen passiert.
Der Sabotageverdacht liess sich nicht schlüssig erhärten. Das gleiche beim zweiten Vorfall: Im Januar meldete die Betreiberin der Tiefsee-Datenkabel zwischen Norwegen und dem Spitzbergen-Archipel, dass eine von zwei Leitungen beschädigt worden sei. Hier läuft eine Untersuchung – noch ohne Ergebnisse.
Die Ragnar hat mittlerweile Norwegen verlassen und befindet sich in der Türkei. Ob sie vor dem Ukraine-Krieg in Spionagemission auf der Nordsee unterwegs war, bleibt offen. In Norwegen ist die Diskussion um Putins angebliche U-Boote, getarnt als Superyachten, lanciert. (nim)