Vietnam hat die Schuldige für den grössten Finanzskandal der Landesgeschichte gefunden: Die Immobilien-Mogulin und Milliardärin Truong My Lan (67) bekam am Donnerstag von einem Gericht in Ho-Chi-Minh-Stadt die Todesstrafe, wie das staatliche Medium Thanh Nien berichtete. Die Staatsanwaltschaft machte die Chefin der Immobilienfirma Van Thinh Phat verantwortlich für einen Schaden, der auf umgerechnet bis zu 25 Milliarden Franken beziffert wird.
Die Verurteilte soll sich dabei selber unrechtmässig bereichert haben. Und zwar im ganz grossen Stil: Es geht um unfassbare 304 Billionen Dong – umgerechnet etwa 11 Milliarden Franken.
Mit «Geisterfirmen» 43 Milliarden Dollar erschlichen
Die Jury befand Lan wegen Korruption, Veruntreuung und Verstössen gegen das Bankengesetz für schuldig. Sie soll zwischen 2012 und 2022 das Finanzsystem Vietnams ausgehöhlt haben. Unter anderem habe die hart gefallene Unternehmerin die Saigon Commercial Bank (SCB), an der ihre Immobilienfirma zu 90 Prozent beteiligt ist, um gigantische Summen erleichtert. Die Masche: Sie gründete zahlreiche «Geisterfirmen» im In- und Ausland, um mehr als 43 Milliarden Dollar an Krediten zu erschleichen – rund ein Drittel davon soll sie selber abgezweigt haben.
Vor Gericht stritt Lan die Vorwürfe ab – und beschuldigte Untergebene. «Ich bin so wütend auf mich, dass ich dumm genug war, mich in dieses sehr harte Geschäft, den Bankensektor, hineinziehen zu lassen, von dem ich wenig verstehe», sagte sie laut vietnamesischen Behörden. Während des fünfwöchigen Prozesses sassen noch 85 weitere Personen auf der Anklagebank, darunter Mitarbeitende der vietnamesischen Zentralbank, Ex-Regierungsmitglieder und Banken-Führungskräfte der SCB.
42'000 SCB-Kunden können kein Geld mehr abheben
Der Finanzskandal wirkte sich auf eine hohe Anzahl Betroffener aus, die seit Lans Verhaftung im Oktober 2023 kein Geld mehr von ihren Konten bei der SCB abheben können. Die Polizei geht von 42'000 Opfern aus. Deswegen kam es auch zu Protesten auf den Strassen der Grossstädte Vietnams. Eine Seltenheit im kommunistischen Einparteienstaat, der keine abweichenden Meinungen duldet.
Die Regierung wiederum ist um Schadensbegrenzung bemüht. Der Generalsekretär der regierenden kommunistischen Partei Vietnams, Nguyen Phu Trong, liess verlauten, dass die seit 2016 angelaufenen Anti-Korruptionsbemühungen noch verstärkt würden. Dank dieser Kampagne konnte Truong My Lan erst vor Gericht gebracht werden, die die Finanzverbrechen mit ihrem Tod bezahlen muss. (mth)