Riesige Trump-Euphorie – nur nicht in der Schweiz
Der SMI im Krisenmodus – jetzt gibts Chancen zum Einstieg

Der SMI ist bereits die vierte Woche in Folge am Serbeln. Er schneidet auch deutlich schlechter als die internationalen Börsen ab. Die Gründe dafür – und welche Aktien dennoch Chancen bieten.
Publiziert: 14.11.2024 um 13:39 Uhr
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Der SMI hat in den letzten vier Wochen Punkte eingebüsst. (Archivbild)
Foto: Keystone
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Luca Niederkofler
Cash

Der Swiss Market Index (SMI) befindet sich nun schon seit vier Wochen in einer Abwärtsspirale. Seit Montag, dem 21. Oktober, hat der Schweizer Benchmark über 5 Prozent eingebüsst. Für einen defensiven Index sind solche Bewegungen nicht unüblich, doch im Zusammenspiel mit den anderen internationalen Börsen fällt die deutliche Unterperformance auf.

Die europäischen Börsen notieren im gleichen Zeitraum ebenfalls negativ. Mit minus 3,8 Prozent fällt das Minus weniger deutlich aus. Auch die japanischen und sogar die chinesischen Börsen schneiden besser ab. Der Nikkei 225 notiert in den letzten drei Wochen unverändert, und der Hang Seng in Hongkong liegt um 3,2 Prozent tiefer. Der Shanghai Composite stieg gar um über 5 Prozent.

Positiv entwickeln sich auch die US-Märkte als Reaktion auf den Wahlsieg von Donald Trump. Der S&P 500 liegt über 2 Prozent höher, während der Nasdaq 100 einen Gewinn von knapp 3,5 Prozent vorweisen kann.

Artikel von «Cash.ch»

Dieser Artikel wurde erstmals auf «Cash.ch» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.cash.ch.

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Ein Blick unter die Haube zeigt: Die Gewinnmitnahmen im SMI sind breit gestreut und nicht nur dem Index-Schwergewicht und Sorgenkind Nestlé zuzuschreiben. Doch nicht bei allen Unternehmen ist Vorsicht geboten - einige bieten attraktive Einstiegspreise.

Hoch bewertete Werte

Von den neun Titeln mit einer tieferen Gesamtperformance als der SMI weisen deren fünf zum Teil deutliche Überbewertungen gegenüber dem eigenen langjährigen Durchschnitt auf. Givaudan, Swisscom, Richemont, Novartis und Sika werden mit einem Aufschlag von zwischen 5 Prozent (Swisscom) und 23 Prozent (Sika) über dem 14-jährigen KGV-Durchschnitt gehandelt.

Bei Givaudan und Novartis sind derzeit traditionelle Bewertungskorrekturen im Gang. Während Analysten die Gewinnprognosen bei beiden Unternehmen seit Monaten abermals anheben, sinkt gleichzeitig der Kurs. Das führt zu einer Bewertungkontraktion und kann von geduldigen Anlegern zum Einstieg genutzt werden.

Tobias Kistler, Anlageexperte bei der St.Galler Kantonalbank, sagt, dass die positive Entwicklung der beiden Unternehmen «im Kurs reflektiert ist». Der Markt fragt sich nun, was überhaupt noch besser werden kann? Diese Frage geht oft mit sinkenden Kursen einher.

Givaudan glänzte seit der Pandemie mit hohem Gewinnwachstum. Zuletzt konnte der Aromen- und Riechstoffkonzern das Jahresergebnis um fast 23 Prozent steigern. Für ein Unternehmen in einem nicht-zyklischen Sektor in dieser Grössenordnung ist das aussergewöhnlich. Diese Wachstumsraten waren jedoch nicht nachhaltig. 

Darauf wies auch Givaudan-Chef Gilles Andrier während der Publikation der Halbjahreszahlen hin. Für die nächsten zwei Jahre erwarten Experten ein Gewinnwachstum von durchschnittlich 3,7 Prozent. Der Kursrückgang der Givaudan-Titel spiegelt damit lediglich die Normalisierung des Bewertungsniveaus nach dem Anstieg im Sommer wider – unter Berücksichtigung der niedrigeren, aber stabilen Wachstumsraten.

Auch bei Novartis zeigt sich ein ähnliches Bild. Der Gewinn pro Aktie (EPS) stieg in den vergangenen zwei Jahren um fast 24 Prozent - dies liegt deutlich über den jährlichen Wachstumsraten der jüngsten Vergangenheit. Während für 2025 ein EPS-Wachstum von über 9 Prozent erwartet wird, dürften sich die Wachstumsraten in den Folgejahren mindestens halbieren.

Ebenso wie im Fall von Givaudan ist auch bei Novartis die Erhöhung dieser tieferen, aber stabileren zukünftigen Wachstumsraten positiv zu werten. Zwar empfehlen «nur» sieben von 24 Analysten die Novartis-Titel zum Kauf, hingegen haben lediglich drei Experten seit Anfang Oktober das Kursziel gesenkt. Neun Analysten haben es erhöht, womit der Konsens bei knapp 103 Franken steht und damit ein Kurspotenzial von knapp 12 Prozent bietet.

Uneinheitliches Bild

Die Fälle von Swisscom, Richemont und Sika sind komplexer. Zwar sinken die Kurse, aber auch die Gewinnprognosen werden gesenkt. Bei Swisscom und Sika sind die jüngsten Reduktionen seit April dieses Jahres gering, doch bei Richemont sind die negativen Revisionen deutlich ausgeprägter. Während zu Beginn dieses Jahres noch mit einem Gewinn fürs Geschäftsjahr 2025 von 7,35 Euro pro Aktie gerechnet wurde, sind es derzeit 5,73 Euro – fast ein Viertel weniger Gewinn.

Die Pandemie-Ersparnisse führten beim Luxuskonzern Richemont zu einem Umsatzboom. Vor zwei Jahren erreichte Richemont ein Umsatzwachstum von knapp 46 Prozent. Im laufenden Geschäftsjahr, das zum 31. März 2025 endet, dürften die Umsätze um 0,3 Prozent steigen. Die operativen Margen und Gewinnmargen werden deutlich fallen.

Der «Kaufrauschkater» hat Richemont damit eingeholt. Hinzu kommt ein weiterhin gedämpftes Wirtschaftsklima und Schuldenabbau in China. Die derzeitigen Unterstützungsmassnahmen der Zentralregierung zielen primär auf die Stützung der heimischen Anlagewerte, wie Immobilien oder Aktien, ab – anstatt den Konsum anzuregen. Damit dürfte sich die Erholung des Asiengeschäfts für den Genfer Konzern weiter verzögern.

Nicht überraschend verpufft daher jeder Erholungsversuch der Richemont-Titel. Diese befinden sich nun seit fast sechs Monaten in einer Abwärtsbewegung von ursprünglich 150 Franken auf unter 120 Franken. Analysten sehen ein aktuelles Kurspotenzial von knapp 20 Prozent, doch ohne grundlegende positive Impulse dürfte dies vorerst nicht erreicht werden.

Das sieht auch Kistler so. Doch erst wenn sich eine konjunkturelle Bodenbildung in Europa und China abzeichnet, dürfte sich der Aktienkurs der Genfer nachhaltig stabilisieren. Hinweise darauf könnten die Exportzahlen der Schweizer Uhrenindustrie liefern – sie erscheinen monatlich und bieten aktuelle, wenn auch nicht präzise, Einblicke.

Alle SMI-Titel, die weniger stark als der Markt gefallen sind, verfügen ebenfalls über eine Bewertungsprämie – mit Ausnahme von Roche. Spitzenreiter ist Swiss Life mit einem «Bewertungspremium» von 70 Prozent. Das langjährige Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) seit 2010 liegt bei 9,7 – das aktuelle KGV beträgt 16,5.

Von dieser Gruppe weisen nur Holcim, ABB, Swiss Re und das mit einem Bewertungsabschlag gehandelte Roche positive Gewinnanpassungen in den vergangenen vier bis sechs Monaten auf. Bei Partners Group und Sonova wurden die Gewinnprognosen reduziert, und trotz unveränderter Revisionen können die Titel von Geberit, Swiss Life und Lonza inmitten eines Marktrückgangs ihre Überbewertungen halten.

Der Elefant: Nestlé

Solange sich die grösste Komponente des SMI nicht erholt, dürfte der Benchmark den internationalen Peers weiter hinterherhinken. Nestlé macht über 17 Prozent des SMI aus und ist nicht unwesentlich für die tiefere Performance mitverantwortlich.

Die Herausforderungen für das nun nicht mehr wertvollste Schweizer Unternehmen sind enorm: geringes Wachstum, ein abrupter Chefwechsel, Inflation und damit verbundene Margenbelastungen.

Seit Dezember 2021 hat der Nahrungsmittelkonzern 40 Prozent seiner Börsenkapitalisierung verloren. Eine solche Korrektur verzeichneten die Nestlé-Titel nicht einmal während der Finanzkrise im Jahr 2009. Auch kurzfristig verlieren die Aktien stark – knapp 10 Prozent in vier Wochen.

Die daraus resultierende Bewertungskorrektur bietet jedoch seltene Einstiegsmöglichkeiten, die nur alle 20 Jahre vorkommen. Trotz der ungewöhnlichen Kursvolatilität bleibt das zugrundeliegende Geschäft stabil. Zwar erwartet das Management mittelfristig ein organisches Wachstum von «rund 2 Prozent», während es in den Vorjahren bei etwa 4 Prozent lag, doch ändert dies nichts am Anlagecharakter von Nestlé: Der Nahrungsmittelkonzern war nie ein Wachstumstitel.

Die ehemals hohe Bewertung war vielmehr Ausdruck der Hoffnung, dass Mark Schneider es schaffen könnte, das Unternehmen durch Umstrukturierungen in einen Wachstumstitel zu verwandeln. Diese Hoffnungen waren jedoch überzogen, die aktuelle Korrektur aber ebenso.

Nestlé mit grossem Kurspotenzial

Mark Schneider wurde im Juni 2016 zum CEO von Nestlé ernannt. Damals lag das KGV knapp über 20. Schneider, der mit einem sehr erfolgreichen Trackrecord von Fresenius zu Nestlé kam, war bekannt dafür, den Medizinkonzern in einen Wachstumstitel verwandelt zu haben. Nach der schwachen Bilanz seines Vorgängers Paul Bulcke keimten schnell solche Erwartungen auf. 

Dies führte dazu, dass das KGV von Nestlé bis auf ein Hoch von 26,4 anstieg, bevor die globalen Inflationsraten rasch anstiegen und Schwachstellen offenlegten, die durch Unternehmensakquisitionen nicht gelöst werden konnten. Die Grenzen seiner Strategie wurden deutlich, und der Aktienkurs begann zu sinken.

Derzeit liegt das KGV der Aktie bei knapp unter 17. Auf ein vergleichbares Niveau fiel Nestlé zuletzt in den Jahren 2012 und 2013. Damals erzielte Nestlé einen Umsatz von gut 92 Milliarden Franken – ähnlich wie heute. Die heutige Unternehmensstruktur und Produktpalette unterscheiden sich jedoch grundlegend von der damaligen Situation.

Die operativen Margen lagen damals knapp unter 18 Prozent und der Gewinn pro Aktie erreichte 3.30 Franken. Heute liegt das EPS bei 4.60 Franken und die operativen Margen bei knapp 21 Prozent – das Margenwachstum beträgt 18 Prozent, und das EPS-Wachstum beläuft sich auf 40 Prozent. Für ein Nicht-Wachstumsunternehmen ist das beachtlich.

Die derzeitige Bewertung der Nestlé-Aktien dürfte stark durch die Enttäuschung beeinflusst werden, dass Mark Schneider die Transformation nicht wie erhofft umsetzen konnte. Dieser Malus dürfte sich jedoch mit der Zeit auflösen, und eine Rückkehr zur durchschnittlichen Bewertung von knapp unter 20 KGV scheint möglich. Bei einem EPS von 4.95 Franken für 2026 liegt das Kurspotenzial bei 99 Franken.

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