Tidjane Thiam (58) ist schwarz. Diese Tatsache war in der Schweiz ein Thema, seit der Ivorer 2015 als neuer Chef der Credit Suisse (CS) vorgestellt wurde.
Die Medien berichteten bei Thiams Ernennung deutlich intensiver über Herkunft und Hautfarbe des Neuen als bei einem solchen Personalwechsel üblich.
Thiam sei «der erste Afrikaner, der einen internationalen Konzern leitet», schrieb der «Tages-Anzeiger». Die «NZZ» vermerkte, Thiam sei 2009 «der erste Konzernchef mit schwarzer Hautfarbe» eines britischen Grosskonzerns gewesen.
In Kommentarspalten und Social Media wurde es teils hässlich: Ewiggestrige machten keinen Hehl daraus, dass sie es daneben fänden, dass nun «ein Schwarzer» eine Schweizer Grossbank führe.
Urs Rohner (60) jedoch war all das offensichtlich egal: Der Verwaltungsratspräsident der CS gab Thiam den Job, weil er ihn für den besten Kandidaten hielt. Punkt.
Nun aber, rund fünf Jahre später, sieht sich ausgerechnet Rohner mit Rassismusvorwürfen konfrontiert. Der Absender: Tidjane Thiam.
Einseitiger Artikel in der «New York Times»
Vergangenen Sonntag erschien in der «New York Times» ein grosser Artikel, in dem die Behauptung aufgestellt wird, wesentlicher Grund für Thiams Absetzung sei dessen Hautfarbe gewesen – und nicht, dass unter seiner Ägide die Konzernleitungsmitglieder Iqbal Khan (44) und Peter Goerke (58) von Privatdetektiven überwacht worden waren.
Die «Times» wurde offensichtlich von Thiam persönlich oder von Personen aus dessen engstem Umfeld mit Informationen versorgt. Dementsprechend einseitig fällt der Artikel aus.
Die spektakuläre Beschattungsaffäre um Iqbal Khan schrumpft zur Lappalie – mit Nachdruck aber wird die Frage aufgeworfen, ob ein CEO mit «anderem Hintergrund» das Ganze überlebt hätte. Für die Autorin ist die Antwort klar: Andere Bankchefs hätten weit grössere Skandale unbeschadet überstanden.
Um die These zu untermauern, Thiam sei bei der CS ein Opfer seiner Hautfarbe geworden, schildert die «Times» mehrere Vorfälle, die zeigen sollen, dass der Topmanager aus Afrika in der Schweiz immer als jemand wahrgenommen wurde, der nicht dazugehörte.
Als Paradebeispiel erwähnt der Bericht die Party zu Urs Rohners 60. Geburtstag. Thiam sei an dieser Veranstaltung der einzige schwarze Gast gewesen. Dabei sei ein schwarzer Künstler als Hausmeister verkleidet auf die Bühne gekommen und habe zu tanzen begonnen, während er mit einem Besen den Boden fegte.
«Mr. Thiam entschuldigte sich und verliess den Raum», heisst es im Artikel der «New York Times».
Damit wird suggeriert, dass an Rohners Geburtagsparty ein Mann engagiert wurde, der das Stereotyp eines zudienenden, den Boden putzenden Schwarzen bediente. Es stellt sich deshalb die Frage: Wer ist der Künstler, von dessen Darbietung sich Thiam derart abgestossen fühlte?
Der Künstler hat noch nie negative Reaktionen bekommen
Die «Times» geht darauf nicht ein. SonntagsBlick fand heraus: Der Mann heisst Paul Bulenzi (45) alias P-Fly, ist in Paris aufgewachsen und tritt seit sechs Jahren im berühmten Variété-Theater Crazy Horse auf.
Mit der These konfrontiert, wirkt Bulenzi überrascht, beinahe ratlos: «Ich habe diesen Act 2013 kreiert und bin sehr stolz darauf.»
Den Besen benutze er, um damit seine Beweglichkeit zu demonstrieren. Zudem versuche er bei der Nummer immer auch, eine Prise Humor einzubringen. Negative Reaktionen habe er bisher nie erlebt. Dass sich jemand von seiner Performance verletzt fühlte, sei für ihn neu.
«Ich konnte diesen Act weltweit und auch schon im Fernsehen zeigen. Bisher hatte ich immer das Gefühl, dass das Publikum meine Fähigkeiten mit dem Besen schätzt.» Es tue ihm sehr leid, wenn sein Auftritt in diesem Fall anders wahrgenommen worden sei.
Was bezweckt Thiam mit der Rassismusthese
Der Fall Bulenzi nährt Zweifel an der Geschichte vom Rassismusopfer Thiam. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich Thiam in der Schweiz diskriminiert fühlte und tatsächlich der Überzeugung ist, dass er den CS-Chefsessel aufgrund seiner Hautfarbe räumen musste.
Es ist aber auch möglich, dass er die Rassismusthese vor allem deshalb verbreitet, um von der Beschattungsaffäre abzulenken. Schliesslich findet ein CEO, der Opfer von Rassismus wurde, eher wieder einen guten Posten als einer, der gehen musste, weil er seine Mitarbeiter beschatten liess.
Fest steht: Allzu gross kann Thiams Schweiz-Trauma nicht sein. Seine Villa in Herrliberg ZH hat er jedenfalls noch immer, wie das zuständige Grundbuchamt bestätigt. Thiam ist damit nach wie vor Nachbar von Iqbal Khan – dem Mann, der unter seiner Ägide beschattet wurde.