Brille mit dickem Rand, Dreitagebart und gestrickte Krawatte, die unten gerade abgeschnitten ist – so wie man sie in den 1950er-Jahren trug: Der Mann, der bei Raiffeisen Schweiz die Skandale seiner Vorgänger vergessen machen soll, sieht wie ein Hipster aus. Er heisst Heinz Huber (54) und ist seit Anfang Jahr der neue CEO.
Gestern trat er anlässlich der Bilanz-Präsentation erstmals öffentlich auf. Viel zu seiner Person konnte BLICK ihm im persönlichen Gespräch nicht entlocken: Er joggt gern, fährt im Sommer Velo und im Winter Ski. Und er ist Fan des FC Zürich.
Huber: «Meine Freunde würden mich als bodenständig, zuverlässig und zielorientiert beschreiben.» Haben Sie eine Familie? «Das spielt doch keine Rolle», winkt er genervt ab.
Die Raiffeisen-Bank wollte nach Pierin Vincenz (62) und Patrik Gisel (57), über die viel Privates bekannt war, einen langweiligeren Chef. Sie hat ihn bekommen. Hubers hippes Äusseres täuscht.
Geschäftlich gut
Das spiegelt sich in den Zahlen: Das Raiffeisen-Geschäftsjahr 2018 war das turbulenteste der Firmengeschichte. Exakt heute vor einem Jahr schickte ein Zürcher Richter Vincenz in Untersuchungshaft, es folgten Erdbeben im Verwaltungsrat und Geschäftsleitung. Im November schliesslich schasste der Verwaltungsrat Gisel nach einer BLICK-Enthüllung über seine Liebschaft zu einer Ex-Verwaltungsrätin.
Und trotzdem war das Skandaljahr geschäftlich ein Erfolg. Im Hypothekenmarkt hat die Genossenschaftsbank mittlerweile 18 Prozent Marktanteil, sie zählte 6,3 Milliarden Neugeld-Zufluss und hätte eigentlich 811 Millionen Franken Gewinn gemacht.
Bloss hat Neo-Chef Huber in seinen ersten Wochen getan, was viele in seiner Situation tun: Er hat das letzte Jahr schlecht gerechnet. Auf fast 300 Millionen Franken setzte er die Abschreiber fest und schmälerte damit den Gewinn massiv, nämlich auf 541 Millionen. Das ist ein Minus von 41 Prozent gegenüber dem 2017, dem Rekord-Jahr unter Gisels Führung.
Auch Eigennutz
Warum er das tut? «Wir brauchten ein realistisches Bild davon, was wir in den Büchern haben», begründet er. Einige der Investitionen der letzten Vincenz-Jahre seien deutlich weniger wert, als bisher angenommen. Mit den Engagements hatte der Ex-Raiffeisen-Gott seiner Bank die Abhängigkeit vom Hypotheken-Geschäft nehmen wollen – zudem hat er sich mutmasslich illegal eine goldene Nase verdient.
Zumindest teilweise ist die Abschreib-Übung aber auch eigennützig, auch wenn Huber das natürlich abstreitet: So kann er beim ersten Jahresergebnis, das er 2020 wird verantworten müssen, besser dastehen.