Raiffeisen-Anlagechef gibt Tipps
«Wie würden Sie 100'000 Franken auf zehn Jahre investieren?»

Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler erklärt im Interview, wie er einen grösseren Geldbetrag investieren würde und welches seine Schweizer Aktien mit Warren-Buffett-Charakter sind.
Publiziert: 10.01.2024 um 08:51 Uhr
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Aktualisiert: 10.01.2024 um 09:52 Uhr
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Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler gibt seine Prognosen für das Börsenjahr 2023 ab.
Foto: ZVG
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Thomas Marti
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Herr Geissbühler, wo steht der Swiss Market Index (SMI) Ende Jahr?
Matthias Geissbühler: Wir haben für den SMI kein konkretes Ziel in Punkten. Aber so viel sei verraten: Es wird volatil und wir werden zwischenzeitlich tiefere Indexstände sehen. Inklusive Dividenden traue ich dem SMI auf Jahresfrist aber ein Plus von 6 Prozent zu. Das ist eher durchschnittlich, aber eine solide Performance. Gerade die defensiven Werte wie Nestlé, Novartis und Roche dürften dabei den Hauptanteil beisteuern. Zudem gehen wir davon aus, dass die anderen Börsen schlechter als der SMI abschliessen werden.

Sie setzen dieses Jahr auf Schweizer Aktien, Gold und Immobilienfonds. Wie würden Sie 100'000 Franken zum Beispiel aus einer Erbschaft über 10 Jahre investieren?
Ich würde auf diesen Zeithorizont definitiv auf Schweizer Aktien mit einer Quote von 50 bis 60 Prozent je nach Risikofähigkeit setzen – vor allem, weil die defensiven Schweizer Werte im letzten Jahr einen schweren Stand hatten. Roche ist dabei mit zweistelligen Kursverlusten aufgefallen, Lonza hat stark an Wert eingebüsst, und Nestlé kam auch nicht vom Fleck. Pharmavaloren wie Novartis sowie auch der defensive Konsumgüterwert Nestlé sind nun aber günstig bewertet und gehören in jedes Depot. Immobilienfonds mit einer Gewichtung von fünf bis sechs Prozent sind hierbei eine gute Beimischung als Obligationenersatz dank der attraktiven Ausschüttungsrendite. Diese sind auch für jüngere Anleger geeignet, die selbst kein Wohneigentum besitzen und an den mittel- bis langfristigen Wertsteigerungen des Schweizer Immobilienmarkts partizipieren wollen.

Wieso empfehlen Sie Gold, das keine Erträge abwirft, sprich: Dividenden oder Zinszahlungen?
Das gelbe Edelmetall ist als Absicherung respektive als Krisenschutz, der zur Glättung der Volatilität beiträgt. Wir gehen von sinkenden Opportunitätskosten, das heisst tieferen Zinsen, ab dem zweiten Halbjahr aus. Dadurch könnte der Goldpreis vor einem Ausbruch nach oben stehen, nachdem der Preis in den letzten drei Jahren zwischen 1600 und 2100 Dollar pro Feinunze konsolidiert hatte. Wir empfehlen hierbei, einen Goldanteil von 7 Prozent im Portfolio zu halten. Die restlichen Mittel von rund 27 Prozent nach den 60 Prozent Aktien, 5 bis 6 Prozent Immofonds, und den 7 Prozent Gold würde ich je hälftig in Franken Investment-Grade-Anleihen mit kürzerer Laufzeit sowie in Form von Geldmarktfonds als Liquiditätspolster behalten, um künftig flexibel reagieren zu können. 2024 wird sicherlich deutliche Schwankungen mit sich bringen. Das eröffnet neue Anlagemöglichkeiten.

Den Tiefpunkt beim Kauf zu treffen, ist praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Ist es deshalb immer sinnvoll, gestaffelt respektive in Tranchen zu investieren?
Einen Königsweg gibt es nicht. Die einen Studien besagen, das Timing sei schwierig, weil die Märkte ja konstant über eine längere Periode steigen. Entsprechend lautet die Empfehlung, alles auf einmal zu kaufen. Andere Strategen plädieren für das Abwarten einer grösseren Korrektur, um diese dann für den Einstieg nutzen zu können. Das kann sinnvoll sein, aber möglicherweise wartet man zehn Jahre, weil es einfach keine nennenswerte Korrektur gibt oder der Anleger diese verpasst, weil er in den Ferien ist. Der pragmatische Weg ist deshalb, gestaffelt einzusteigen. Vor allem dann, wenn man noch nicht investiert ist. Wer auf der anderen Seite bereits investiert ist, sollte regelmässig wieder neues Geld hinzu investieren, so dass die Einstandspreise geglättet werden können.

Betrifft die von Ihnen erwartete Kursschwankungsanfälligkeit oder Volatilität alle Anlageklassen?
Die Volatilität wird generell hoch bleiben, auch wenn 2023 eher die Ausnahme mit sehr hohen Schwankungen an den Zinsmärkten und verhältnismässig tiefen Schwankungen an den Aktienbörsen darstellte. Wir erwarten in diesem Jahr nun bei beiden Anlagekategorien eine höhere Volatilität wegen des unsicheren Konjunkturumfelds. Das dürfte zu vielen Sektorrotationen führen, welche die Kurse stärker schwanken lassen. Es ist weiterhin offen, wann die Notenbanken beginnen, die Zinsen zu senken. Ebenso unklar ist, wie stark die Leitzinsen fallen. Diese Unsicherheiten werden zu grösseren Ausschlägen an den Finanzmärkten führen.

Am Schweizer Aktienmarkt können Anleger mit ETF auf den SMI, SLI, SMIM oder SPI setzen. Welcher eignet sich am besten als Investment?
Der breite Swiss Performance Index (SPI) drängt sich als Basis auf. Anlegerinnen und Anleger sind damit breit diversifiziert, haben aber immer noch einen guten Anteil an den Schwergewichten Nestlé, Novartis und Roche. Wir gehen davon aus, dass die defensiven Werte dieses Jahr die Nase vorne haben und damit SPI und SMI gut performen. Mit Blick auf die zweite Jahreshälfte könnte es dann spannend werden, ein Engagement im SMIM zu prüfen. Irgendwann im Sommer werden die Notenbanken mit Zinssenkungen beginnen. Das ist dann der Zeitpunkt für den Kauf von zyklischen Aktien, die im SMIM gut vertreten sind.

Was halten Sie von Schweizer Obligationenanlagen?
Gerade bei Obligationen ist aktives Management sehr wichtig. So hatten wir letztes Jahr im Swiss Bond Index (BBB) Ausschüttungsrenditen von 2,5 und mehr Prozent. Entsprechend haben wir Obligationen aufgestockt, aber auch wieder das Exposure reduziert, nachdem die Renditen in den letzten Wochen sich deutlich zurückgebildet haben. Aktuell stehen die Renditen wieder bei rund 1,5 Prozent und damit auf dem aktuellen Niveau der Teuerung. Damit hat die Attraktivität dieser Anlagen wieder abgenommen. Ich kann das Kapital zwar schützen, aber Geld verdienen tue ich damit real betrachtet keines. Erst bei einem neuerlichen Zinsanstieg wären Frankenobligationen wieder eine interessante Option.

Bei Immobilienfonds beträgt die Rendite derzeit etwas mehr als 2 Prozent. Das scheint tief im Vergleich zu Aktien?
Wir erwarten, dass die Ausschüttungsrenditen bei den Immofonds von zwei in Richtung drei Prozent anziehen werden, weil die Mieteinnahmen steigen. Nebst der Generierung von mehr Cashflow sollten diese Fonds auch von den sinkenden Zinsen profitieren, da die Nettovermögenswerte wieder tiefer diskontiert werden können. Mit grossen Preissteigerungen bei den Immobilienbewertungen rechnen wir nicht. Die Agios sind aber zuletzt stark gesunken und entsprechend ist schon viel Negatives eingepreist.

Warren Buffett ist vor 45 Jahren bei Coca-Cola eingestiegen und hat eine enorm hohe Performance erzielt. Welches sind ihre drei Schweizer Aktien mit Warren-Buffett-Charakter?
Ich würde ebenfalls wie Warren Buffett auf Titel setzen, welche Produkte für den täglichen Bedarf herstellen. Bei Tech-Aktien kann es sehr schnell neue Änderungen Innovation geben, was oft zu einer hohen Volatilität der Kurse führt. Deshalb gehören defensive Konsumgüter-Werte wie Nestlé definitiv in ein Depot hinein, auch wenn die Firma aufgrund der Grösse keine zweistelligen Wachstumsraten aufweisen kann. Dafür ist das Geschäft stabil und margenstark. Weil die Leute immer älter werden, gehört auch eine Novartis ins Portfolio. Im Industriebereich ist Sika eine Perle, weil es der Firma in den letzten Jahren eindrücklich gelungen ist, eine solide Wertschöpfung zu erzielen. Die Firma ist sehr gut geführt und sollte über die nächsten 20 bis 30 Jahre Freude bereiten.

Matthias Geissbühler ist Anlagechef der Raiffeisen Schweiz.

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