Ist das ein Unfall? Oder ein geplanter Angriff? Das fragen sich heute Dienstag mehrere Länder, die von den Lecks an den Nord Stream-Pipelines in der Ostsee betroffen sind.
In der Nacht auf Montag war in dänischen Gewässern zunächst in einer der beiden Röhren von Nord Stream 2 ein starker Druckabfall festgestellt worden. Laut dänischer Regierung waren im Umkreis von 100 Metern um das vermutliche Leck Gasblasen sichtbar. Am Montagabend meldete der Betreiber dann auch einen Druckabfall in beiden Röhren von Nord Stream 1.
Zwei Explosionen
Schwedische Seismologen gehen von mehreren Explosionen aus. Dafür sprechen auch die Daten der seismischen Station auf der dänischen Insel Bornholm. Die Daten der Station »DK.BSD« belegen zwei Ereignisse, eines in der Nacht um 2.03 Uhr und ein zweites um 19.04 Uhr am Abend, wie der Spiegel schreibt.
Erdbeben kämen in dem Zeitraum keine infrage. Auf den Messwerten sind deutliche Ausschläge zusehen. Danach falle ein erhöhtes Rauschen auf, wie der Spiegel weiter schreibt.
Sabotage ist nicht ausgeschlossen
Durch Nord Stream 1 war bis vor wenigen Wochen russisches Gas unter der Ostsee hindurch nach Europa gepumpt worden. Seit einer angeblichen Beschädigung liefert Russland jedoch nur noch eine kleine Menge Gas. Nord Stream 2 war, eben erst fertiggestellt, noch vor dem russischen Angriff auf die Ukraine von der Bundesregierung stillgelegt worden.
Wie die Deutsche Presse-Agentur DPA am Dienstagmorgen aus Sicherheitskreisen erfuhr, suchen deutsche und dänische Spezialisten nun mithilfe von Tauchrobotern nach der Ursache. Dabei spricht für die Experten laut DPA einiges für Sabotage. Laut Nord-Stream-2-Sprecher Ulrich Lissek sind die Leitungen so verlegt, dass eine gleichzeitige Beschädigung mehrerer Leitungen etwa durch einen einzelnen Schiffsunfall höchst unwahrscheinlich ist.
Auch ein Spezialist für Unterwasserroboter verwies im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur auf die extrem hohen Sicherheitsstandards und die sehr robuste Bauweise der Leitungen. Aus seiner Sicht kommt nur eine bewusste Manipulation infrage.
Polen beschuldigt Russland, Russland schliesst nichts aus
Sollte es sich um einen Anschlag handeln, würde angesichts des technischen Aufwands eigentlich nur ein staatlicher Akteur in Frage kommen. Polen schliesst deshalb nicht aus, dass die von dänischen Behörden entdeckten Lecks ihre Urheber in Russland haben könnten.
Man befinde sich in einer Situation hoher internationaler Spannung, sagte Vize-Aussenminister Marcin Przydacz am Dienstag in Warschau. «Leider verfolgt unser östlicher Nachbar ständig eine aggressive Politik. Wenn er zu einer aggressiven militärischen Politik in der Ukraine fähig ist, ist es offensichtlich, dass keine Provokationen ausgeschlossen werden können, auch nicht in den Abschnitten, die in Westeuropa liegen.»
Selbst das beschuldigte Russland schliesst Sabotage oder andere Gründe nicht aus. «Jetzt kann keine Variante ausgeschlossen werden», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag. Wen Moskau im Verdacht haben könnte, liess Peskow jedoch offen.
Keine Auswirkungen auf Gasversorgung
Das Gebiet um die möglichen Lecks wurden für Schiffe gesperrt. Nach Angaben der dänischen Energiebehörde können diese den Antrieb verlieren, wenn sie diese Gewässer durchqueren. Zudem bestehe aufgrund möglicherweise austretendem Gas Entzündungsgefahr. Ausserhalb der Zone herrsche jedoch keine Gefahr, versichert die dänische Behörde.
Deutsche und dänische Behörden wiesen darauf hin, dass die Vorfälle keine Auswirkung auf die Gasversorgung hätten, da die Leitungen zuletzt nicht für den Gasimport benutzt worden seien. Der deutsche Bund für Umwelt und Naturschutz schätzt die möglichen kurzfristigen Auswirkungen der Lecks auf die Umwelt als lokal begrenzt ein. (SDA/was)