Die Schweiz verliert ihre Milchbauern: Gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft hat sich die Anzahl Milchbetriebe seit dem Jahr 2000 mehr als halbiert. Sie verschwinden doppelt so rasch, wie andere landwirtschaftliche Betriebe, sagte Boris Beuret (46), der neue Präsident des Dachverbandes der Schweizer Milchproduzenten (SMP), am Wochenende in einem Interview mit «Le Temps».
Beuret sieht die Schuld bei der Liberalisierung des Milchmarktes – und dem damit verbundenen tiefen Milchpreis. Wie viel ein Liter Milch zu kosten habe, darüber streiten sich Bauern, Verwerter und die Politik bereits seit Jahren. Dieses Jahr kommt hinzu, dass sich das Problem durch den abnehmenden Käseexport erneut verschärft.
«Die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre ist nicht gut», sagt auch Milchgenossenschafter Werner Locher (70), der seinen Betrieb in Bonstetten ZH hatte. Sie treibe viele Milchbauern in existenzielle Nöte.
Tiefer Milchpreis führt zu Umweltproblemen
Dabei würden jedoch oft verheerende Nebeneffekte ausgeblendet. «Die Schweizer Milchproduktion befindet sich durch den Preisdruck in einem strukturellen Wandel», sagt Locher. Und dieser sei nicht nur für die Landwirte einschneidend – sondern auch für die Umwelt.
Denn die verbleibenden Produzenten würden immer grösser. Nur so sei die Milchproduktion noch rentabel, sagt Locher. «Durch diesen Wandel benötigt die intensive Milchwirtschaft immer mehr wertvolle Ackerflächen.»
Auch Agronomin Laura Spring (38) warnt: «Der wirtschaftliche Druck in der Milchwirtschaft führt nun zu ökologischen Fehlleistungen.» Zudem befeuern die Landwirte, die sich von der Milchproduktion verabschieden, die Problematik. «Oftmals steigen diese auf die lukrativere Schweine- oder Pouletmast um», sagt die Geschäftsführerin des Vereins Vision Landwirtschaft. «Der Betrieb wird also deutlich umweltschädlicher.»
Falsche Anreize und ökonomische Zwänge
Spring sieht in der Politik Handlungsbedarf. «Die heutige Agrarpolitik setzt die falschen Anreize», sagt sie. Sie fördere eine Hochleistungsstrategie. Eine Umverteilung der Direktzahlungen könnte sowohl nachhaltigere Landwirtschaft begünstigen, als auch den Milchpreis stabilisieren. «Studien zeigen, dass mit den richtigen Kuhrassen eine standortgerechte Haltung ohne Kraftfutter sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll wäre.»
Auch Locher moniert, dass die aktuellen politischen Rahmenbedingungen zu ökonomischen Zwängen führen. Was den Milchpreis anbelangt, so sieht er jedoch auch den SMP in der Verantwortung: «Der Verband hat es verpasst, sich für eine Regulierung der Milchmenge einzusetzen.» Wenn sich die Produktion nach der Nachfrage gerichtet hätte, stecke die Milchwirtschaft nicht in diesem Schlamassel.
Dachverband der Milchproduzenten widerspricht
Der Dachverband sieht derweil wenig Nachholbedarf. «Der tiefe Milchpreis führt zwar dazu, dass der Strukturwandel weiter geht», teilt der SMP auf Anfrage von Blick mit.
«Die verbleibenden Betriebe bleiben aber mindestens so nachhaltig, wie sie heute sind und werden eher noch besser.» Der Konkurrenzdruck von Tierernährung mit der menschlichen Ernährung würde deutlich überschätzt.