Die kalifornische Wüste verwandelt sich im Frühling jeweils in einen Spielplatz der Reichen und Schönen. Der grosse Anziehungspunkt: das Megafestival Coachella. Stars und Sternchen, Influencer und Musikfans strömen in die Stadt Indio, um dort an zwei April-Wochenenden die grössten Musikacts der Welt und die Künstler von morgen zu sehen. Nur um die Musik an sich geht es am Event längst nicht mehr, sondern ums grosse Geld – und um Luxus.
Das Geschäft am Coachella bringt teils absonderliche Blüten mit sich. Ein prägnantes Beispiel für regelrechten Luxus-Exzess: Die US-Influencerin Alix Earle (23) bewirbt ihren gut sechs Millionen Tiktok-Followern ein neu lanciertes Soda-Getränk der Marke Poppi. Dafür liess der Limo-Brand den Social-Media-Star und seine Freunde letztes Wochenende mit einem Privatjet von Los Angeles ins bloss rund 170 Kilometer entfernte Palm Springs einfliegen. Earle und ihre Gefolgschaft wohnten im «Coachearls», einem extra für sie in die Wüste gebautes Haus inklusive Pool.
Festival war nicht immer ein Erfolg
Dabei war das Coachella zuerst alles andere als ein kommerzieller Erfolg. Die erste Austragung im Jahr 1999 hinterliess einen Verlust von über einer Million Dollar. Im Jahr darauf fiel das Festival aus, erst 2001 fand es wieder statt. In den seither gut 20 Jahren hat sich das Coachella von einem unrentablen Rockmusik-Treffen zu einem Mainstream-Pop-Event der Extraklasse entwickelt. Das zeigt sich schon bei den Ticketpreisen. Diese beginnen bei 500 Dollar für eines der zwei Festival-Wochenende, die Luxus-Packages liegen bei deutlich über 10'000 Dollar.
Angezogen wird dadurch ein spendables Publikum. Die rund 250'000 Besucher gaben bei der Austragung 2022 laut dem Beratungsunternehmen HVS 7,1 Milliarden Dollar aus. Das bescherte der Region eine Wertschöpfung von 8,7 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Das sind über 500-mal mehr, als das Open Air Frauenfeld generiert.
Grosse Bühne für globale Marken
Nur diese 8,7 Milliarden Dollar sind also eine irre Summe. Doch das Coachella-Business ist noch um einiges grösser. Das prestigeträchtigste Musikfestival der Welt ist nicht bloss ein Tourismus-Booster, sondern eine riesige Marketing-Plattform. Das Coachella hat es geschafft, eine Marke für sich zu sein. Es wäre auch ausverkauft, selbst wenn das gesamte Line-up der Musikacts nicht bekannt wäre.
Dank des Standorts in der Wüste startet das Coachella sehr früh im Jahr. Es eröffnet den Festivalsommer auf der nördlichen Halbkugel – und ist damit die erste grosse Bühne für Unternehmen, um ihre neuen Produkte für den Sommer zu promoten. Entsprechend kann der Festivalveranstalter Goldenvoice hohe Gebühren von den Sponsoren verlangen, was das ganze Spektakel mitfinanziert und zudem für Exklusivität sorgt. Das Partnerschaft-Portfolio besteht hauptsächlich aus globalen Grosskonzernen, dieses Jahr sind unter anderem Heineken, Nike, BMW, Google und American Express mit dabei.
Dazu kommen noch jede Menge weiterer Deals mit neueren, trendigeren Marken, um das Festival einen hippen Anstrich zu verpassen. Ums Hauptfestival herum gibt es zahlreiche gesponserte Nebenevents. Das wohl bekannteste und erfolgreichste ist das gleichzeitig stattfindende Festival der Modemarke Revolve. Geladen sind nur Stars – und Influencer.
Coachella lebt vom Influencer-Marketing
Die Social-Media-Stars sind generell das Benzin der Coachella-Maschinerie. Eingeladen von Unternehmen, leben die Influencer ihrer Followerschaft den Lifestyle des Festivals vor und tragen die Werbeslogans ihrer Auftraggeber in die virtuelle Welt hinaus. Laut der Marketing-Plattform Traackr setzten über 700 Influencer am Coachella 2022 über 5000 Beiträge über das Festival ab. Die Wirkung: Abermillionen von Interaktionen auf Tiktok, Instagram und Co. Und auch die Influencer selber kassieren ordentlich ab. Gemäss der «New York Post» streichen diese bis zu 10'000 Dollar ein – pro Post.
Das Spektakel-Festival gilt darum auch als die Olympischen Spiele der Influencer. Aber die teils zügellosen Marketing-Stunts wie jener von Influencerin Earle kratzen am Ansehen des hochrentablen Festivals. So kritisierten einige Follower die Coachella-Aktion von Earle. Insbesondere der 30-minütige Flug im Luxusjet löste negative Reaktionen aus. Grundsätzlich sorgt die Influencer-Schwemme am Coachella für Unverständnis in der Gesamtbevölkerung. So missfällt 68 Prozent der US-Bürger die ansteigende Präsenz von Sponsoren und Influencern, wie aus einer Umfrage von casino.org unter 3000 Menschen hervorgeht.
Derweil liessen es sich Earle und ihre Freunde am Coachella gut gehen. Auf dem neusten Tiktok-Video tanzen sie vor dem bekannten Riesenrad. Beschrieben ist der Clip mit «we are delusional» – frei übersetzt: Wir sind wahnhaft.