Phantom-Milliardär Hansjörg Wyss (86) bricht sein Schweigen
«Jeder logisch denkende Mensch lässt sich impfen»

Der in den USA lebende Hansjörg Wyss ist nicht nur einer der reichsten Schweizer. Er soll auch Joe Biden zum Wahlsieg verholfen haben. Im Interview räumt er mit Gerüchten auf und sagt, was er von den Parteien in der Schweiz hält.
Publiziert: 15.10.2021 um 00:30 Uhr
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Aktualisiert: 15.10.2021 um 12:24 Uhr
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Hansjörg Wyss hat ein geschätztes Vermögen von 6 Milliarden Franken.
Foto: Keystone
Interview: Nicola Imfeld

Wer ist dieser Hansjörg Wyss (86)? In Amerika glaubt man, dass der Berner Multimilliardär massgeblichen Anteil am Wahlsieg von Joe Biden (78) hatte. Ein Schweizer als Strippenzieher der Weltmacht? Wyss äussert sich zu solchen Spekulationen nicht, gilt als Phantom. Blick hat er nun in seinem Wohnzimmer in Cambridge nahe der US-Grossstadt Boston virtuell empfangen. Es ist noch dunkel, als Wyss sich zum Gespräch einschaltet.

Die Pandemie hat sich im Frühherbst in den USA wieder zugespitzt. Wie ist die aktuelle Lage?
Hansjörg Wyss:
Es hat sich etwas entspannt. Aber Anfang September war Corona erneut ausser Kontrolle. Im Süden kam es beinahe zur Katastrophe. An der Westküste und der nördlichen Ostküste sind die Impfraten gut, aber leider nicht im ländlichen Zentrum und Süden des Landes. So kommt es immer wieder zu Infektionswellen und einer Bettenknappheit in Spitälern. Es sind die konservativen Politiker in Amerika, die nicht verstehen wollen, wie gefährlich dieses Virus ist. Die grösste Kontroverse gibt es hier im Bildungswesen. In jeder einzelnen Schule zofft man sich, ob man die Kinder impfen soll oder nicht.

Sie gehören mit Ihren 86 Jahren zur Risikogruppe. Haben Sie Angst vor dem Virus?
Angst nicht, aber Respekt. Meine Frau und ich haben versucht, so normal zu leben wie möglich. Wir haben uns nie abgeschottet. Aber Sicherheitsmassnahmen wie Maske tragen, Abstand halten und sich regelmässig testen zu lassen gehören seit Frühling 2020 einfach dazu. Zugegeben: Wir sind auch etwas verwöhnt und haben die Möglichkeit, mit meinem Flieger gefahrlos beispielsweise nach Kalifornien zu fliegen.

Sind Sie persönlich geimpft?
Natürlich! Jeder logisch denkende Mensch lässt sich impfen. Ich gehörte im Januar dank meines Alters zu den Ersten. Nun habe ich bereits die Booster-Impfung erhalten.

Erleben Sie in den USA eine ähnliche Kontroverse rund ums Impfen wie wir hier in der Schweiz?
Kommt darauf an, wo in Amerika. In den Nordoststaaten und Kalifornien ist das kein Thema. Und den Mitarbeitenden meiner Stiftung habe ich klipp und klar gesagt: Sind Sie nicht geimpft, verlieren Sie Ihren Job! Ich musste aber niemanden entlassen. Ich stelle halt auch nicht die Dümmsten an (lacht).

Was kann man den Impfunwilligen sagen, um Sie zu überzeugen?

Man muss unterscheiden: Mit Verschwörungstheoretikern und Leuten, für die die Ablehnung gegen das Impfen wie eine Religion ist, kann man leider nicht sprechen. Dann gibt es aber viele Menschen – vor allem Junge –, die aus reiner Faulheit sich nicht impfen lassen. Diese Gruppe kann man überzeugen, indem man ihnen die Gefahren des Virus aufzeigt und erklärt, warum die Impfung so wichtig ist.

Wie beurteilen Sie die Schweizer Corona-Politik?
Es war ein grosses Wirrwarr im letzten Herbst. Der Kantönligeist hat in der Krise vieles erschwert – der Bundesrat kann in der Schweiz nicht allein entscheiden. Die Zertifikatspflicht Anfang September war nun eine sehr gute Massnahme. Als ich kürzlich meine Freunde im Bündnerland traf, habe ich auf der Impfung bestanden: Wer kein Zertifikat hatte, blieb zu Hause. Zusätzlich liessen wir uns jeden Morgen testen.

Vorbildlich. Das Zertifikat ist aber umstritten. Die Kritiker sehen darin einen versteckten Impfzwang.
Ja, ja. Das sind gewisse Politiker der Schweizerischen Volkspartei, die hier ihre Meinung lautstark und medienwirksam vertreten. Da fehlt es an Intelligenz.

Das Gegenteil ist der Fall. Die SVPler, die Sie hier ansprechen, agieren politisch höchst intelligent. Sie bauen ihre Wählerbasis geschickt aus.
Das stimmt. Wissen Sie: Jeder Politiker ist zuallererst nicht am Wohlergehen des Volks interessiert, sondern an seiner Wiederwahl. Und das Gute für diese Politiker ist: Die Menschen vergessen sehr schnell ...

Die Schweizer Wirtschaft steht trotz Pandemie vergleichsweise sehr gut da. Weshalb?
Wir sind in der Technologie und Bildung führend in der Welt. Die Schweiz hat die besten Primar- und Sekundarschulen und hervorragende Universitäten. Deshalb ist die Wirtschaft so robust. Aber warten Sie ab. Die Schweiz wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren in eine ganz schwierige Situation kommen.

Schweizer Milliardär in Amerika

Hansjörg Wyss (86) wurden die Milliarden nicht in die Wiege gelegt. Aufgewachsen in einer kleinen Dreizimmerwohnung im Berner Weissensteinquartier, brachte es Wyss zum Multimilliardär. Er studierte an der ETH Zürich Bauingenieurwesen und später an der renommierten Harvard Business School. Im Jahr 1977 kaufte er sich in die Orthopädiefirma Synthes ein, die sich als Goldgrube entpuppte. 2012 verkaufte Wyss Synthes an den US-Pharmariesen Johnson & Johnson. Mit seiner Wyss Foundation setzt er sich für den Erhalt der Landschaft und den Artenschutz ein. Wyss lebt seit 40 Jahren in Amerika, ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Hansjörg Wyss (86) wurden die Milliarden nicht in die Wiege gelegt. Aufgewachsen in einer kleinen Dreizimmerwohnung im Berner Weissensteinquartier, brachte es Wyss zum Multimilliardär. Er studierte an der ETH Zürich Bauingenieurwesen und später an der renommierten Harvard Business School. Im Jahr 1977 kaufte er sich in die Orthopädiefirma Synthes ein, die sich als Goldgrube entpuppte. 2012 verkaufte Wyss Synthes an den US-Pharmariesen Johnson & Johnson. Mit seiner Wyss Foundation setzt er sich für den Erhalt der Landschaft und den Artenschutz ein. Wyss lebt seit 40 Jahren in Amerika, ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Warum meinen Sie?
Weil wir keine normalen Beziehungen zur EU mehr haben werden. Der Bundesrat hätte niemals die Verhandlungen abbrechen sollen. Das kann ich nicht verstehen, so etwas macht man doch nicht. Man hätte weiter im Inland diskutieren können, ohne gleich die Türe zuzuknallen. Wir sind dank den bilateralen Abkommen de facto in der EU, aber mit deutlich mehr Freiheiten. Ich hoffe, dass wir bald wieder miteinander am Verhandlungstisch sitzen.

Was droht der Schweiz denn?
Wir werden wie Pakistan behandelt werden. Die Schweiz wird ignoriert, bleibt beim Forschungsprogramm Horizon 2027 aussen vor, sitzt nicht bei den wichtigen Diskussionen am Tisch. Das ist Gift für die hiesige Wirtschaft und wird unsere Innovationskraft, unsere Start-ups und unsere KMU, auf die wir stolz sind, klar negativ beeinflussen.

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Was ist die grösste Herausforderung der Schweiz im 21. Jahrhundert?
Das Bevölkerungswachstum. Die Schweiz kann mit 11 Millionen Einwohnern nicht konkurrenzfähig sein. Das schöne und behütete Land, das wir alle kennen und lieben gelernt haben, werden wir noch schmerzlichst vermissen. Letztlich wird die Schweiz eine grössere Stadt sein.

Hansjörg Wyss voll auf SVP-Linie. Also müssen wir die Zuwanderung begrenzen?
Auf keinen Fall. Die Zuwanderung hat uns enorm geholfen, das ist Fakt. Es kommen immer wieder intelligente Leute in die Schweiz, die unserem Land viel bringen. Wissenschaftler, Büezer und so weiter. Die Schweiz ist keine Insel. Einfach die Zuwanderung zu stoppen, ist ein zu simpler Slogan. Das Bevölkerungswachstum ist ein globales Problem. Die Schweiz kann das nicht allein lösen.

Welche Partei wählen Sie in der Schweiz?
Die SVP mit Bestimmtheit nicht. Diese Partei ist eine grosse Gefahr für die Schweiz und hat nicht erkannt, dass wir in einer international vernetzten Welt leben. Der SVP ist es am wichtigsten, dass die Schweizer Fahnen in jedem Dörfchen wehen. Ansonsten sind alle Parteien akzeptabel. Manchmal machen die Sozialdemokraten gute Initiativen, dann wieder die Freisinnigen.

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In Amerika stehen Sie den Demokraten nahe. Hat sich Joe Biden bei Ihnen eigentlich bereits bedankt?
Weshalb?

Die «New York Times» hat im Mai berichtet, dass Sie den Demokraten mit Spenden geholfen haben, den Kongress und das Weisse Haus zu gewinnen.
Schwachsinn. Das ist ein bekannter konservativer Redaktor, der immer wieder solche faktenlosen Artikel verfasst. Ich habe keinen Cent für einen Kandidaten der US-Wahlen 2020 gespendet. Erstens darf ich es nicht, zweitens will ich es nicht.

Keine Direktspenden. Aber Sie setzen sich mit Ihren wohltätigen Organisationen doch für die Anliegen der linken Demokraten ein, oder?
Wir unterstützen einzig unabhängige Organisationen, die sich politisch organisieren. Lobbying selber betreiben dürfen wir aber nicht, weil unsere Stiftungen steuerfrei sind.

Also indirektes Lobbying für Joe Biden und Co.
Ich halte mich an die geltenden Gesetze. Wir haben interne und externe Anwälte, die das stets überprüfen. Es ist halt so, dass die Ziele meiner Stiftungen tendenziell eher von den Demokraten geteilt werden als von den Republikanern.

Was macht Biden denn nun besser als Donald Trump?
Wir haben keinen Präsidenten mehr, der täglich zehn Mal lügt. Jeder, der gegen Trump war, wurde zerstört. Bei Biden hingegen kann man auch anderer Meinung sein, ohne dass man sofort entlassen wird. Es ist eine Normalität eingekehrt, die wir sehr vermisst haben und die guttut.

Normalität ist schön und gut. Aber was kann Biden denn konkret bewirken?
Nicht sonderlich viel. Das ist die unschöne Wahrheit. Ihm fehlt eine klare Mehrheit im Senat, um grosse Reformen durchzubringen. Das Infrastruktur-Paket war ein Erfolg, das er in Zusammenarbeit mit den Republikanern realisiert hat.

Sie gehören mit einem geschätzten Vermögen von 6 Milliarden Franken zu den reichsten Schweizern. Was wollen Sie mit all diesem Geld noch machen?
Gutes tun mit meiner Stiftung. Wir setzen uns weltweit für den Schutz der Landschaft ein. In Georgien haben wir zum Beispiel gerade ein Projekt bewilligt. Mit der Stiftung bauen wir dort sechs Nationalpärke – alles auf unsere Kosten. Wenn sie errichtet sind, teilen wir die Unterhaltskosten mit dem Staat. Aber man muss wissen: Eine Stiftung kann nichts allein vollbringen. Wir sind auf gute und verlässliche Partner angewiesen.

Sie haben sich im Jahr 2010 dem «Giving Pledge» von Warren Buffett und Bill Gates mit Hunderten anderen Milliardären angeschlossen und versprochen, die Hälfte Ihres Vermögens bis zu Ihrem Lebensende für philanthropische Zwecke zu spenden. Wie sieht die Zwischenbilanz aus?
Ich habe den «Giving Pledge» bereits erfüllt. Ein grosser Teil meines Vermögens ist in der Stiftung und steht nicht mehr unter meiner Kontrolle. Und wenn ich sterbe, fliesst praktisch mein gesamtes restliches Vermögen in die Stiftung.

Engagieren Sie sich auch in der Schweiz?
Ja, ich spende vielen kleineren Organisationen einen Batzen. Zum Beispiel dem Mutterverein Bern-West oder einer Gruppe im Kanton Baselland, die eine Schule in Nepal unterstützt. In Genf haben wir mit der EPFL und der Uni Genf ein Zentrum für Neuroengineering gegründet und unterstützten Start-ups in der Schweiz.

Warum spenden Sie überhaupt?
Weil ich keine Milliarden oder Millionen fürs alltägliche Leben brauche. Warum soll ich mit dem teuersten Rolls-Royce durch die Stadt fahren? Das leuchtet mir einfach nicht ein. Ich kaufe mir bald ein neues Auto – einen Toyota Prius. Das ist meiner Meinung nach das klimafreundlichste Fahrzeug, das es gibt. Eine gute Sache. Und günstig (lacht).

Sie persönlich sind in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen …
… Moment! Das schreiben die Journalisten gerne. Dabei bin ich in den reichsten Verhältnissen gross geworden, die man überhaupt haben kann. Immer wenn ich über den Mittag von der Schule nach Hause kam, haben wir als Familie die Nachrichten gehört. Anschliessend diskutierten wir eine halbe Stunde lang. Am Abend dasselbe Spiel. Das hat mir viel gegeben. Ich hatte eine tolle Kindheit.

Sie sind seit 40 Jahren in Amerika. Wollen Sie nochmals in der Schweiz leben?
Das wäre unmöglich. Ich habe mein Umfeld hier in Amerika. Meine Freunde und Familienangehörigen in der Schweiz besuche ich viermal pro Jahr. Wenn ich in Zürich aus dem Flieger steige, bin ich zwar zu einhundert Prozent Schweizer. Wenn ich aber in Boston zurück bin, wieder durch und durch der Amerikaner. Das Leben gefällt mir in den USA und in der Schweiz.

Noah-Investorentreffen erstmals in Zürich

Reich sein und Gutes für die Umwelt tun, nachhaltig statt lediglich digital: Noah Conference ist eines der wichtigsten Investorentreffen Europas. Es findet erstmals in Zürich statt, vom 6. bis 7. Dezember. Ort: The Circle am Flughafen Zürich. Coronabedingt mit einem Jahr Verspätung bringt Noah-Gründer Marco Rodzynek (46) Start-ups, Risikokapitalgeber, Politikerinnen – zum Beispiel Key-Speakerin und Bundesrätin Simonetta Sommaruga (61) –, Wissenschaftlerinnen, Mäzene und Konzerne zusammen. «Sustainable is the new digital», sagt Rodzynek, der im Zuge der Veranstaltung mit der Schweizer Initiative digitalswitzerland zusammenarbeitet. Die Konferenz hilft nicht nur, die erfolgreichsten Digitalunternehmen und Kapitalgeber zusammenzubringen. Umweltprojekte sollen definiert, Landgebiete identifiziert werden. Ziel: Philanthropen zu finden, die die Landgebiete dann kaufen und unter Naturschutz stellen.

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