ÖV-Betriebe planen Alternative zum Generalabo
Jetzt kommt das Mehrfahrten-GA

Das Generalabonnement soll massiv teuer werden. SonntagsBlick-Recherchen zeigen: Als Alternative ist ein neues 
Produkt geplant – das Mehrfahrten-GA!
Publiziert: 11.05.2019 um 23:51 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2019 um 10:16 Uhr
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Der ÖV-Branche ist das GA zu billig.
Foto: Keystone
Moritz Kaufmann

Schweizer Pendler sind seit Mittwoch in heller Aufregung. An diesem Tag machte das Magazin «Beobachter» brisante Pläne publik: Das Generalabonnement (GA) soll auf einen Schlag zehn Prozent teurer werden. Das Zweite-Klasse-GA könnte zum Fahrplanwechsel 2021 4250 Franken kosten – statt wie ­heute 3860.

Das interne Papier, aus dem der «Beobachter» zitiert, ist rund 40 Seiten lang. Erstellt wurde es von der Organisation CH-Direct – einem ­Zusammenschluss von 250 Schweizer Transportunternehmen, welche die ÖV-Preise festlegen. Co-Geschäftsführerin ist noch bis Juni Ex-SBB-Personenverkehrs-Chefin Jeannine Pil­loud. SonntagsBlick-Recherchen zeigen: In dem Papier finden sich noch weitere bemerkenswerte Vorschläge.

Was ist CH-Direct?

Von CH-Direct haben wohl die wenigsten je gehört. Dabei ist die Organisation zentral für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz, zum Beispiel zuständig für den «Direkten Verkehr», dafür, dass man in der Schweiz mit nur einem Billett von A nach B fahren kann – ohne für Postauto, Regionalbähnli oder Intercity ein eigenes Ticket ­lösen zu müssen. Früher koordinierten das die SBB und waren auch für die Preise zuständig. 2005 übernahm dies der Verband öffentlicher Verkehr (VöV). 2016 wurde für die komplexe Aufgabe eine eigene Organisation gegründet: CH-Direct. Der Verein hat seinen Sitz in Bern. Rund 250 Verkehrsbetriebe sind Mitglied, von den SBB über Postauto bis hin zu kleinen Regionalbahnen.

Von CH-Direct haben wohl die wenigsten je gehört. Dabei ist die Organisation zentral für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz, zum Beispiel zuständig für den «Direkten Verkehr», dafür, dass man in der Schweiz mit nur einem Billett von A nach B fahren kann – ohne für Postauto, Regionalbähnli oder Intercity ein eigenes Ticket ­lösen zu müssen. Früher koordinierten das die SBB und waren auch für die Preise zuständig. 2005 übernahm dies der Verband öffentlicher Verkehr (VöV). 2016 wurde für die komplexe Aufgabe eine eigene Organisation gegründet: CH-Direct. Der Verein hat seinen Sitz in Bern. Rund 250 Verkehrsbetriebe sind Mitglied, von den SBB über Postauto bis hin zu kleinen Regionalbahnen.

Preiserhöhung – nicht ohne Alternativangebot

Sollte CH-Direct das GA tatsächlich so massiv verteuern, will man dafür ein neues Produkt auf den Markt werfen: eine Art Mehrfarten-GA. CH-Direct-Sprecher Thomas Ammann bestätigt: «Die Preiserhöhung fürs GA käme nicht ohne Alternativangebot. Die Idee ist: ein neues Produkt zu lancieren, das sich zwischen dem heutigen Ausflugs-Abo und dem GA bewegt.»

Das Ausflugs-Abo kennt fast niemand. Es ist ein Halbtax plus 20 oder 30 Tageskarten pro Jahr. Ein Ausflugs-GA mit 20 Freifahrt-Tagen kostet
 in der zweiten Klasse 900 Franken (45 Franken pro Tag). Mit 30 Freifahrt-Tagen kostet es 1200 Franken. Sind sie aufgebraucht, verwandelt sich das Abo in ein Halbtax.

Generalabo wird nicht abgeschafft

Das angedachte Mehrfahrten-GA soll teurer sein, aber auch mehr ­bieten. Es richtet sich an aktive ­Ausflügler, die viel auf Schweizer Schienen unterwegs sind. Aber nicht täglich weite Pendlerstrecken zurücklegen. Für die soll es weiterhin das – dann teurere – GA geben. «Am GA selbst wird nicht gerüttelt. Eine Abschaffung steht nicht zur Diskussion», sagt CH-Direct-Sprecher Ammann.

Auf Anfrage von SonntagsBlick lehnt Pro Bahn das Mehrfahrten-GA ab. Der Verband vertritt die Interessen der Passagiere im ÖV. Pro-Bahn-Präsidentin Karin Blättler nennt das Mehrfarten-GA «keine Option». ­Allerdings geistert diese Idee schon länger herum. Und Pro Bahn war nicht immer dagegen: Als ÖV-Verbände 2011 das «GA light» ins Spiel brachten – ein Halbtax mit 50 bis 100 Tageskarten –, reagierte der damalige Pro-Bahn-Präsident Kurt Schreiber zu dem Vorschlag so: «Wir sehen dem grundsätzlich positiv entgegen.» Aber: Das «GA light» wurde nie Realität.

Die neue Idee kommt nicht gut an

Die Pseudo-Unternehmer

Peter Füglistaler hat es auf den Punkt gebracht. Der Direktor des Bundesamtes für Verkehr nahm am Montag ­Stellung zum Subventionsskandal bei der Postauto AG. Füglistalers zentrale 
Erkenntnis aus der Affäre: Die ÖV-Betreiber sehen 
sich heute nicht mehr als Dienstleister, denen so 
altmodische Dinge wie Kunden­zufriedenheit und Service public am Herzen liegen. Sie sehen sich als gewinn­orientierte Unternehmer.

Kurz: Die ÖV-Betreiber spielen heute Manager. Das klingt superdynamisch und total innovativ. Und es verspricht einen besseren Lohn.

Als gewinnorientierte Manager möchten die ÖV-Betreiber jetzt auch mehr Geld aus den Kunden he­rauspressen. Sie wollen das GA massiv verteuern. Tatsächlich aber ist dieses Management-Getue eine Farce. Vielleicht er­zielen die Bus- und Bahn­betreiber mit einem teureren GA etwas mehr Einnahmen. Zu einer echten kapitalistischen Veranstaltung wird der öffentliche Verkehr dadurch aber nicht. Ohne Subventionen geht im ÖV auch in Zukunft rein gar nichts.

Die ÖV-Betriebe sollten sich an anderen Werten 
orientieren als am Erwirtschaften von Pseudo-Gewinnen. Wie wäre es etwa mit dem Umweltschutz?

Als 1986 das Waldsterben die Agenda beherrschte, lancierte Bundesbern einen Coup: Man beschloss, dass das Halbtax-Abo neu für 100 Franken 
zu haben war statt wie bis dahin für 360  Franken.

Im Jahr 2019 reden wir alle von der Klimakrise. Und die ÖV-Betreiber haben keine bessere Idee, als das GA zu verteuern? Das ist das Gegenteil von inno­vativ.

Giery Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Paul Seewer

Peter Füglistaler hat es auf den Punkt gebracht. Der Direktor des Bundesamtes für Verkehr nahm am Montag ­Stellung zum Subventionsskandal bei der Postauto AG. Füglistalers zentrale 
Erkenntnis aus der Affäre: Die ÖV-Betreiber sehen 
sich heute nicht mehr als Dienstleister, denen so 
altmodische Dinge wie Kunden­zufriedenheit und Service public am Herzen liegen. Sie sehen sich als gewinn­orientierte Unternehmer.

Kurz: Die ÖV-Betreiber spielen heute Manager. Das klingt superdynamisch und total innovativ. Und es verspricht einen besseren Lohn.

Als gewinnorientierte Manager möchten die ÖV-Betreiber jetzt auch mehr Geld aus den Kunden he­rauspressen. Sie wollen das GA massiv verteuern. Tatsächlich aber ist dieses Management-Getue eine Farce. Vielleicht er­zielen die Bus- und Bahn­betreiber mit einem teureren GA etwas mehr Einnahmen. Zu einer echten kapitalistischen Veranstaltung wird der öffentliche Verkehr dadurch aber nicht. Ohne Subventionen geht im ÖV auch in Zukunft rein gar nichts.

Die ÖV-Betriebe sollten sich an anderen Werten 
orientieren als am Erwirtschaften von Pseudo-Gewinnen. Wie wäre es etwa mit dem Umweltschutz?

Als 1986 das Waldsterben die Agenda beherrschte, lancierte Bundesbern einen Coup: Man beschloss, dass das Halbtax-Abo neu für 100 Franken 
zu haben war statt wie bis dahin für 360  Franken.

Im Jahr 2019 reden wir alle von der Klimakrise. Und die ÖV-Betreiber haben keine bessere Idee, als das GA zu verteuern? Das ist das Gegenteil von inno­vativ.

Seit der «Beobachter»-Enthüllung vom Mittwoch müssen die SBB viel Kritik einstecken. «Wir erwarten, dass die SBB von diesen Plänen absehen», schreibt beispielsweise die Junge CVP auf Twitter. Nur: Der Druck auf die GA-Preise kommt nicht in erster Linie von den SBB, sondern von regionalen ÖV-Betrieben. «Die Regionalverbunde weiten ihr Angebot laufend aus. Aber das GA schränkt sie preislich ein. Dies ergibt ein ­Spannungsfeld», erklärt Thomas Ammann von CH-Direct.

Was er damit meint: Die Abonnemente – etwa das ZVV-Abo in der Region Zürich, das U-Abo im Raum Basel oder das Libero-Abo rund um Bern – sehen im GA eine unliebsame Konkurrenz. Weil das GA, das in der ganzen Schweiz gültig ist, die Preise von oben deckelt. Die regionalen ÖV-Netze müssen ihre Abos zu einem deutlich geringeren Preis anbieten, damit sie attraktiv sind.

Die SBB verschickten noch am Mittwoch eine Medienmitteilung, in der sie versicherten: Sie sind für gleich bleibende oder sogar tiefere Preise. Doch bei der Tarif-Organisation CH-Direct sind die SBB nur ein Player von 250. Innerhalb des Vereins haben alle Mitglieder jeweils nur eine Stimme, die SBB also gleich viel Gewicht wie zum Beispiel die Meiringen-Innertkirchen-Bahn.

Dennoch bleibt den GA-Besitzern eine Hoffnung: möglichst viel Widerstand innerhalb von CH-Direct, wenn über das Teuer-GA abgestimmt wird. Damit die Zehn-Prozent-Preiserhöhung durchkommt, braucht es zwei Drittel Ja-Stimmen. 

Grüne Signale für die Bahn

Auf Pläne, das GA zu verteuern, haben die Grünen entsetzt re­agiert. Die jüngsten Vorstösse der Ökopartei zielen in die entgegengesetzte Richtung: Balthasar Glättli (47, ZH) forderte den Bundesrat auf, die SBB-Preispolitik so zu beeinflussen, dass mehr statt weniger Zug gefahren wird. Und eine Interpellation von Sibel Arslan (38, BS) kritisiert, dass bei der Forcierung des digitalen Ticketverkaufs zu wenig Rücksicht auf ältere Reisende genommen werde, die auf Bahnpersonal und Automaten angewiesen sind. Besonders die Schliessung von Schaltern komme einer Diskriminierung von Senioren gleich.  

Auf Pläne, das GA zu verteuern, haben die Grünen entsetzt re­agiert. Die jüngsten Vorstösse der Ökopartei zielen in die entgegengesetzte Richtung: Balthasar Glättli (47, ZH) forderte den Bundesrat auf, die SBB-Preispolitik so zu beeinflussen, dass mehr statt weniger Zug gefahren wird. Und eine Interpellation von Sibel Arslan (38, BS) kritisiert, dass bei der Forcierung des digitalen Ticketverkaufs zu wenig Rücksicht auf ältere Reisende genommen werde, die auf Bahnpersonal und Automaten angewiesen sind. Besonders die Schliessung von Schaltern komme einer Diskriminierung von Senioren gleich.  

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