Die Zölle für Gemüse sind im Sommer gigantisch. Wenn etwa die Migros ein Kilo Cherrytomaten importieren wollte, müsste sie satte 7.31 Franken dem Staat abliefern. Der Tarif ist dermassen hoch, dass sich der Import nicht mehr rechnet. Im Laden wären die ausländischen Tomätli schlicht zu teuer. Dieser Effekt ist politisch gewollt. Denn im Sommer stehen die Schweizer Gemüsebauern unter Schutz. Zwischen dem 11. Juni und dem 24. September beträgt der Zolltarif für Cherrytomaten nicht die sonst üblichen fünf Rappen pro Kilo – sondern das 146-fache.
«Margenakkumulation» bei Händlern und Bauern
Wird die Zollmauer hochgezogen, werden damit aber nicht nur die Bäuerinnen geschützt, sondern auch hohe Margen unterstützt. Das hat der Bundesrat vor drei Jahren in einer Untersuchung festgestellt. Es entstehe eine «Margenakkumulation durch marktmächtige Akteure entlang der Wertschöpfungsketten», schrieb er. Was das bedeutet, zeigen die offiziellen Zahlen des Bundesamts für Landwirtschaft jedes Jahr aufs Neue: Cherrytomaten waren diesen Juni 42 Prozent teurer als im April, Datteltomaten 17 Prozent und Rispentomaten 3 Prozent.
Die Konsumenten finanzieren beim sommerlichen Gemüsekauf somit höhere Gewinne. Den Ständerat kümmert das allerdings wenig. Er will die Hochzollphase bei 16 Gemüsen verlängern. Bei Tomaten soll sie neu vom 1. Mai bis 20. Oktober gehen – rund doppelt so lange wie bisher.
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Beobachter-Erhebung von 126 Preisen
Der Beobachter wollte es genauer wissen und hat am 28. April und am 19. Juni bei Migros, Coop, Aldi und Lidl alle Preise von Tomaten, Broccoli und Blumenkohl erhoben. Jeweils in denselben Filialen. Das Resultat: Blumenkohl wurde im Durchschnitt 65 Prozent teurer, Broccoli 33 Prozent, Cherrytomaten 21 Prozent und normale Tomaten 3 Prozent.
Schweizer Bauern verlangen 60 Prozent mehr
Alle vier Detailhändler sagen, die höheren Preise seien den höheren Einkaufskosten geschuldet. Diese könnten sich wegen des Zolls, wegen Ernteausfällen oder wegen der Nachfrage erhöhen. Doch wieso kosten Schweizer Tomaten plötzlich ein Drittel mehr, wenn die Zollmauer hochgezogen ist?
Die Migros gibt die Hauptschuld daran den Schweizer Bauern. Die Beschaffungspreise bei einzelnen Cherrytomaten hätten sich nach Beginn der Hochzollphase um bis zu 60 Prozent erhöht. Coop sagt Ähnliches: Im April seien die Zölle tief gewesen. «Die damit verbundenen Importmöglichkeiten haben einen Einfluss auf die Preispolitik der Schweizer Produzenten.» Im Klartext: Die Schweizer Gemüsebauern liefern nur günstig, solange die Grenzen offen sind und ihnen die Billigkonkurrenz aus dem Ausland im Nacken sitzt.
Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten bestreitet das. Ohne Zollmauer sei die Gemüsebranche den Detailhändlern ausgeliefert. «Solange der Abnehmer nicht bereit ist, für Schweizer Ware einen höheren Preis zu bezahlen, haben die Gemüsegärtner nur die Wahl, zum internationalen Preis zu liefern oder die Ware zu vernichten», sagt Verbandsdirektor Matija Nuic. Sein Argument: Die Schweizer Bauern würden im April eigentlich zu billig liefern. Erst mit der Zollmauer gebe es kostendeckende Preise. Fantasiepreise seien aber auch während der Hochzollphase unmöglich. «Die Produktion kann den Preis nicht einfach künstlich hochfahren», sagt Direktor Nuic. Angebot und Nachfrage definierten den Preis.
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Ständerat will Zollschutz ausbauen
Detailhandel und Bauern schieben sich also gegenseitig die Schuld am plötzlichen Preisschub zu. Wer die hohen Margen einkassiert, bleibt unklar. Klar ist, dass der Bundesrat das Spielchen satthat. Er lehnt den Vorstoss der Gemüselobby ab, bei 16 Gemüsen die Hochzollphase zu verlängern. Das «würde zu höheren Konsumentenpreisen führen», schreibt er in seiner Stellungnahme. Und das sei schlecht. Denn die Preise von Obst und Gemüse lägen bereits heute durchschnittlich 42 Prozent über dem EU-Niveau.
Laut dem Bundesamt für Landwirtschaft steigen die Konsumentenpreise, wenn Gemüseimporte sinken. Eine Studie zeige dies. Der Zollschutz beeinflusse zudem die Margen. «Die Margen der Zwischenhändler bis hin zu den Verbrauchern können aufgrund des geringeren Wettbewerbs auf dem Markt höher sein als in der Zeit ohne Zollschutz», sagt das Amt.
Konsumentinnen sitzen nicht am Verhandlungstisch
Immerhin: Ob die Konsumentinnen bald mehr fürs Gemüse bezahlen müssen, ist noch nicht sicher – trotz des Entscheids des Ständerats. Denn der Nationalrat will das Anliegen an eine Auflage knüpfen: Längere Hochzollphasen soll es nur geben, wenn der Detailhandel damit einverstanden ist. Derzeit führen die Bäuerinnen und Händler deshalb Gespräche, die vom Bundesamt für Landwirtschaft moderiert werden. Die Konsumenten sitzen dabei allerdings nicht am Tisch.