Seit Anfang Woche haben die Läden wieder offen, aber die Kunden sind nicht in Kauflaune. Kurzarbeit und die rasant ansteigende Arbeitslosenquote dämpfen die Ausgabefreudigkeit der Haushalte, die angesichts der Unsicherheit lieber sparen. Einigen Fachleuten zufolge könnte Hilfe nötig sein, um die Branche wieder zu beleben.
Das Coronavirus hat im Detailhandel bereits tiefe Narben hinterlassen. Wie das Bundesamt für Statistik (BFS) mitteilte, sank der Umsatz des Sektors im März um 6,2 Prozent. Das Non-Food-Segment erlitt einen Umsatzrückgang von 8,6 Prozent, weil alle Geschäfte – bis auf Apotheken und Lebensmittelläden – seit dem 17. März zwangsweise geschlossen wurden, um die Ausbreitung des Virus zu bekämpfen.
Umsatzrückgang von 20 Prozent
Für das Gesamtjahr wird laut den Ökonomen der Credit Suisse ein Umsatzrückgang im Non-Food-Sektor von 20 Prozent erwartet. Der private Konsum macht jedoch mehr als 50 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) der Schweiz aus. In Bezug auf die Wertschöpfung steht er nach dem Export an zweiter Stelle, wie die Spezialisten des Basler Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Economics betonten.
«Zusammen mit den Exporten ist die Entwicklung des privaten Konsums ein entscheidender Treiber des Schweizer Wirtschaftsgangs», sagte Martin Eichler, Chefökonom von BAK Economics. Und damit sei auch die Bedeutung für die Arbeitsplätze gross.
Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverluste
Seinen Schätzungen zufolge dürften die Ausgaben der Haushalte in diesem Jahr um 6,4 Prozent zurückgehen. Allein zwischen April und Juni dürfte der private Konsum gemäss Eichler um knapp 17 Prozent tiefer liegen als noch Ende 2019. Wenn die Pandemiekrise schnell überwunden wird, könnte der Rückgang im aktuellen Jahr wohl auf 5 Prozent begrenzt werden, im schlimmsten Fall dürfte er 12,1 Prozent erreichen.
Die Verluste sind für die Schweizer Wirtschaft bereits hoch. Während die Arbeitslosenquote im April innerhalb eines Monats von 2,9 auf 3,3 Prozent stieg – ein Niveau, das seit März 2017 nicht mehr erreicht worden war – belasten Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverluste die Kaufkraft.
1000 Franken pro Haushalt weniger
Gemäss Schätzungen der Credit Suisse ist das verfügbare Einkommen seit Beginn der Krise um 4 Milliarden Franken oder 1000 Franken pro Haushalt gesunken. Ein Teil des Geldes, das während der Pandemie nicht ausgegeben wurde, konnte jedoch eingespart werden, wobei die Bank schätzt, dass pro Haushalt durchschnittlich 2000 Franken zurückgelegt wurden.
«Das finanzielle Potenzial für Nachholkonsum ist demnach vorhanden», sagte CS-Ökonom Claude Maurer. Es bleibe abzuwarten, ob die Konsumenten angesichts der Unsicherheit bereit sein werden, wieder Geld auszugeben.
Laut einer Sprecherin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) «ermöglicht die Kurzarbeit die Sicherung von Arbeitsplätzen bei einem kurzfristigen Konjunktureinbruch. Dennoch erleiden die Betroffenen nach wie vor einen vorübergehenden Einkommensverlust, da das Kurzarbeitergeld nur 80 Prozent des Gehalts beträgt». Und im Falle einer Entlassung werde das Einkommen noch längerfristiger reduziert.
«Wenn immer mehr Haushalte auch mittelfristig nur ein reduziertes Einkommen zur Verfügung haben, werden sie in ihren Ausgaben eingeschränkter sein und der private Konsum wird stärker betroffen sein», fügte sie hinzu.
Begrenzte Besucherzahl in Restaurants
Auch das Gefühl der Unsicherheit sei ein wichtiger Faktor, betonte Maurer. Ihm zufolge «wären deutlich steigende Fallzahlen an Infizierten sicherlich Gift für die Kundenfrequenzen» in Geschäften.
Aber selbst wenn sich die Pandemie abschwächen sollte, würde sich die Situation in den Geschäften aufgrund der Vorsichtsmassnahmen, die die Besucherzahl in Geschäften und Restaurants begrenzen, nicht wesentlich verbessern, betonte Maurer.
Während das Seco auf automatische Stabilisatoren und einmalige Massnahmen wie Kurzarbeit setzt, gibt es Forderungen nach einer konkreteren Unterstützung des Konsums.
Forderung nach Steuersenkungen und mehr
Der Spezialist der Credit Suisse fordert deshalb eine rasche Vergabe öffentlicher Aufträge. Auch Steuersenkungen, direkte Subventionen durch Kaufprämien oder Rabatte könnten eingeführt werden, wenn der Konsum nicht wieder anziehe, so Eichler weiter.
In der nächsten Zeit entstehen bereits lokale Initiativen. So hat etwa die Tessiner Kantonalbank ihre Beteiligung an einem Konjunkturpaket zur Förderung des Kantons Tessin als Freizeitdestination angekündigt.
Es wird erwartet, dass die Bank 6,2 Millionen Franken ausgibt, damit insbesondere die Wohnbevölkerung in den Genuss einer 20-prozentigen Ermässigung auf Übernachtungen in Tessiner Hotels kommt und die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos benutzen kann.
Im Wallis hat sich die Gemeinde Monthey für Gutscheine entschieden, die den Einwohnern angeboten werden. Zudem werden bestimmte lokale Steuern für Cafés und Restaurants abgeschafft und die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ist kostenlos. Die Thurgauer Kantonalbank derweil hat jedem lokalen Haushalt einen Gutschein im Wert von 30 Franken geschenkt. (SDA/vnf)