Freude, Verwunderung und Fragezeichen: Als die «Handelszeitung» im Frühjahr 2024 berichtete, dass Otto’s-Chef Mark Ineichen die Markenrechte am Schweizer Outdoorlabel Alprausch übernommen hatte, schlug dies hohe Wellen.
Neben der Freude darüber, dass das im Jahr 2000 gegründete Zürcher Streetwear-Label ein neues Leben erhält, kamen bei Fans des Schweizer Lovebrands und in der hiesigen Fashionszene Verwunderung und Fragen auf: Warum findet ein Discountanbieter wie Otto’s-Inhaber Mark Ineichen Gefallen an einer eher hochpreisigen Marke? Und was führte den Schweizer Restposten-Händlerkönig überhaupt auf diese Modepiste?
Jetzt spricht Ineichen zum ersten Mal über sein Engagement bei der Marke, die in den Nullerjahren vor allem bei Snowboardern angesagt war. Selber, sagt Ineichen, sei er früher kein Snöber und auch kein Alpräuschling gewesen, «doch die Marke fand ich schon immer cool». Das Thema sei an ihn herangetragen worden, sagt der Discountunternehmer. «Einer der Otto’s-Mitarbeitenden hatte Kontakt zu Alprausch-Gründer Andy Tanner. Als ich hörte, dass die Marke zur Übernahme steht, griffen wir zu.»
«Frau Rüegg» und «Seppi Müller»
Was für ihn faszinierend sei, sagt Ineichen, sei die Fülle von Emotionen, die mit dem Schweizer Brand verbunden sei: «Alprausch-Gründer Andy Tanner hat uns nicht nur eine Marke verkauft, sondern uns auch einen ganzen Fundus an Zeichnungen und crazy Ideen übergeben.»
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Eine Prise krud-coole Swissness steckt nur schon in den Produktnamen. Wo sich andere Marken bemüht US-amerikanisch geben, pflegt Alprausch eine Kafi-Luz-Verbalerotik: Sneaker und Parkas für Damen heissen «Rösli» und «Frau Rüegg»; für die Kerle gibts den Kapuzenpullover «Seppi Müller».
«Alprausch funktioniert bis hin zum Fondue-Caquelon»
Neben Textil und Accessoires sei noch mehr möglich, glaubt Ineichen: «Man kann die Marke weit über den Bekleidungsbereich hinaus dehnen; Alprausch funktioniert bis hin zum Fondue-Caquelon.» Ineichen weiss aber auch, dass der Schweizer Lovebrand eher beim mittelalterlichen Publikum bekannt ist: «Klar, es ist eine Generationenfrage. Leute unter vierzig kennen Alprausch wohl nicht mehr.»
Bei gut erhaltenen Babyboomern und Vertreterinnen der Generation X dürfte die Markenbekanntheit jedoch weiterhin hoch sein. Alprausch-Bekleidung hat hier den Charakter einer Zeitkapsel; vielleicht werden Schweizer Design- und Style-Archäologinnen dereinst von einer Art «Weisch-no-Wear» sprechen.
Derzeit nur online erhältlich
Zu ihren besten Zeiten war die Marke Alprausch Teil von gut sortierten und szenigen Streetwear- und Trendsportboutiquen. 540 Geschäfte in zehn Ländern hätten den Brand einst geführt, berichtete die NZZ im Jahr 2006 und kam damals auf einen Jahresumsatz von 7 Millionen Franken.
Die Pandemie dürfte der Szene der Trendläden stark zugesetzt haben. Und moderne Formen der Distribution waren weniger das Ding der Alprausch-Gründer. Im Dezember 2023 begab sich die Marke in eine selbstauferlegte «Sommerpause». Nach dem Neustart im Sommer 2024 zeigt Mark Ineichen mehr Digital-Drive als die Vorbesitzer: «Aktuell läuft das Geschäft nur online, aber es gibt erste Anfragen von Sportfachhändlern.»
Eine gewisse Portion Herzblut für Alprausch scheint bei Ineichen durchaus vorhanden zu sein. Der Restpostenhändler gibt sich aber Mühe, die Erwartungen tief zu halten: «Das Projekt läuft in unserer Gruppe auf kleiner Flamme in einem kleinen Team. Aber klar, wir wollen etwas machen daraus. Mit einer ersten Kollektion sind wir jetzt auf dem Markt.»
Ausverkaufsrampe steht schon
Preislich spielt Ineichen mit seiner neuen Outdoormarke in einer für ihn neuen Liga. Kapuzenpullover – die sogenannten Hoodies – kosten bei Otto’s selten mehr als 50 Franken; bei Alprausch aber steht der Herren-Hoodie «Crazy Kurt» mit 99.95 Franken im Angebot.
Während das Angebot bei Otto’s vor allem preisgetrieben ist, stehen bei Alprausch dagegen Aspekte wie Emotion, Nostalgie und Markenstärke im Zentrum. Schafft der Otto’s-Chef den Slalom auf dieser neuen Piste?
Allzu viele Gedanken scheint sich Ineichen darüber nicht zu machen. Eher scheint er einen Trial-and-Error-Ansatz zu verfolgen: «Wir probieren das jetzt einfach mal mit Alprausch. Und wenn es nicht klappt, können wir den Ausverkauf über unsere eigenen Kanäle steuern.» Will wohl heissen: Wenn «Rösli», «Frau Rüegg» und «Crazy Kurt» nicht wie gewünscht performen, könnten sie zu einem tieferen Preis über die Otto’s-Restrampe in den Markt ventiliert werden.