Das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Es ist in einer schwierigen Lage. Eine möglichst transparente Kommunikationsstrategie soll Impfgegnern den Wind aus den Segeln nehmen. Denn diese sprechen oft von Zwang. Das BAG legt zudem grossen Wert auf Freiwilligkeit. In seiner Empfehlung zur mRNA-Impfung an die Kantone schreibt es: Man solle die «mündliche Einwilligung der zu impfenden Person zur Impfung auf Basis einer informierten Entscheidung einholen».
Frage nach Freiwilligkeit verwirrt
Blick hat nachgefragt, welche Kantone der BAG-Empfehlung Folge leisten. Bis auf das Tessin haben alle geantwortet. Das Resultat: 13 Kantone verzichten auf die Nachfrage der Freiwilligkeit. Im Kanton Aargau unterscheidet sich die Vorgehensweise je nach Impfzentrum. In 11 Kantonen versichert sich das Personal nochmals vor Ort, dass die Impfung auf freiwilliger Basis geschieht. Eigentlich absurd, weil man davon ausgehen kann, dass, wenn jemand einen Termin macht, diesen auch wahrnimmt.
Bestes Beispiel: die Halbkantone Appenzell Ausser- und Innerrhoden. Die Staatskanzlei in Herisau AR bestätigt, die Frage nach der Freiwilligkeit werde seit Beginn der Impfkampagne gestellt. Nur zwanzig Autominuten entfernt ist die Situation im Impfzimmer in Appenzell AI anders. Die Innerrhoder Frau Statthalter, Monika Rüegg Bless (50), sagt, bei ihnen geben es die Frage nach der Freiwilligkeit im Impfzimmer nicht.
«Weitere Abklärungen sind obsolet»
Klar positioniert sich die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich: «Mit dem Erscheinen zur Impfung ist die Einwilligung konkludent gegeben. Weitere Abklärungen zur Freiwilligkeit sind daher obsolet und auch nicht vorgegeben.» Ähnlich argumentiert der Kanton Schaffhausen: «Der grosse individuelle Aufwand beim Anmeldeprozess setzt Freiwilligkeit voraus.» Dementsprechend verzichte man auf die Nachfrage beim Impftermin selbst.
Im Kanton Schwyz weiss Kantonsapothekerin Regula Willi-Hangartner (66) allerdings auch: «Es kommt vor, dass sich Leute auf die Frage nach dem Impfwunsch vor Ort nochmals umentscheiden.» Oder in Biel BE. Dort sagt Marie-Pierre Fauchère, Sprecherin des Bieler Spitalzentrums: «Es kommt tatsächlich gelegentlich vor, dass jemand in der Impfkoje die Frage nach seinem Einverständnis verneint.» Auch die Kantone Jura und Genf kennen solche Beispiele. In Genf habe ein Minderjähriger vor Ort gesagt, er sei unfreiwillig dort. Seine Wahl sei respektiert, der Jugendliche ohne Impfung wieder entlassen worden.
Alle angefragten Stellen machen klar, dass es sich bei solchen Vorkommnissen um Einzelfälle handelt. Dazu passt auch, dass die Impfquote in den Kantonen, die explizit nach der Freiwilligkeit fragen, nicht generell tiefer liegt als in anderen Kantonen. Viel entscheidender als die Frage nach der Freiwilligkeit sind für die Impfquote andere Faktoren. Etwa das Alter der Bevölkerung und der Stadt-Land-Graben.
«Einverständnis wichtiger als verschwendete Impfdosis»
Christoph Berger (58), Präsident der Eidgenössischen Impfkommission, sieht es pragmatisch: «Die eidgenössische Impfkommission schreibt in ihren Empfehlungen an den Bund einzig, dass die Impfung freiwillig erfolgen sollte. Wie dies sichergestellt wird, ist Sache der Kantone.» Aus ethischer Sicht sei klar: «Das Einverständnis der Patienten ist weitaus wichtiger als eine unter Umständen verschwendete Impfdosis.»