Auf diesen Schritt haben viele gewartet: Die Onlinebank Revolut startet ihre Schweiz-Offensive mit neuen Produkten und einem neuen Set-up. Darüber spekuliert wurde schon länger, seit das britische Fintech hierzulande eine Niederlassung gegründet und einen Länderchef angestellt hatte. Nun bläst Revolut offiziell zum Angriff auf die Schweizer Konkurrenz – mit dem roten Pass in der Tasche. Oder zumindest so etwas wie einer C-Bewilligung.
Neue Kundinnen und Kunden erhalten ab sofort ein Konto mit mehr Swissness, wie Länderchef Julian Biegmann im Gespräch mit der «Handelszeitung» erklärt. Alle bestehenden Kunden dürften im Verlauf des Novembers zur Umstellung aufgefordert werden. Das sei aber mit wenigen Klicks möglich.
Revolut wolle vom Neben- zum Alltagskonto werden und die Schweizer Konkurrenz überflüssig machen, so Biegmann. Damit will er in der Schweiz nicht weniger als 250'000 neue Kundinnen und Kunden pro Jahr gewinnen. Derzeit hat Revolut nach eigenen Angaben bereits «deutlich mehr als 900'000» Nutzerinnen und Nutzer – oder 10 Prozent aller Schweizer Einwohnenden, vom Baby bis zur Greisin.
Revolut-Konten haben neu eine Schweizer Nummer
Die offensichtlichsten Neuerungen: Anstelle einer britischen Kontonummer erhält die Kundschaft neu eine schweizerische Iban-Nummer. Geld einzahlen wird einfacher und günstiger. Es entfallen Gebühren oder komplizierte Umwege über Korrespondenzbanken, wodurch sich ein Revolut-Konto bald auch als Lohnkonto eignet.
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Auch Schweizer QR-Rechnungen liessen sich künftig per Scanner begleichen, und eine Integration des E-Bill-Systems sei ebenfalls geplant, sagt Biegmann. Noch kein Entscheid sei zu einer Anbindung an Twint gefallen. Man wisse, dass das ein grosser Kundenwunsch sei, und prüfe den Schritt daher ernsthaft. Da Revolut einen Teil seiner Einnahmen über Debitkartenumsätze erzielt, dürfte die Integration eines direkten Konkurrenten allerdings nicht zuoberst auf der Wunschliste des Unternehmens stehen.
Darüber hinaus schaltet Revolut nun auch in der Schweiz auf, was in anderen Märkten bereits angeboten wird. Etwa im Bereich Börsenhandel, wo neu in 300 ETF und 3000 Aktien investiert werden kann. Teure Titel können zudem als «fractional shares» auch in Bruchteilen gekauft werden – etwas, das hierzulande erstmals bei Yuh möglich war. Ein «Robo» erledigt das automatische Geldanlegen, und über «flexible Geldmarktfonds» lässt sich festverzinslich anlegen.
Die Schweiz sei ein «Tier-One-Markt», erklärt Wiktor Stopa, der bei Revolut den Titel Head of Growth trägt. Er verweist auf die 900’000 privaten Kundinnen und Kunden. Zum Vergleich: In Deutschland, das rund zehnmal mehr Einwohnerinnen und Einwohner wie die Schweizer hat, führt Revolut mit 2 Millionen nur gut doppelt so viele Kunden wie hierzulande.
Die Hälfte dieser Konten werde aktiv genutzt, sagt Stopa. Und es gebe «keine negative Fluktuation»: Wer einmal Nutzerin sei, höre damit in der Regel nicht auf.
Bankenprofessor: Es besteht ein grosses Potenzial für Neobanken
Der Schritt sei spannend und werde die Konkurrenz unter Druck setzen, sagt Andreas Dietrich, Bankenprofessor an der Hochschule Luzern. Einerseits sei es konsequent, wenn Revolut weiter in Richtung Alltagsbanking ziehe. «Bislang haben nur 1,5 Prozent in der Schweiz ihr Hauptkonto bei einer Neobank. Gleichzeitig sagen aber 11 Prozent, dass sie sich das vorstellen können.» Das Potenzial sei entsprechend gross.
Interessant sei auch das Thema Aktienhandel und insbesondere der Handel mit Bruchteilen von Wertpapieren. Bislang bieten das nur Yuh und seit Kurzem deren Mutterhaus Swissquote an. «Aber gerade bei Yuh sieht man, dass das für viel Umsatz sorgt», sagt Dietrich.
Die nun angekündigte Schweiz-Offensive von Revolut dürfte etliche Bankkader überraschen, denn viele von ihnen hatten es für unwahrscheinlich erachtet, dass die britische Onlinebank Geld in die Hand nimmt, um ihr bislang standardisiertes Angebot an den Schweizer Markt anzupassen. Aufgrund der tiefen Margen lohne sich das nicht, hörte man lange auf den Teppichetagen der Banken. Dieses Mantra hat sich verwirkt. Offenbar lohnt es sich doch.
Dabei setzen die Briten auf neue Strukturen – und neue Partner. Wie die «Handelszeitung» bereits aufzeigte, laufen die Konten künftig nicht mehr über die Muttergesellschaft in Grossbritannien, sondern über die Revolut-Tochter in Litauen mit einer Banklizenz nach EU-Recht. Erst dieser Wechsel auf eine Bank – Grossbritannien arbeitet mit einer Fintech-Lizenz – ermöglichte Revolut offenbar die Vertriebsbewilligung der Schweizer Finanzmarktaufsicht. Sieben Jahre nach dem faktischen Markteintritt kann Revolut seine Produkte hierzulande nun auch legal bewerben.
Mit einer kleinen Einschränkung: Werbung für Kryptohandel hat die Finma der Schweizer Revolut-Gesellschaft explizit verboten, wie der «Handelszeitung» vorliegende Unterlagen belegen. Angeboten werde dieser aber trotzdem weiterhin, betont Biegmann.
Postfinance statt Credit Suisse als Partnerin
Als Schweizer Infrastruktur-Partnerin ist neu die Postfinance mit an Bord – und löst damit die Credit Suisse ab, die der Kundschaft von Revolut bislang als Korrespondenzbank diente. Die Postfinance stelle sicher, dass Revolut-Konten mit einer eigenen Kontonummer an den Schweizer Zahlungsverkehr angebunden werden können, erklärt Biegmann. Das sei aber eine reine Durchlauffunktion. Verwaltet würden die Gelder ausschliesslich bei Revolut.
Anders als bisher kommen Revolut-Kundinnen auch in den Genuss einer Einlagensicherung nach EU-Recht. Demnach seien Kontoguthaben bis 100’000 Euro neu versichert.
Revolut trage noch immer die Reise-DNA in sich, mit der die Bank ihre ersten Kunden gewinnen konnte, sagt Biegmann. Gestartet war das Fintech mit einer Prepaid-Karte und günstigen Wechselkursen. Hierzulande habe man besonders gut damit punkten können, denn die Schweizerinnen und Schweizer seien oft in fremden Währungsräumen unterwegs.
Direkt angegriffen werden jene, die Revoluts Geschäftsmodell einst kopierten, mittlerweile aber längst über dieses hinausgewachsen sind: Neobanken wie Yuh, Neon, Yapeal oder Zak, aber auch Neueinsteiger wie Alpian oder Radicant. Längst haben sie es – zumindest in Teilen – geschafft, auch zur Erst- oder Hauptbank einer technologie-affinen Kundschaft zu werden.
Angriff auf die Konkurrenten Neon und Yuh
Marktführer sind Neon und Yuh. Die etwas jüngere Yuh hat – gemessen an der Kundenzahl – mittlerweile die Nase vorn. Rund 260’000 Konten führe man derzeit, sagt Geschäftsführer Markus Schwab. 2,3 Milliarden Franken werden über Yuh verwaltet. Das Unternehmen ist eine gemeinsame Tochter von Postfinance und Swissquote. Etwas kleiner sei Neon mit aktuell 222’000 Konten, wie Marketingchef Julius Kirscheneder erklärt. Das per se unabhängige Fintech arbeitet eng mit der Hypothekarbank Lenzburg zusammen.
Die Angebote dieser Neobanken ähneln sich. Kostenlose Konten für den Alltag, Geldanlage über Aktien und ETF, eine Debitkarte für den weltweiten Einsatz. Das ist auch beim Digitalkonto Zak der Bank Cler ähnlich, das einst zu den Pionieren gehörte, sich mittlerweile aber offiziell mit der Rolle eines «Zweitkontos» abfinden muss, die ihm das Mutterhaus auf die Werbeplakate geschrieben hat. Derzeit habe Zak rund 70’000 Kunden und Kundinnen, sagt Sprecherin Natalie Waltmann. Börsengeschäfte sind hier nicht möglich. Waltmann deutet aber an, dass an einer Einführung gearbeitet werde.
Ruhig wurde es um Yapeal, den einstigen Neopionier. Zwar bietet Yapeal seine Konten weiterhin an, Priorität haben aber Payment-Kooperationen mit Partnern und digitale Konten für KMU. Radicant und Alpian wiederum sind ursprünglich als Anlagebanken gestartet und positionieren sich erst seit diesem Jahr auch als Alltagsanbieter für Lohn und Zahlungen.
Potenzial für drei reine Neobanken
In der Schweiz sehe er Potenzial für drei grosse Neobanken, sagt Professor Andreas Dietrich. «Das ist ein Skalierungsgeschäft, da überleben nur die grössten», meint er. Wenn da der Platzhirsch derart ausbaue, werde es für die Kleineren schwierig.
Doch auch traditionelle Banken müssten sich Gedanken machen. «Zwar wird das klassische Bilanzgeschäft mit Hypotheken wohl noch nicht so bald zu reinen Digitalanbietern abwandern, und mit Zahlungsverkehr allein machen die Banken nicht viel Gewinn», sagt Dietrich.
Allerdings drohten die Banken den Kontakt zur Kundschaft und wertvolle Daten zu verlieren, wenn die Alltagszahlungen plötzlich über Digitalbanken abgewickelt werden. «Die Alltagsrelevanz geht verloren.»
Revolut-Länderchef Biegmann zeigt derweil grosse Ambitionen. Man werde das Angebot für die Schweiz weiter ausbauen. Im ersten Quartal 2025 lanciere man Gemeinschaftskonten. Und eine technische Umstellung im Kreditkartenhandling solle ermöglichen, dass schon bald die Gebühren wegfallen, die Revolut derzeit verlangt, wenn Kundinnen und Kunden Geld über Kredit- oder Debitkarten aufs Konto einzahlen. Wachstums-Chef Stopa betont: «Wir sind gekommen, um zu bleiben.»