Am 25. Januar beginnt der Strafprozess gegen den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz (65), dessen Ex-Berater Beat Stocker (61) sowie fünf weitere Mitangeklagte.
Die Zürcher Staatsanwaltschaft wirft Vincenz und Stocker vor, sie hätten sich privat an mehreren Start-ups beteiligt, ohne dies transparent zu machen. In der Folge hätten die beiden ihre Rollen als oberste Kader bei der Bankengruppe Raiffeisen und bei der Kreditkartenfirma Aduno (mittlerweile in Viseca umbenannt) ausgenützt, indem sie auf die Übernahme dieser Firmen hinarbeiteten und auf diese Weise Millionen in die eigenen Taschen leiteten. Zusätzlich sollen sie sich durch Spesen bereichert haben.
Vor einer Woche hat Stocker, 2006 bis 2011 Aduno-CEO, den Prozess quasi vorzeitig lanciert. In einem ausführlichen Interview mit der «NZZ am Sonntag» legte er seine Sicht der Dinge dar – ein höchst aussergewöhnlicher Vorgang. Dabei präsentierte er sich als Unschuldslamm, ging auf Distanz zu Vincenz und sagte, er sei mehr gewesen als lediglich «irgend so ein smarter Berater und Einflüsterer» des ehemaligen Raiffeisen-Chefs: «Ich war nie ein Schatten von Pierin Vincenz.»
Abendessen im Striplokal
Auch zu wichtigen Punkten der Anklageschrift äusserte sich Stocker. Zu den umstrittenen Vorabbeteiligungen sagt er: «Ich habe stets im Interesse meiner Auftraggeber gehandelt.»
Und weshalb zahlte er 16'835 Franken in Bars und Striplokalen mit der Geschäftskreditkarte von Aduno? «Natürlich war ich auch einmal in Bars oder in Striplokalen, oftmals sind das die einzigen Orte, wo man spätabends noch Abendessen oder einen Drink nehmen kann nach einer Sitzung.»
Andere Anschuldigungen blieben im Interview unerwähnt. So wird Stocker zur Last gelegt, dass er seiner Arbeitgeberin Aduno eineinhalb Jahre lang die Kosten für ein Appartement in der Zürcher Altstadt in Rechnung gestellt hat, obwohl er dieses gar nicht mehr mietete. Insgesamt habe er das Vermögen seiner Arbeitgeberin so um 77'568 Franken vermindert.
Wörtlich heisst es in der Anklageschrift: «Obwohl BS (Beat Stocker; Red.) die Wohnung (...) in den Jahren 2010 und 2011 nicht mehr mietete, stellte er der Viseca diese angeblichen Auslagen als Nebenkosten – fortwährend – in Rechnung.» Dabei habe Stocker gewusst, dass der vereinbarte Beitrag der Aduno-Gruppe für das Businessappartement nur dann und nur so lange geschuldet sei, wie ihm die entsprechenden Mietkosten auch tatsächlich entstanden seien. Den Mietvertrag habe er aber per 31. Dezember 2009 auslaufen lassen.
Nebenkosten in Rechnung gestellt
Stocker wollte sich auf Anfrage nicht zu diesen Vorwürfen äussern. Aus gut unterrichteter Quelle aber konnte SonntagsBlick in Erfahrung bringen, dass er vor Gericht nicht bestreiten wird, der Aduno auch nach 2009 Nebenkosten für ein Appartement in Rechnung gestellt zu haben.
Stocker wird sich jedoch darauf berufen, er sei davon ausgegangen, dass er generell ein Anrecht auf 4000 Franken pro Monat für ein Appartement in Zürich hatte – und dass dieses Geld nicht an ein spezifisches Objekt gebunden gewesen sei. «Stocker hat dieses Geld als Lohnbestandteil gesehen, da er nicht in Zürich wohnte, aber wegen seiner Tätigkeit für Aduno oft hier übernachten musste», sagt die Quelle.
Private Flüge mit Firmenkreditkarte bezahlt
Ein weiterer Vorwurf der Staatsanwaltschaft ist, dass Stocker private Flüge seiner Frau zwischen Zürich und Lugano mit der Firmenkreditkarte bezahlt hat. Das habe die Viseca 1989 Franken gekostet.
Dieser Vorwurf ist unbestritten. Stocker wird aber versuchen, diese Aussagen mit medizinischen Problemen zu erklären. «Da es ihm gesundheitlich teilweise sehr schlecht ging, war er darauf angewiesen, dass ihn seine Frau begleitete», so der Insider.
Ob das Gericht diese Erklärungen glaubhaft findet, wird sich in wenigen Wochen zeigen. Für Beat Stocker, Pierin Vincenz sowie alle anderen Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung.