Ex-Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz (65) und sein Geschäftspartner Beat Stocker (61) sind die Hauptangeklagten im aufregendsten Wirtschaftsprozess der Schweiz. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden vor, sich verdeckt an Firmen beteiligt und damit Millionen verdient zu haben – zum Schaden von Raiffeisen und der Kreditkartenfirma Aduno, die heute Viseca heisst.
Stocker war von 1999 bis 2015 bei der Aduno tätig, von 2006 bis 2011 als Geschäftsführer (CEO). Sein Buddy Vincenz war Verwaltungsratspräsident. Nun wird ein weiteres bemerkenswertes Detail bekannt: Stocker war bei der Aduno, heute mehr als 700 Mitarbeitende stark, als CEO nicht fest angestellt. Sein Engagement beruhte stets auf einem Mandatsverhältnis.
Der freischaffende CEO ist ein seltsames Konstrukt. Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolph von der Universität Zürich sagt: «Ich habe es in rund 20 Jahren Anwaltstätigkeit nie gesehen, dass ein mehr oder weniger vollamtlicher CEO nur auf Mandatsbasis angestellt ist.» In der Regel seien CEOs in der Firma fest angestellt – wie alle anderen, so der Professor weiter: Das würde garantieren, dass der CEO «stärker in das Weisungsrecht der Arbeitgeberin eingebunden ist». Ansprüche auf Ferien, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz und Arbeitszeugnis kämen hinzu.
Stockers Aduno-Honorare wurden von Pierin Vincenz und einem mittlerweile verstorbenen Vertreter des Entschädigungsausschusses abgesegnet. Ein Freelance-Verhältnis gibt beiden Seiten mehr Freiheiten bei weniger Kontrolle. Bei einem fest angestellten CEO hingegen könnten verbindlichere Vorgaben zur Unternehmensführung und ausgeprägtere Treuepflichten geltend gemacht werden, so Rudolph: «Auf Auftrags- bzw. Mandatsbasis besteht zwar auch eine gewisse Weisungsbefugnis. Diese führt aber nicht zu einem rechtlichen Unterordnungsverhältnis.»
Stocker äussert sich auf Anfrage nicht. Er und Vincenz – es gilt die Unschuldsvermutung – bestreiten sämtliche Vorwürfe.