Markenexperten zur Twitter-Umbenennung
«Die Marke ist verbrannt»

Der Vogel hat ausgezwitschert. Twitter soll unter dem Namen X zur Super-App werden. Fachleute sehen die Umbenennung unter Alleinherrscher Musk als logischen Schritt. Sie berge für das Unternehmen jedoch auch grosse Risiken – und könnte vor Gericht enden.
Publiziert: 25.07.2023 um 15:44 Uhr
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Aktualisiert: 25.07.2023 um 15:47 Uhr
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Elon Musk macht aus Twitter X. Nach und nach verabschiedet sich auch Vogel Larry aus dem Unternehmen.
Foto: keystone-sda.ch
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Aus für den Vogel: Twitter heisst ab sofort 𝕏. An den meisten Orten, jedenfalls. Während der drittletzte Buchstabe des Alphabets bereits einen Grossteil der Twitter-Website schmückt, leuchtet in den Apps Vogel Larry noch auf. Auch die Fassade des Twitter-Hauptsitzes in San Francisco (USA) hat das Rebranding erst halb überstanden: Aufgrund fehlender Bewilligungen wurde das Abmontieren des alten Logos durch die Polizei unterbrochen. An einer Seite der Fassade prangen momentan bloss noch die Buchstaben «er».

Doch weshalb tun Elon Musk (52) und seine CEO Linda Yaccarino (59) dies dem sozialen Netzwerk an? Für Bernhard Bauhofer (61), Experte für Reputationsmanagement, ist der Fall klar. «Der Markennamen ist verbrannt», sagt er. «Auch Musk hat gemerkt, dass zu viel Negatives daran haftet.»

Logische Weiterentwicklung zur Superplattform

Seit der 44 Milliarden US-Dollar schweren Übernahme durch den südafrikanischen Tech-Milliardär ist Twitter im Sinkflug: Der Unternehmenswert brach um zwei Drittel ein, die Motivation der Belegschaft ist tief und zahlreiche User springen aufgrund des Gebarens des neuen Besitzers ab.

«Der Geist von Twitter ging aufgrund der Allmachtsfantasien Musks verloren», sagt Bauhofer. Die Umbenennung zu X sei eine logische Weiterentwicklung. «Die Plattform bewegt sich fortlaufend weg von einem demokratischen, gleichberechtigten sozialen Netzwerk und hin zu einer stark profitorientierten Medienplattform.» Auch die Ernennung von CEO Yaccarino stehe für diesen Prozess.

Musk macht aus seinen Absichten jedenfalls kein Geheimnis. In der Nacht auf Dienstag teilte der südafrikanische Milliardär mit, dass der Name Twitter mittlerweile zu klein für seine grossen Pläne sei. Das Unternehmen soll nun zu einer «App für alles» werden. KI-unterstützt soll sie sein. Und auch Finanzgeschäfte sollen über sie laufen. Als Vorbild gilt die chinesische Super-App WeChat.

«Der neue Markenname signalisiert, dass jetzt neue Spielregeln gelten», sagt auch Johanna Gollnhofer (36), Direktorin des Marketinginstituts der Universität St. Gallen. «Die Umbenennung bringt Musk zudem wieder viel Aufmerksamkeit.» Sie zeige nochmals klarer auf, dass das Unternehmen zum Rest des Musk-Imperiums gehört. Denn auch dort zeigt sich die Liebe zum Einzelbuchstaben; etwa beim Raumfahrt-Unternehmen SpaceX oder bei den Tesla-Modellen. Das X sei ausserdem ein Signet, das über die meisten Kulturen hinweg gut funktionieren würde.

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«Die Marke neu aufzubauen, wird seine Zeit brauchen.»
Johanna Gollnhofer, Markenexpertin
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Kann Musk mit der Umbenennung jedoch die verbrannte Erde, die er verursacht hat, erfolgreich hinter sich lassen? «Die Marke neu aufzubauen, wird seine Zeit brauchen», sagt Gollnhofer. «In den Köpfen der Userinnen und User wird weiterhin der kleine zwitschernde Vogel verankert sein.»

Musk gebe mit Twitter einen über Jahre bewirtschafteten, hohen Markenwert auf einen Schlag auf. «Normalerweise behalten etablierte Marken ihren Namen und passen oftmals nur das Design an. So wie es beispielsweise Apple bereits mehrfach getan hat.» Auch die Plattformen Google und Facebook behielten bei der Umbenennung ihrer Mutterkonzerne zu Alphabet und Meta ihre ursprünglichen Namen.

Das Risiko einer Klage ist gross

Experte Bauhofer zeigt sich bezüglich der Erfolgsaussichten ebenfalls skeptisch: «Der immense Kaufpreis macht es natürlich schwierig, aus dem Unternehmen Gewinn zu ziehen», sagt er. «Der Erfolg der neuen Marke hängt vor allem vom Marketingbudget ab.» Dazu würde aus dem Kurznachrichtendienst jetzt eine Medienplattform, wie es bereits viele gibt. Ob dort loyale Nutzerinnen und Nutzer abgeworben werden können, sei also fraglich.

Fraglich ist auch, wie lange sich das Musk-Unternehmen mit der Marke X schmücken kann: Im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken und Software-Anwendungen ist der Buchstabe ausgerechnet durch Konkurrenten Meta geschützt. Und auch Microsoft darf rund um das Marketing ihrer Spielkonsole Xbox Anspruch auf das X erheben.

Dort endet es jedoch noch lange nicht: Wie der US-amerikanische Markenanwalt Josh Gerben gegenüber Reuters mitteilte, habe er selbst bereits fast 900 aktive US-Markenregistrierungen für den Buchstaben X in einer Vielzahl von Branchen gezählt. Es sei also nur eine Frage der Zeit, bis die erste Klage eintrifft.

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