Die USA werden ihre Einreiseverbote wohl erst Ende Jahr lockern. Dies sagte Lufthansa-Vorstand und Ex-Swiss-Chef Harry Hohmeister am Donnerstag beim Online-Branchenkongress der Zeitschrift «fvw TravelTalk». Er sei anfangs zu optimistisch gewesen mit der Annahme, dass dies schon im Juli geschehen könne. Lufthansachef Carsten Spohr hatte dann zunächst auf September gesetzt, sich aber zuletzt keine Prognose mehr zugetraut.
Der Weltluftfahrtverband IATA warf den Regierungen vor, die Krise der Fluggesellschaften unnötig zu verlängern. «Das ist keine Krise mehr infolge der Pandemie, sondern eine Krise infolge der staatlichen Reaktionen auf die Pandemie in Form von Restriktionen», sagte IATA-Chef Willie Walsh bei dem Kongress.
Angesichts der steigenden Impfquoten in vielen Ländern forderte er, geimpften Menschen internationale Reisen wieder ohne Einschränkungen zu erlauben.
«Bis unters Dach mit Fracht voll»
Viele Beschränkungen seien zu Beginn der Pandemie sinnvoll gewesen, als die Welt mit einem unbekannten Virus konfrontiert war und man die Gesundheitssysteme vor dem Zusammenbruch bewahren musste, sagte Walsh. Heute sei die Lage aber auch angesichts der zunehmenden Impfquoten in vielen Ländern sehr viel anders.
Dass sich USA-Flüge für die Lufthansa auch bei einer vergleichsweise geringen Nachfrage überhaupt rechnen, liegt vor allem am brummenden Geschäft mit der Luftfracht. Die Lufthansa packe ihre Passagierjets quasi «bis unters Dach mit Fracht voll», sagte Vorstandsmitglied Hohmeister.
Daher will der Konzern sein Flugangebot auf den Nordatlantikstrecken auch nicht verringern, nachdem die EU die Vereinigten Staaten wieder von der Liste der Drittländer gestrichen hat, für die keine Corona-Beschränkungen mehr gelten sollen.
Nach welcher Logik die USA Einreiseverbote aufrechterhalten, könne er nicht nachvollziehen, sagte Hohmeister. Schliesslich befinde sich die Impfquote in den USA und in Deutschland auf vergleichbarem Niveau.
Vorstandschef Spohr hatte vor wenigen Tagen einen «langen, kalten Winter» für den Airline-Konzern vorausgesagt, zumal auch China die Reisebeschränkungen wohl erst im zweiten Quartal 2022 lockern dürfte. Mit den Langstreckenflügen nach Nordamerika und Asien erwirtschaftet die Lufthansa in normalen Jahren einen grossen Teil ihres Gewinns.
Unterdessen dürfte die Rabattschlacht der Fluggesellschaften nach Hohmeisters Einschätzung vorerst weitergehen. Es werde wohl nie ein Ende finden, dass Airlines «Kapazitäten in den Markt werfen», die sie nur zu niedrigen Preisen loswürden, sagte der Manager bei dem Online-Branchenkongress. Kurzfristig stimme ihn das pessimistisch, sagte Hohmeister.
Riesiger Nachholbedarf
Die Branche müsse aber an der Sanierung ihrer Bilanzen und der finanziellen «Einschlagslöcher» aus der Corona-Krise arbeiten. Daher gehe er langfristig von einem stabilisierten und eher steigenden Preisniveau aus. Ticketpreise, die teils im einstelligen Euro-Bereich lägen, machten nicht nur ökologisch, sondern auch betriebswirtschaftlich keinen Sinn.
Der Manager rechnet damit, dass die Menschen nach der Bewältigung der Pandemie im grossen Stil ihren aufgeschobenen Reisebedarf nachholen. «Der Verbraucher hat während der Corona-Krise allein in Deutschland 200 bis 300 Milliarden Euro an Konsumausgaben eingespart. Der weiss gar nicht wohin mit dem Geld.» Laut Reiseanalysen gebe es für die nächsten drei bis fünf Jahre einen riesigen Nachholbedarf.