Es geschah am Tag ihres Geburtstages. Stefanie C.* erfuhr die Demütigung ihres Lebens. «Noch nie habe ich mich in der Öffentlichkeit so blossgestellt und nackt gefühlt», sagt sie im Nachhinein. Sie will anonym bleiben, erzählt BLICK aber, wie sie an einem Abend in eine Zürcher Notfallapotheke ging und vor der ganzen Kundschaft über ihr Sexleben ausgefragt wurde.
Die Geschichte beginnt mit einem Abendessen unter Freunden. Stefanie C. bereitet alles minutiös vor. Im Stress vergisst sie, ihren Verhütungsring rechtzeitig wieder einzusetzen. Dieser darf maximal drei Stunden pro Tag rausgenommen werden. Sonst ist der Schutz vor einer Schwangerschaft nicht mehr gegeben. «Sobald mir dies bewusst wurde, wusste ich, was mir blühte: die Pille danach.»
Nach dem Essen macht sie sich auf den Weg zur Apotheke. Ihr Freund begleitet sie. Es ist 21.30 Uhr. Die erste Apotheke weist die beiden ab, sie machen sich auf zur Apotheke am Bellevue, wo zwei Angestellte zur Stunde arbeiten. Stefanie erklärt die Situation, sie erhält den «berüchtigten Schreibblock». Dort sind Fragen aufgelistet wie etwa, warum sie die Notfallverhütung benötige, ob sie Allergien habe oder Medikamente zu sich nehme.
Gespräch im Séparée verwehrt
Stefanie C. beantwortet die Fragen und retourniert das Formular. Sie muss warten, bis sie bedient wird. Es sind auch andere Kunden im Laden. «Noch während die Apothekerin die nach mir eingetroffene Person bediente, ging die andere zu ihr und sagte laut, mit dem Blick auf mich gerichtet: ‹Die mit dem blauen Block braucht noch die Pille danach.›»
Es ist die erste Demütigung an diesem Abend. Aber nicht die letzte. Die junge Frau bittet um ein Gespräch in einem separaten Raum, wie es auch der Apothekerverband Pharmasuisse empfiehlt.
Die Apothekerin geht nicht darauf ein. «Corona und Sicherheitsabstand waren die Begründung. Meinen Protest ignorierte sie. Und so bekamen andere Kunden mit, wie sie mich über mein Sexualleben ausfragte. Ich fühlte mich blossgestellt und gedemütigt», so Stefanie C.
Zum Schluss eine Portion Spott
Sie schluckt die Pille danach im öffentlichen Bereich, erhält ein Kondom in die Hand gedrückt und wird mit einem spöttischen Spruch verabschiedet. «Ach, Sie haben ja heute Geburtstag – alles Gute», soll die Apothekerin zum Schluss noch gesagt haben. «Ich verliess die Apotheke und brach dabei in Tränen aus», so die junge Frau.
Die Geschäftsführung der Apotheke will sich zu dem Fall nicht äussern. BLICK hat aber mit einer Apothekerin über den Fall gesprochen. Sie gibt zu, dass der Fall «so oder ähnlich» passiert sein könnte. Die Apotheke habe ein Séparée und nutze dieses auch für solche Gespräche. Wenn der Laden aber schon voll sei und auch der Nebenraum hinter der Schiebetür, dann werde die Kundin manchmal im Laden beraten, heisst es. Einfach in einer Ecke, nicht inmitten der anderen Kunden, wie es im Fall geschildert worden sei.
An einem Abend, sagt die Angestellte weiter, seien ausserdem oft nur noch zwei Mitarbeiterinnen vor Ort. Wenn eine Person hinten im Lager oder sonst wo sei, dann wolle die Arbeitskollegin nicht auch ins Séparée – und zwar aus Sicherheitsgründen. Man möchte keine Kunden alleine im Laden lassen.
Aus Entrüstung wird Wut
Lorenz Schmid, Präsident des Zürcher Apothekerverbands, bittet um Nachsicht, falls es in Corona-Zeiten zu schwierigen Situationen gekommen sei. Der nationale Apothekerverband Pharmasuisse beurteilt den Fall aber anders. Wenn die Diskretion nicht gewahrt werden könne, seien die Apotheken angehalten, der Kundin eine Alternative aufzuzeigen. «Das heisst konkret, dass die Kundin an eine Apotheke weitergewiesen werden darf, die die geforderten Bedingungen optimal erfüllt», sagt Sprecherin Rahel Rohrer.
Diese Regel gelte auch in Corona-Zeiten. «Wir bedauern, wenn die Kundin eine Erfahrung gemacht hat, die ihr in unangenehmer Erinnerung bleibt und sicherlich nicht für einen vorbildlichen Kundenservice in Apotheken steht», so Rohrer.
Für Stefanie C. ist das kein Trost. Das Gefühl der Demütigung ist zunächst der Entrüstung, schliesslich der Wut gewichen. «Ich schäme mich weder dafür, dass ich Sex habe, noch darüber, dass ich nur ein Mensch bin und ein Mal in zwei Jahren vergesse, mein Verhütungsmittel einzuführen», sagt sie. «Was ich hingegen das Letzte finde, ist die Art, wie mit mir umgegangen wurde.»
* Name geändert