Rund zehn Milliarden Franken geben Schweizer Einkaufstouristen im Ausland aus – pro Jahr. Während der Corona-Krise ging diese Zahl zurück. Seit das Reiseregime gelockert ist, shoppen Herr und Frau Schweizer aber wieder fleissig in Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich.
Der Schweizer Politik ist das ein Dorn im Auge. In der laufenden Session hat das Parlament deshalb mehrere Vorstösse angenommen, die den Einkaufstourismus eindämmen sollen.
Einerseits soll die Wertfreigrenze – derzeit 300 Franken pro Person und Tag – herabgesetzt werden. Zudem soll in Zukunft bei allen privaten Einkäufen im Ausland die Schweizer Mehrwertsteuer bezahlt werden müssen, sofern die ausländische Mehrwertsteuer zurückgefordert wurde. Dieses Vorhaben geht auf Standesinitiativen der Kantone St. Gallen und Thurgau zurück.
Ösis verärgert über Schweizer Doppelspiel
Bei unseren Nachbarn kommt dies nicht gut an. «Der Vorstoss des Schweizer Parlaments ist etwas überraschend und erinnert an die flankierenden Massnahmen, die das Arbeiten über die Grenze erschweren und zum Schutz der Schweizer Wirtschaft eingeführt worden sind», sagt Harald Moosbrugger, Vorstand der Abteilung Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten in Vorarlberg.
Irritiert sind die Ösis vor allem, weil die Ostschweiz mit der Initiative «Metropolitanraum Bodensee» gleichzeitig die grenzüberschreitende Zusammenarbeit fördern möchte. Moosbrugger: «Die neuen Pläne konterkarieren genau diese Bestrebungen und stellen sie in Frage.»
Schweizer Heimatschutz-Ideen
Auch das deutsche Bundesland Baden-Württemberg hat keine Freude an den Schweizer Heimatschutz-Ideen. Eine Sprecherin des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus gibt sich aber diplomatisch: «Die Entscheidung, die Wertgrenze für die Mehrwertsteuerbefreiung zu senken, ist zwar aus Sicht der baden-württembergischen Betriebe bedauerlich, liegt jedoch allein im Ermessen der Schweiz.»
Den Umsetzungsprozess werde man dennoch beobachten. «Vor allem nach dem gescheiterten Institutionellen Rahmenabkommen haben wir selbstverständlich grosses Interesse, den Fortbestand der sehr guten nachbarschaftlichen Beziehungen sowie das gute Miteinander mit der Schweiz noch stärker als bisher zu sichern.»
Zweifel an Wirksamkeit der geplanten Massnahmen
Kauffreudige Schweizer würden auch in Zukunft den Weg nach Deutschland finden. Wegen der Preisunterschiede werde der Einkaufstourismus nicht vollständig zum Erliegen kommen.
Dieser Überzeugung ist auch der Bundesrat, der gegen die Vorstösse des Parlaments votierte. «Wecken wir nicht falsche Hoffnungen», warnte Finanzminister Ueli Maurer (70). Die Vorstösse würden den Detailhandel in den Grenzregionen nicht retten, sondern eher dazu führen, dass die Menschen die neuen Regeln umgingen und daher viel eher Ware schmuggelten.