Auf einen Blick
Harald K. (Namen der Redaktion bekannt) ist erschöpft. Schon seit anderthalb Jahren sucht er in der Stadt Genf eine Wohnung. Er ist 24, wohnt mittlerweile wieder bei seinen Eltern, und es sieht nicht danach aus, dass sich diese Situation in nächster Zeit ändern wird. Auf seiner Wohnungssuche musste er feststellen, dass es so gut wie keine freien Wohnungen gibt (die Genfer Leerwohnungsziffer mit 0,4 Prozent ist eine der niedrigsten der Schweiz). Die wenigen Wohnungen auf dem Markt sind entweder viel zu teuer oder gemeinhin Bruchbuden, da sie seit Jahren, manchmal gar Jahrzehnten nicht mehr saniert wurden.
Mieter und Mieterinnen haben es schwer in Genf – obwohl die Stadt eine der strengsten Mietregulierungen der Schweiz hat. Unter gewissen Voraussetzungen dürfen die Behörden leer stehende Wohnungen enteignen. Sie dürfen nach Umbauten einen Mietpreisdeckel für fünf bis zehn Jahre festlegen. Und sie dürfen bei Verkäufen unter Privaten dazwischengrätschen und das Objekt selber zu einem tieferen Preis erwerben, wenn ihnen der ausgehandelte Preis als exzessiv erscheint.
Immer mehr Städte wollen es Genf nachmachen. Ob Basel, Bern oder Zürich, überall wurden Regulierungsvorschläge initiiert, eingereicht oder umgesetzt. Längst hat sich der Kampf um die Wohnpolitik auf die Kantone und Städte verlagert. Denn es hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt: Geht es um Gesetzesänderungen für das Mietrecht auf nationaler Ebene, kommen diese nur selten zustande. Und siehe da, die Vorstösse, die schweizweit keinen Erfolg hatten, finden in den Kantonen und Städten fruchtbaren Boden.
Dieser Artikel wurde erstmals im Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
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Der Wind weht von links
In Zürich beispielsweise sind bis 2027 fünf Wohninitiativen hängig. Eine Wohnschutz-Initiative fordert nach Genfer und Basler Vorbild, dass die Mieten nach Umbauten gedeckelt werden. Auch in der Stadt Luzern gibt es Vorstösse, die eine Bewilligungspflicht und Mietpreisbremse für Sanierungen, Umbauten oder Ersatzneubauten vorsehen. Und neuerdings will es auch Bern tun. Am 11. November 2024 hat der Stadtrat in Bern die Motion «Für eine soziale Wohnungspolitik – Mietzinsdeckel statt Luxussanierungen» angenommen. Die ultralinke Partei der Arbeit hatte diese eingereicht.
Der Wind weht von links. Die Stossrichtung geben die grossen Städte vor. Diese werden politisch mehrheitlich von linken Parteien dominiert. «Linke Parteien nutzen Vorstösse im Wohnungsmarkt für ihre politischen Ziele – und entsprechend nicht im Interesse aller», sagt Claudio Saputelli, Head CIO Real Estate bei der UBS. «Sie machen eine Politik, welche die Gesellschaft spaltet.» Für jene, die eine preisgedeckelte oder genossenschaftliche Wohnung haben, sei das ein Privileg. Die Preise der übrigen Wohnungen jedoch würden dadurch noch stärker in die Höhe getrieben.
Donato Scognamiglio, VR-des Immobilienspezialisten Iazi, sagt ergänzend: «Mit noch mehr Regulierungen lösen wir das Grundproblem nicht. Mietpreisdeckel oder Vorkaufsrechte allein führen nicht zur notwendigen Entspannung, lediglich zu einer Umverteilung.» Man könne sich aus ideologischen Gründen zu Tode regulieren. Man müsse nur nach Genf oder Basel schauen, dort sähe man das Ergebnis von zu rigider Regulierungen.
Basel im Stillstand
Die Regulierungen in Genf, seit 1983 die strengsten der Schweiz, standen für Basel als Vorbild. Der Mieterinnen- und Mieterverband Basel verpackte die Genfer Vorschriften in eine Initiative, die Ende 2021 vom Basler Stimmvolk hauchdünn und völlig überraschend mit 53 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde.
Will heute eine Vermieterin bauliche Massnahmen an ihrer Liegenschaft ausführen, hat sie vorgängig ein Prüf- und Bewilligungsverfahren zu durchlaufen. Die Mieten, die sie nach Abschluss des Umbaus verlangt, unterliegen einer Mietzinskontrolle für fünf Jahre. Das heisst, eine sogenannte Wohnschutzkommission schreibt die Höhe der maximalen Mietzinsaufschläge vor. Diese werden im Grundbuch festgehalten.
Regulierung dient nur bisherigen Mietern
«Das Ziel dieser Regelungen ist klar: die Mieterinnen und Mieter vor Leerwohnungskündigungen zu schützen und vor erhöhten Mieten nach einer Renovation», sagt Iazi-Experte Scognamiglio. «Doch diese Lösungen wirken nur temporär. Langfristig schiesst sich Basel damit ein Eigengoal. Denn mit diesen Regelungen ist nur den bisherigen Mietenden gedient, nicht den künftigen. Zumal Investoren Umbauarbeiten nicht mehr durchführen.»
Die Zahl der Sanierungen in Basel indes geht drastisch zurück. Man beobachte 80 Prozent weniger Sanierungsanfragen, sagte die Basler Kantonalbank (BKB) gegenüber der «Basler Zeitung». Darunter leiden die Baubranche und das Gewerbe. «Die Situation ist dramatisch», sagt Theodor Häner, Geschäftsführer des Baumeisterverbands Region Basel, dem 105 Unternehmen angehören.
Investitionen in Basel rentieren nicht mehr
Oscar Elias, CEO der Stamm Bau mit 400 Mitarbeitenden, doppelt nach: «Die Aufträge für Sanierungen von Mehrfamilienhäusern in Basel sind vollkommen eingebrochen.» Diverse Unternehmen wie Maler oder Bodenleger mussten bereits Kurzarbeit einführen.
«Viele Investorinnen wollen ihre Objekte verkaufen, da sie in Basel nicht mehr tätig sein wollen», sagt Andreas Dürr, Basler Anwalt, Notar und Präsidiumsmitglied des Schweizerischen Verbandes der Immobilienwirtschaft (Svit). Man könnte ganze Portefeuilles erwerben, nur wolle sie niemand, erklärt der Markt-Insider. «Aufgrund der neuen Wohnschutzregelungen und Mietzinskontrollen rentieren Investitionen in Basel nicht mehr.»
Genfs Immobilien in schlechtem Zustand wegen Überregulierung
Dabei hätte man nur nach Genf blicken müssen. Die Nebenwirkungen der dortigen Regulierungen zeigen sich längst. Der Wohnungsbestand überaltert. Sanierungen finden kaum mehr statt. Eine jüngere Masterarbeit an der Universität Zürich von Björn Kernen zeigt, dass gerade die älteren und damit sanierungsbedürftigen Wohnungen in Genf im Vergleich zum Rest der Schweiz bedeutend seltener renoviert wurden. Auch neue Wohnungen werden kaum gebaut, die Investoren machen einen grossen Bogen um die Stadt.
Die UBS hat nachgerechnet: Insgesamt fallen aktuell rund 30 Prozent des Schweizer Mietwohnungsbestands unter mindestens eine Regulierung, etwa die Kostenmiete, das Vorkaufsrecht oder die Mietpreisbremse. Bei Umsetzung aller derzeit geplanten zusätzlichen Massnahmen würde sich dieser Anteil auf über 50 Prozent des Wohnungsbestands erhöhen. Damit wäre die Hälfte aller Schweizer Mietwohnungen stärker reguliert, als es das Mietrecht vorgibt.