In der Schweiz stehen so viele Mietwohnungen leer wie noch nie. 65’000 leere Wohnungen zählte das Bundesamt für Statistik vergangenes Jahr. Das bedeutet eine Zunahme um 20'000 Wohnungen innert nicht einmal vier Jahren. Dieser Trend wird sich noch verschärfen (siehe Grafik). Solche Zahlen wurden zuletzt während der Immobilienmarkt-Krise Anfang der 90er-Jahre beobachtet .
In ihrer neuesten Immobilienstudie geht die UBS davon aus, dass die Leerstandsquote im nächsten Jahr mit knapp drei Prozent sogar ein neues Allzeithoch erklimmen wird. Gleichzeitig wird wegen der tiefen Hypothekarzinsen fröhlich weiter gebaut, während die Nachfrage geringer wird. Denn: Die Einwanderungswelle in die Schweiz ist abgeflaut.
Mietpreise auf dem Land günstiger
Das hat Auswirkungen auf die Mietpreise: «Ohne deutliche Trendwende bei der Bautätigkeit oder einer neuen Einwanderungswelle dürften die Mieten für ausgeschriebene Wohnungen in den nächsten zwei bis drei Jahren um bis zu 10 Prozent sinken», sagt Claudio Saputelli , Immobilienexperte der UBS .
Das lässt sich daran erkennen, dass die Angebotsmieten viel stärker gestiegen sind als die Bestandesmieten (siehe Grafik und Box: Wichtige Begriffe). In diesem Jahr erwartet Saputelli bei den Wohnungen, die neu auf den Markt kommen, eine Preissenkung von rund 2,5 Prozent.
Mieter können sich also freuen, aber nicht überall: «In den urbanen Zentren zahlt man durch das knappe Angebot und die hohe Nachfrage weiterhin sehr viel Geld», so Saputelli. Auf dem Land hingegen seien die Mietpreise verlockender. Das bestätigt auch Michael Töngi vom Mieterverband: «Die Preisrückgänge sind vor allem in Randregionen zu beobachten, in denen viel gebaut wurde und die in einer Pendeldistanz von mehr als einer Stunde von einem städtischen Zentrum entfernt sind.»
Vermieter müssen Mieten senken
Eine Trendwende bei den Mieten scheint Töngi schon lange fällig, denn: «Obwohl der Referenzzinssatz seit 2009 acht Mal gesunken ist und sich die Zinsen mehr als halbierten, sind die Mieten weiter gestiegen», sagt er. Gesamthaft sieht der Mieterverband keinen Preisrückgang und bezeichnet die Mieten als «sehr hoch». Für Töngi ist klar: «Mieter können nicht mit real tieferen Mieten rechnen, und sie müssen bei einem Umzug weiterhin mit einer massiv höheren Miete rechnen.» Das zeigt sich in den deutlich höheren Angebotsmieten (siehe Grafik).
Während Töngi über hohe Mieten klagt, befürchten die Vermieter, dass sie die Mieten senken müssen. Ansgar Gmür, Direktor des Hauseigentümerverbandes, ist nicht eben bekannt als Verfechter von Mietzinsreduktionen. Aber jetzt hebt er den Finger: «Die Vermieter müssen schauen, dass ihre Wohnungen auch vermietbar bleiben. Je nach Region werden die Vermieter deshalb nicht darum herumkommen, die Mietzinsen zu senken.» Mieter seien Kunden, nicht einfach nur Zahler. «Es ist nicht sinnvoll, teure Renovationen oder Neubauten vorzunehmen, und dann sind die Wohnungen leer.»
Vorsicht vor Lockvogelangeboten
Wie verzweifelt die Vermieter auf die rekordhohen Leerbestände reagiern, lässt sich daran ablesen, wie sie um Mieter buhlen: Mit Zügelgutscheinen, Batzen für neues Mobiliar, iPads oder sogar mit Gratis-Wohnen für einige Monate ködern Immobilienfirmen wie Privera, Livit oder Wincasa potenzielle Mieter. Ihr Ziel: Teure Wohnungen an suboptimaler Lage, die schlecht zu vermieten sind, potenziellen Interessenten schmackhaft zu machen (BLICK berichtete).
Die Devise lautet: Lieber ein Geschenk als eine dauerhafte Reduktion der Miete. Denn diese würde die Mieteinnahmen einer Liegenschaft auf Jahre hinaus schmälern. Für die Mieter ist dieses Gebaren nachteilig: «Wer eine Wohnung mietet, für die man noch ein Geschenk erhält, zahlt einen übersetzten Preis», warnt der Mieterverband.
Mit Geschenken können die Immobilienfirmen Mietzinsreduktionen zwar hinauszögern, aber nicht vermeiden. Bei weiter steigenden Leerständen werden die Mietpreise für ausgeschriebene Wohnungen sinken. Wer umzieht, wird davon profitieren.
Bestandesmiete = Miete in einem (bereits seit längerem) bestehenden Mietverhältnis
Angebotsmiete = Durchschnittspreis aus allen aktuell angebotenen Vergleichsobjekten
Leerstandsquote = Verhältnis der unvermieteten zur vermieteten Anzahl Wohnungen
Festhypothek = Kredit mit fester Laufzeit, bei dem der Zinssatz während der Laufzeit stabil bleibt
Referenzzinssatz = Wird aufgrund der Hypothekarzinsen berechnet und für die Bestimmung der Preise von Mietpreisen verwendet. Dieser Zinssatz wird vierteljährlich aktualisiert
Bestandesmiete = Miete in einem (bereits seit längerem) bestehenden Mietverhältnis
Angebotsmiete = Durchschnittspreis aus allen aktuell angebotenen Vergleichsobjekten
Leerstandsquote = Verhältnis der unvermieteten zur vermieteten Anzahl Wohnungen
Festhypothek = Kredit mit fester Laufzeit, bei dem der Zinssatz während der Laufzeit stabil bleibt
Referenzzinssatz = Wird aufgrund der Hypothekarzinsen berechnet und für die Bestimmung der Preise von Mietpreisen verwendet. Dieser Zinssatz wird vierteljährlich aktualisiert