Jetzt sagt sogar der Hauseigentümer-Direktor
Mieten müssen runter!

Obwohl in der Schweiz so viele Mietwohnungen wie noch nie leer stehen, werden fleissig neue Liegenschaften aus dem Boden gestampft. Nun geraten die Mieten unter Druck. Und sogar der Hauseigentümerverband rät zur Senkung der Mietzinsen.
Publiziert: 18.01.2018 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 20:25 Uhr
In der Überbauung in Staufen AG sind zahlreiche Wohnungen noch nicht vermietet.
Foto: ANJA WURM
Bianca Lüthy, Sven Zaugg

In der Schweiz stehen so viele Mietwohnungen leer wie noch nie. 65’000 leere Wohnungen  zählte das Bundesamt für Statistik   vergangenes Jahr. Das bedeutet eine Zunahme  um 20'000 Wohnungen innert nicht einmal vier Jahren. Dieser Trend wird sich noch verschärfen (siehe Grafik). Solche Zahlen wurden zuletzt während der Immobilienmarkt-Krise Anfang der 90er-Jahre beobachtet .

Foto: Infografik

In ihrer neuesten Immobilienstudie geht die UBS davon aus, dass die Leerstandsquote im nächsten Jahr mit knapp drei Prozent sogar ein neues Allzeithoch erklimmen wird. Gleichzeitig wird wegen der tiefen Hypothekarzinsen  fröhlich weiter gebaut, während die Nachfrage  geringer wird. Denn: Die Einwanderungswelle in die Schweiz ist abgeflaut.

Mietpreise auf dem Land günstiger

Das hat Auswirkungen auf die Mietpreise: «Ohne deutliche Trendwende bei der Bautätigkeit oder einer neuen Einwanderungswelle dürften die Mieten für ausgeschriebene  Wohnungen in den nächsten zwei bis drei  Jahren um bis zu 10 Prozent sinken», sagt Claudio Saputelli , Immobilienexperte der  UBS

Claudio Saputelli, Chef-Analyst für Immobilien bei der UBS
Foto: MARC STRAUMANN

Das lässt sich daran erkennen, dass die Angebotsmieten viel stärker gestiegen sind als die Bestandesmieten (siehe Grafik und Box: Wichtige Begriffe). In diesem Jahr erwartet Saputelli bei den Wohnungen, die neu auf den Markt kommen, eine Preissenkung von rund 2,5 Prozent. 

Die Grafik zeigt, dass das Verhältnis zwischen Einkommen und Mietzins bei den Bestandesmieten weniger stark schwankt als bei den Angebotsmieten. Bei neu ausgeschriebenen Wohnungen können die Vermieter die Miezinshöhe freier bestimmen. Wenn wenige Wohnungen leer stehen, steigen die Angebotsmieten stark, wie Mitte der 80er-Jahre. Je mehr Wohnungen leer stehen, desto eher sinken die Mieten für neu angebotene Wohnungen, wie es bis Mitte der 90er-Jahre der Fall war.
Foto: Infografik

Mieter können sich also freuen, aber nicht überall: «In den urbanen Zentren zahlt man durch das knappe Angebot und die hohe Nachfrage weiterhin sehr viel Geld», so SaputelliAuf dem Land hingegen seien die Mietpreise verlockender. Das bestätigt auch Michael Töngi vom Mieterverband: «Die Preisrückgänge sind vor allem in Randregionen zu beobachten, in denen viel gebaut wurde und die in einer Pendeldistanz von mehr als einer Stunde von einem städtischen Zentrum entfernt sind.»

Michael Töngi vom Mieterverband.
Foto: NIQUE NAGERNIQUE@KLICKT.CH0041796068700

Vermieter müssen Mieten senken

Eine Trendwende bei den Mieten scheint Töngi schon lange fällig, denn: «Obwohl der Referenzzinssatz seit 2009 acht Mal gesunken ist und sich die Zinsen mehr als halbierten, sind die Mieten weiter gestiegen», sagt er. Gesamthaft sieht der Mieterverband keinen Preisrückgang und bezeichnet die Mieten als «sehr hoch». Für Töngi ist klar: «Mieter können nicht mit real tieferen Mieten rechnen, und sie müssen bei einem Umzug weiterhin mit einer massiv höheren Miete rechnen.» Das zeigt sich in den deutlich höheren Angebotsmieten (siehe Grafik).

Ansgar Gmür, Direktor des Hauseigentümerverbandes.
Foto: hauseigentümerverband

Während Töngi über hohe Mieten klagt, befürchten die Vermieter, dass sie die Mieten senken müssen. Ansgar Gmür, Direktor des Hauseigentümerverbandes, ist nicht eben bekannt als Verfechter von Mietzinsreduktionen. Aber jetzt hebt er den Finger: «Die Vermieter müssen schauen, dass ihre Wohnungen auch vermietbar bleiben. Je nach Region werden die Vermieter deshalb nicht darum herumkommen, die Mietzinsen zu senken.» Mieter seien Kunden, nicht einfach nur Zahler. «Es ist nicht sinnvoll, teure Renovationen oder Neubauten vorzunehmen, und dann sind die Wohnungen leer.»

Vorsicht vor Lockvogelangeboten

Wie verzweifelt die Vermieter auf die rekordhohen Leerbestände reagiern, lässt sich daran ablesen, wie sie um Mieter buhlen: Mit Zügelgutscheinen, Batzen für neues Mobiliar, iPads oder sogar mit Gratis-Wohnen für einige Monate ködern Immobilienfirmen wie Privera, Livit oder Wincasa potenzielle Mieter. Ihr Ziel: Teure Wohnungen an suboptimaler Lage, die schlecht zu vermieten sind, potenziellen Interessenten schmackhaft zu machen (BLICK berichtete). 

So berichtete BLICK über die Versuche der Vermieter, ihre Wohnungen zu füllen.

Die Devise lautet: Lieber ein Geschenk als eine dauerhafte Reduktion der Miete. Denn diese würde die Mieteinnahmen einer Liegenschaft auf Jahre hinaus schmälern. Für die Mieter ist dieses Gebaren nachteilig: «Wer eine Wohnung mietet, für die man noch ein Geschenk erhält, zahlt einen übersetzten Preis», warnt der Mieterverband.

Mit Geschenken können die Immobilienfirmen Mietzinsreduktionen zwar hinauszögern, aber nicht vermeiden. Bei weiter steigenden Leerständen werden die Mietpreise für ausgeschriebene Wohnungen sinken. Wer umzieht, wird davon profitieren. 

Die wichtigsten Begriffe

Bestandesmiete = Miete in einem (bereits seit längerem) bestehenden Mietverhältnis

Angebotsmiete = Durchschnittspreis aus allen aktuell angebotenen Vergleichsobjekten

Leerstandsquote = Verhältnis der unvermieteten zur vermieteten Anzahl Wohnungen

Festhypothek = Kredit mit fester Laufzeit, bei dem der Zinssatz während der Laufzeit stabil bleibt

Referenzzinssatz = Wird aufgrund der Hypothekarzinsen berechnet und für die Bestimmung der Preise von Mietpreisen verwendet. Dieser Zinssatz wird vierteljährlich aktualisiert

Bestandesmiete = Miete in einem (bereits seit längerem) bestehenden Mietverhältnis

Angebotsmiete = Durchschnittspreis aus allen aktuell angebotenen Vergleichsobjekten

Leerstandsquote = Verhältnis der unvermieteten zur vermieteten Anzahl Wohnungen

Festhypothek = Kredit mit fester Laufzeit, bei dem der Zinssatz während der Laufzeit stabil bleibt

Referenzzinssatz = Wird aufgrund der Hypothekarzinsen berechnet und für die Bestimmung der Preise von Mietpreisen verwendet. Dieser Zinssatz wird vierteljährlich aktualisiert

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