Das Warenhaus Jelmoli ist seit fast sechs Wochen geschlossen – bis auf den Food-Markt. Jeden Tag verliert die neue Chefin Nina Müller (50) Umsatz – und damit Geld. Mit jedem Tag wird es schwieriger, die Kollektionen und Marken aus aller Welt loszuwerden. Denn alleine mit dem Online-Shop kann das Zürcher Traditionskaufhaus nicht überleben.
Darum greift die Österreicherin im Gespräch mit BLICK zu einem dramatischen Mittel – einem direkten Appell an die Kundschaft: «Kommt uns besuchen! Kommt bei uns einkaufen!»
Schon vor Corona in der Krise
Schon vor Corona hatte das Kaufhaus im letzten Jahr mit schwächelnden Umsätzen zu kämpfen. Das werde sich 2020 mit Corona erst recht nicht ändern lassen, so Müller, die erst vor drei Wochen ihren neuen Job angetreten hat – im Homeoffice. Das Kaufhaus kämpfe mit enormen Umsatzeinbrüchen.
Nun will Müller den Online-Bereich ausbauen. Im Herbst soll der neue Shop kommen. «Corona bringt viele Veränderungen, die wir noch gar nicht greifen können», sagt Müller. Homeoffice und die Scheu vor dem Einkaufen im Laden werden die Branche verändern. Das Kaufhaus mit einer Verkaufsfläche von 24'000 Quadratmetern wird bald nicht mehr zentraler Anlaufpunkt sein.
Erfolgreicher Food-Markt
Ganz musste das Haus die Tore während Corona aber nicht schliessen. Der Food-Markt erwirtschaftete in den letzten Wochen sogar höhere Beträge als erwartet, so Müller.
Ausserdem konnte sie hier in den letzten Wochen Sicherheitsmassnahmen erproben, die sie ab Montag auf die restlichen sechs Stockwerke ausweiten wird, bevor ab 11. Mai wieder Kunden kommen: regelmässigere Desinfizierung, Plexiglasscheiben an allen Kassen, Regulation der Anzahl Besucher.
Dann wird auch wieder eine höhere Belegschaft antreten. Wegen Corona setze Müller einen Grossteil der 628 Mitarbeiter auf Kurzarbeit.
Komplexe Welt der Nachhaltigkeit
Müller sieht in der Corona-Krise auch einen Aufruf zu mehr Nachhaltigkeit. In Zukunft wolle sie mehr regionale Marken im Haus an der Bahnhofstrasse verkaufen. «Lokale Produkte und Händler bringen viele Vorteile mit sich», sagt Nina Müller.
Ganz ohne globalisierte Welt geht es aber auch nicht. Obwohl Müller in Zukunft mehr «Swissness» in das Haus holen will, sind die Produkte oft «made in Asia». «Corona führt uns einmal mehr vor Augen, wie komplex unsere globalisierte Welt und ihre Wertschöpfungsketten geworden sind», sagt sie. «Das lässt sich nicht leugnen.»