Auf einen Blick
- Russlands Wirtschaft strauchelt. Putin könnte die Kontrolle verlieren, Massnahmen greifen nicht
- Rubel verliert an Wert, Inflation steigt stark, Lebensmittelpreise explodieren
- Leitzins bei 21 Prozent, höchster Stand seit 2003, weitere Erhöhung wahrscheinlich
Bisher machte Russlands Wirtschaft nur wenig den Anschein, dass die Sanktionen des Westens und die Kosten des Krieges gegen die Ukraine ihr etwas antun könnten. Doch jetzt strauchelt die elftgrösste Volkswirtschaft der Welt. Wladimir Putin (72) könnte die Kontrolle verlieren – denn seine Massnahmen greifen nicht.
Wirtschaftliche Symptome gibt es viele. Da wäre zum einen der abschmierende Rubel. Am Mittwoch hat die russische Währung die symbolische Schwelle von 110 Rubel für einen Dollar überschritten. Seit Anfang August hat die Währung gut ein Drittel seines Wertes verloren.
Zuletzt war der Rubel im März 2022, kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine, auf ein noch niedrigeres Niveau gefallen. Damals war ein Dollar 120 Rubel wert. Vor dem Krieg bekam man für einen Dollar noch 80 Rubel.
Leitzinserhöhungen gegen die Teuerung
Es überrascht nicht, dass da auch die Inflation explodiert. Tymofiy Mylovanov (49), Chef der Kiewer Wirtschafts-Universität, erklärt in einem Post auf X: «Die Lebensmittelinflation allein ist in Russland in diesem Jahr um 70 Prozent gestiegen. Die Preise für Kartoffeln sind um 73 Prozent gestiegen, für Butter um 30 Prozent.» Auch die Milch sei 15 Prozent teurer als noch im Januar. Offiziell – also gemäss der russischen Zentralbank – waren die Verbraucherpreise im Oktober um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen.
Vor dem Hintergrund des immer schneller abwertenden Rubels und der steigenden Inflation erhöht die Zentralbank die Zinsen. Schon jetzt liegt der Zinssatz mit 21 (!) Prozent auf dem höchsten Stand seit 2003. Eine erneute Anhebung, um die Preise wieder zu stabilisieren, ist gemäss Zentralbankberatern sehr wahrscheinlich.
Doch die Massnahmen greifen nicht. Da melden sich sogar wichtige Oligarchen in Russland zu Wort und kritisieren das Krisenmanagement von Putin. «Es ist, als ob die Medizin schädlicher ist als die Krankheit», meinte Alexey Mordaschow (59), Chef des Severstal-Metallkonzerns am Mittwoch. Er bezeichnet die Massnahmen der russischen Zentralbank als komplett wirkungslos. Es sei wahrscheinlich eine Situation ohne Präzedenzfall in der modernen Weltgeschichte, wenn der Leitzins 2,5 Mal höher als die Inflation ist und trotzdem nichts verlangsamt.
Experten wollen noch stärkere Erhöhung
Zuletzt galten vor allem die US-Sanktionen gegen die russische Gazprombank als Verstärker der wirtschaftlichen Probleme. Derweil fordern russische Ökonomen, den Zentralbankzinssatz noch stärker anzuheben. Ein Zins von 30 bis 40 Prozent könnte den Zusammenbruch des Rubels stabilisieren.
Angesichts der Entwicklungen sah sich sogar Präsident Wladimir Putin zu einem Kommentar genötigt. Am Rande eines Gipfeltreffens in der kasachischen Hauptstadt Astana sieht er jedoch «keinen Grund zur Panik». «Die Situation ist unter Kontrolle», sagte er am Donnerstag.
Putin versicherte, dass «viele saisonale Faktoren» wie «Zahlungen an den Haushalt» und die Ölpreise am Weltmarkt neben der hohen Inflation die Ursache für die Schwäche des Rubels seien. Der russischen Bevölkerung werden diese Worte nur wenig helfen.