Aus diesen Industriehallen sollen Wohnungen werden
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Textilfabrik in Lichtensteig:Aus diesen Industriehallen sollen Wohnungen werden

In Lichtensteig SG werden Industriehallen zu Wohnungen umgebaut
Alte Textilfabrik kleidet sich neu ein

Eine Genossenschaft will die leeren Industriehallen der alten Textilfabik in Lichtensteig SG zu Arbeits- und Wohnraum umfunktionieren. Blick führt durch die verlassene Fabrik und spricht mit den Machern des ungewöhnlichen Wohnprojekts.
Publiziert: 21.03.2022 um 08:23 Uhr
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Aktualisiert: 21.03.2022 um 08:24 Uhr
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Die alte Textilfabrik steht im historischen Städtchen Lichtensteig direkt am Ufer der Thur.
Foto: Philippe Rossier
Dorothea Vollenweider (Text) und Philippe Rossier (Fotos)

Räume so gross wie Turnhallen. Fensterfronten, die vom Boden fast bis zur Decke reichen: Bei der Ortsbegehung von Blick sitzt der pensionierte Hobbymaler Felix (65) in einer der riesigen Räume der ehemaligen Fabrik. Vor sich seine Staffelei malt Felix konzentriert, was der Blick aus dem Fenster hergibt.

Noch kann er die Ruhe geniessen. Die Mega-Immobilie liegt im historischen Städtchen Lichtensteig SG direkt am Ufer der Thur. Der Blick von der Stadtbrücke auf das Areal am Fluss – ein malerischer Ort. Hier wurden einst auf mehreren Etagen Garne für Strumpfhosen produziert.

Doch der verlassene Eindruck trügt. Denn die Genossenschaft Stadtufer will dem Areal neues Leben einhauchen. In ihrem Besitz seit Anfang Jahr hat sie grosse Pläne für die brachliegenden Industriehallen. «Bald soll darin gewohnt und gearbeitet werden», sagt Dimitrij Stockhammer (28), der zu den Initianten der Genossenschaft gehört. Aus den Industriehallen der ehemaligen Fein-Elast Grabher sollen Wohnungen und Werkräume entstehen.

Zwischennutzung für Künstler

Bereits seit 2020 werden die Fabrikhallen zwischengenutzt. Es gibt Künstlerateliers und Werkstätten, in einem anderen Raum wird Musik für internationale Grössen gemixt. Doch das ist erst der Anfang. Die Genossenschafter haben noch viel mehr vor.

«Wir wollen eine Mischnutzung aus Gewerbe, Handwerk, Kultur, Begegnung und Wohnen», so Stockhammer. Alle Mitglieder der Genossenschaft sollen ihre Fähigkeiten in das Projekt mit einbringen. Stockhammer ist Zimmermann und Tiny-House-Bauer. Ebenfalls im Kernteam sind die Architektin Caterina Viguera (35) und der Umweltingenieur Jonas Jakob (32).

Gemeinde unterstützt die Umnutzung

Einen ersten wichtigen Meilenstein hat die Genossenschaft Anfang Jahr erreicht: Im Januar 2022 konnten sie das 8000 Quadratmeter grosse Areal kaufen. Für die Finanzierung mussten die Gründer 3,5 Millionen Franken aufbringen. Dafür suchten sie monatelang nach weiteren Genossenschaftern, Investoren und Spendern, die an ihre Vision glaubten. Auch der Kanton St. Gallen, die Gemeinde Lichtensteig und die Stiftung Edith Maryon unterstützen das Projekt.

«Das Vorhaben ist für Lichtensteig von grosser Bedeutung», sagt Stadtpräsident Mathias Müller (39). Mit der Schliessung der Textilfabrik Fein-Elast seien in der Stadt viele Arbeitsplätze verloren gegangen. «Die Genossenschaft Stadtufer schafft mit ihrem Vorhaben neue Arbeitsplätze und sorgt dafür, dass neues Leben einkehrt», sagt Müller. Die Umnutzung ist auch ein Pilotprojekt. Denn alte Textilfabriken wie diese gibt es viele an den Wasserläufen der Schweiz.

Brücke zwischen Stadt und Land

Die Umnutzung der Fabrik schafft laut dem Stadtpräsidenten zudem eine Brücke zwischen Stadt und Land. «Interessenten für die Räumlichkeiten kommen von überall her – es sind keineswegs nur Leute aus der Region», so Müller. Es seien auch Städter, die die günstigen Räumlichkeiten dafür nutzen wollen, sich zu entfalten.

Für die Gewerberäume bestehen bereits konkrete Pläne. Ein Bioladen, ein Bistro und ein Brocki sollen in die Hallen einziehen. Auch gibt es bereits viele Interessenten, die in den riesigen Fabrikräumen einst wohnen wollen. «Doch nicht jeder, der sich hier eine eigene Loft vorstellen kann, passt auch zu uns», sagt Architektin Viguera.

Ein unkonventionelles Wohnprojekt

Der Gemeinschaftsgedanke stehe bei der Umnutzung an erster Stelle. Auf dem Areal soll neben den Gewerberäumen und Wohnungen viel Gemeinschaftsraum entstehen. Hier werden keine 08/15-Wohnungen gebaut. Im Gegenteil: Das Wohnprojekt soll mit Konventionen brechen.

Bevor die Pläne für die Umnutzung allerdings konkret werden, müssen in einem nächsten Schritt wichtige Sanierungsarbeiten vorgenommen werden. Noch tönt vieles utopisch, was die Genossenschafter mit den riesigen Hallen vorhaben. «Genau so soll es sein», sagt Viguera mit einem Schmunzeln. Die Utopien sollen irgendwann zur Realität werden. «Doch ein bisschen Utopie soll auch bleiben», fügt die Architektin an. Schliesslich bleibe immer Potenzial für Weiterentwicklung.

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