In Deutschland in der Krise, in der Schweiz auf Wachstumskurs
Wie Tchibo von Coop und Migros profitiert

In Deutschland in der Krise, in der Schweiz auf Wachstumskurs: Tchibo plant hierzulande den Ausbau seines Geschäfts.
Publiziert: 30.09.2023 um 17:57 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2024 um 09:34 Uhr
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Tchibo-Shop in der Schweiz: Hauptsächlich kennt man die deutsche Kette als Shop-in-Shop in Coop-Supermärkten.
Foto: PIUS KOLLER
Andreas Güntert
Handelszeitung

Die Welt sah schon besser aus für Tchibo. Der deutsche Händler, der seine Kundinnen und Kunden jede Woche mit einer neuen Themenwelt beglückt, schreibt rote Zahlen. 2022 fuhr das Hamburger Unternehmen bei einem Umsatz von 3,2 Milliarden Euro einen Verlust von 167 Millionen Euro ein – das grösste Minus in der Firmengeschichte, die 1949 begann.

Der firmentypische Mix aus «Kaffee und Krimskrams», wie es die deutsche «Lebensmittelzeitung» nennt, zieht offenbar nicht mehr im gewohnten Masse. Die Folge für den Tchibo-Konzern im Heimmarkt Deutschland: Katzenjammer, Krisenkurs, Job-Kürzungen.

In der Schweiz sieht es anders aus, sagt Marcel Saluz. Was gemäss dem Schweizer Länderchef bedeutet: besser. Zwar darf Saluz keine Umsatz- und Gewinnzahlen herausrücken, aber Folgendes kann er sagen: «In der Schweiz ist Tchibo rentabel unterwegs.» Was dem Schweizer Ableger dabei wohl geholfen haben dürfte und weiterhin hilft: kleinere Inflation, grössere Kaufkraft, stärkere Wirtschaft als im Nachbarland.

Tchibo-Schweiz-Chef: «Wir sind der Underdog»

Gegenüber dem Tchibo-Heimatland Deutschland, wo das Unternehmen mit 550 Tchibo-Filialen und 8000 Shop-in-Shops geschäftet, ist der hiesige Ableger mit 38 Läden und rund 400 Shop-in-Shops, die meisten davon bei Coop, proportional reduziert vertreten. «Hier ist alles kleiner und überschaubarer, wir können sehr agil agieren und reagieren», sagt Saluz.

Da macht es dem Tchibo-Schweiz-Chef auch nichts aus, im hierzulande von den orangen Superkräften Coop und Migros geprägten Gefüge eine eher kleine Nummer zu sein. Ganz im Gegenteil, sagt Saluz: «Mein Vorteil ist: Im Schweizer Detailhandel sind wir der Underdog.»

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.

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Nur klein bleiben ist aber nicht die Devise von Saluz, der vor seinem Tchibo-Schweiz-Start im Februar 2020 bedeutend grossflächiger anrichtete. Damals war er Chef des Coop-City-Warenhauses St. Annahof an der Zürcher Bahnhofstrasse und gebot damit über 10’000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Die Tchibo-Läden sind um den Faktor 50 bis 100 kleiner; hier heisst der Länderchef Kundinnen und Kunden – das Wort «Gäste» ist ihm zwar lieber – auf Flächen von 100 bis 200 Quadratmetern willkommen.

Neue Filialen in der Deutschweiz und der Romandie angestrebt

Wachstumspläne bestehen, bald soll es mehr Filialen geben. Tchibo Schweiz strebt einen grösseren Fussabdruck an. In helvetischer Bescheidenheit sagt Saluz: «Vor dem Wachstum kommt jeweils die Revitalisierung bestehender Läden. Darüber hinaus sehen wir für die nächsten fünf Jahre in der deutschen und der französischen Schweiz Platz für fünf bis zehn neue Filialen.»

Warum eigentlich der Name «Tchibo»?

Tchibo – klingt eher südeuropäisch als hanseatisch. Doch der Firmenname führt nicht auf einen italienischen oder spanischen Familiennamen zurück – sondern auf den deutschen Co-Gründer des Unternehmens.

Der Hamburger Tchibo-Konzern wurde 1949 von Max Herz und Carl Tchilling gegründet. Heute würde sich ein Startup wohl von der Silbe «chill» inspirieren lassen und auf einen besonders chilligen Firmennamen kommen. Aber damals lief es anders. Aus den Anfangsbuchstaben des Nachnamens «Tchilling» und dem Wort «Bohnen» montierten die beiden Firmengründer den Namen «Tchibo».

Michael Herz, der Sohn des Tchibo-Co-Gründers Max Herz, ist heute noch im Business. Dieser Tage wurde Michael Herz 80-jährig. Er verantwortet die Geschäfte der Tchibo-Mutterfirma Maxingvest, der auch rund 51 Prozent am Kosmetikunternehmen Beiersdorf (Nivea) gehören.

Tchibo – klingt eher südeuropäisch als hanseatisch. Doch der Firmenname führt nicht auf einen italienischen oder spanischen Familiennamen zurück – sondern auf den deutschen Co-Gründer des Unternehmens.

Der Hamburger Tchibo-Konzern wurde 1949 von Max Herz und Carl Tchilling gegründet. Heute würde sich ein Startup wohl von der Silbe «chill» inspirieren lassen und auf einen besonders chilligen Firmennamen kommen. Aber damals lief es anders. Aus den Anfangsbuchstaben des Nachnamens «Tchilling» und dem Wort «Bohnen» montierten die beiden Firmengründer den Namen «Tchibo».

Michael Herz, der Sohn des Tchibo-Co-Gründers Max Herz, ist heute noch im Business. Dieser Tage wurde Michael Herz 80-jährig. Er verantwortet die Geschäfte der Tchibo-Mutterfirma Maxingvest, der auch rund 51 Prozent am Kosmetikunternehmen Beiersdorf (Nivea) gehören.

Wenn Saluz in seinen geheimen Schweizer Zahlenkranz blickt, sieht er verschiedene Entwicklungen: «Kaffee erlebt starkes Wachstum, bei Nonfood halten wir die Umsätze, Online läuft weniger gut.» Ist also auch den Schweizern und Schweizerinnen die Lust auf Krimskrams langsam vergangen, hat der Röster mit seinem urtypischen Konzept Rost angesetzt? Ist das Tchibo-Konzept der wöchentlich wechselnden Themenwelten ein Auslaufmodell? Saluz verneint das und verweist auf jene Sortimente, die beständig stark performen: «Immer gut läuft all das, was schnellen Erneuerungsbedarf bringt. Also Kindersachen, Skisportartikel oder Bettwäsche.» Zu vermuten ist, dass andere Themenwelten – oder «Phasen», wie es dem Chef lieber ist – weniger gut laufen.

Zum grundsätzlichen Schweizer Umsatzgefüge sagt Saluz: «70 Prozent Nonfood, 30 Prozent Kaffee, wobei Kaffee in der Tendenz stark wächst.»

Tchibo will mit Mini-Kaffeehäusern expandieren

Klar also, dass der Tchibo-Schweiz-Chef beim Thema Kaffee mehr Gas geben will. Geplant ist, mit einem neuen Format auf den hiesigen Markt zu kommen, das nochmals einiges kleiner ist als die typische Tchibo-Filiale, sagt Saluz: «Zusammen mit Tchibo Österreich haben wir ein Café-Format namens Kaffee Max auf 20 bis 50 Quadratmetern entwickelt, der Pilotbetrieb steht in Wien.»

Expansion auch in der Schweiz angedacht: Tchibos Mini-Kaffeehaus Max, hier in Wien.
Foto: Bild: pd

Am Bauernmarkt, im 1. Gemeindebezirk Wiens, brüht das auf, was bald auch der Schweiz blühen soll. Was Saluz vorschwebt, sind Kaffee-Zwischenstopps, wie man sie hierzulande etwa von der Valora-Tochter Caffè Spettacolo und den erfolgreichen Kaffee-Newcomern Vicafe kennt: «Wenn möglich servieren wir über ein Kaffee-Fenster; wenn es vom Platz her passt, sind auch bis zu zehn Sitzplätze möglich.» Der Tchibo-Schweiz-Chef drängt mit dem Mini-Konzept an Lagen, die wohl auch für alle anderen Kaffee-Player, von Starbucks über Vicafe bis hin zu lokalen Kaffee-Champions, im Fokus sind: «Interessant sind für uns urbane Lagen wie etwa an Bahnhöfen oder an Einkaufsstrassen; da sind wir aktuell aktiv auf der Suche nach Standorten.»

Angst vor der Konkurrenz? Nicht die Bohne, sagt Saluz: «Unser Ziel ist, dass wir im ersten Semester 2024 Kaffee-Max-Standorte eröffnen.» Wie viele und wo? Das bleibt vorderhand noch sein Geheimnis.

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