Blick: Wie gross ist das Risiko für einen Crash im Immobilienmarkt – dass die Preise für Eigenheime und Mehrfamilienhäuser schnell und stark fallen?
Kathy Steiner: Infolge der aktuellen Zinssteigerungen erwarten wir eine gewisse Korrektur bei der Entwicklung der Immobilienpreise. Dabei werden reine Renditeobjekte, die spekulativ erworben und mit Maximalbelastungen versehen wurden, sicherlich stärkere Korrekturen erfahren. Ein veritabler Crash wie in den 90er Jahren ist jedoch unwahrscheinlich, die Eigentümerinnen und Eigentümer informieren sich heute besser und reagieren frühzeitiger.
Wie definieren Sie eine faire Miete?
Unsere Organisation Casafair definiert eine Miete dann als fair, wenn sie alle effektiv anfallenden Kosten der Eigentümerschaft deckt und einen moderaten Ertrag bringt. Es wirken sich also hauptsächlich die Anlagekosten sowie die Ausgaben bezogen auf das jeweilige Objekt bestimmend auf die Mietpreise aus. Eine faire Miete ist demnach nicht per se günstig, sie kann aber in jedem Fall gegenüber der Mieterschaft transparent und nachvollziehbar dargelegt werden. Kurzum: In einem fairen Mietverhältnis begegnen sich die beiden Parteien auf Augenhöhe.
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Die Mieten steigen, und zwar sowohl im freien Markt wie auch bei laufenden Verträgen. Wie stark werden sie sich in den nächsten Jahren erhöhen?
Nach 15 Jahren geht die Ära der Tiefzinsen jetzt zu Ende, genaue Prognosen sind aber schwierig. In den nächsten zwei bis drei Jahren rechnen wir mit weiteren Hypothekarzinsanstiegen und Mietzinserhöhungen. Wenn sich der Referenzzinssatz beispielsweise um 3 bis 3,5 Prozent einpendelt, würde das einen starken Anstieg der Mieten bedeuten.
Die Angst vor einer Wohnungsnot geht um. Wo sollte man ansetzen, um diese Gefahr abzuwenden?
Problematisch wirken sich sowohl die hohen Wohnkosten wie auch die tiefe Leerwohnungsziffer aus. Um die unhaltbare Mietpreisspirale einzudämmen, fordert Casafair die Abschaffung der Bestimmung, wonach bei jedem Mieterwechsel der Mietzins aufgrund «Orts- und Quartierüblichkeit» erhöht werden kann. Auch sollten Gemeinden ihr Land grundsätzlich nicht veräussern, sondern einer geeigneten Eigentümerschaft im Baurecht abgeben und damit der Spekulation entziehen.
Wie lauten Ihre anderen Rezepte, um mehr Wohnungen zu schaffen?
Es sind verschiedene Massnahmen nötig. Zum einen besteht im Gebäudebestand noch ein grosses Verdichtungspotenzial in Form von Anbauten oder Aufstockungen. Die Erweiterung von Wohnraum erleichtert die Finanzierung der Erneuerung und kann den Mietzinsanstieg abmildern. Zum anderen können Gemeinden die innere Verdichtung mit Auf- und Umzonungen gezielt fördern. Zudem ist heute auch viel Wohnraum unternutzt. Deshalb sollte der Wohnflächenverbrauch mit einem modularen und flexibleren Wohnbau besser den verschiedenen Lebenssituationen angepasst werden können. Und schliesslich müssen die Reglementierungen für den Wohnungsbau überprüft werden, zum Teil sind sie aufgrund neuer politischer Entscheide überholt.
Aus Sicht des Mieterinnen- und Mieterverbands sind die Mieten in den letzten Jahren höher gestiegen als gesetzlich erlaubt. Er stützt sich dabei auf entsprechende Studienresultate. Hat die Immobilienbranche in den Jahren mit Negativzinsen die Renditen übermässig erhöht?
Die Senkungen des Referenzzinssatzes wurden sicherlich nicht bei allen Mietverhältnissen weitergegeben. Wenn dort Teuerung und Kostensteigerung trotzdem überwälzt wurden, sind die Mieten zu stark erhöht worden. Dazu können wir aber keine pauschale Aussage machen, jeder einzelne Fall muss individuell angeschaut werden. Der grösste Treiber bei den Wohnkosten bleibt jedoch – wie bereits erwähnt – eine übermässige Mieterhöhung nach Mieterwechsel ohne nachvollziehbare Gründe.
Wo in der Schweiz lässt sich heute am ehesten ein bezahlbares Eigenheim finden?
In strukturschwächeren Regionen findet keine starke Bautätigkeit statt. Deshalb lassen sich günstigere Eigenheime eher in ländlich geprägten Gebieten finden. Damit einhergehend sind weniger Arbeitsplätze und eine beschränkte Infrastruktur wie ÖV oder Einkaufsmöglichkeiten in Kauf zu nehmen.
In der Schweiz sind Immobilien grösstenteils im Besitz der älteren Generationen. Ist dieser Generationengraben im Immobilienmarkt aus gesellschaftlicher Sicht ein Problem?
Wir beobachten durchaus einen Generationenwechsel beim Wohneigentum. Viele sogenannte Babyboomer stellen sich heute schon die Frage nach dem Wohnen im Alter. Sie planen frühzeitig den Verkauf ihres Eigenheims oder die Übergabe an die jüngere Generation. Im Alter können das Haus und die damit verbundene Arbeit zur Belastung werden, was dann den definitiven Ausschlag zum Wechsel gibt. Oftmals verbleibt die ältere Generation aus wirtschaftlichen Gründen im Eigenheim. Ist die Hypothek nur noch klein oder gar nicht mehr vorhanden, käme das Wohnen in einer Mietwohnung deutlich teurer.
Mieten oder kaufen – wie fällt die Antwort auf diese Frage mit Blick auf die Gesamtschweiz aktuell aus?
Zurzeit befinden wir uns in einer Zwischenphase. Ganz klar hat bis jetzt das Eigenheim günstiger abgeschnitten, wenn die finanziellen Grundmittel dafür vorhanden waren. Wenn die Hypothekarzinsen weiterhin steigen, wird Miete wieder attraktiver.Für die Einzelnen bleibt – unbesehen ob Miete oder Kauf – die bestimmende Frage, inwieweit die jeweilige Wahl finanziell tragbar ist.
Kathy Steiner beantwortete die Fragen schriftlich.