Auf dem Tisch in der Stube stehen türkischer Tee und bunte Weihnachtsguetsli, die Irem Aydin an diesem Mittwochnachmittag mit ihren zwei Töchtern dekoriert hat. «Wenn wir mal Zeit haben, backen wir gern zusammen», sagt die 44-Jährige und fügt lachend hinzu: «Aber ich nehme immer fertige Backmischungen. Das geht schneller und ist trotzdem fein.»
Leyla (9) möchte dann, dass ihr Vater Tunç (44) einen Trickfilm laufen lässt. Kumru Maya (3) ist noch etwas zerknautscht vom Mittagsschlaf und will sich an ihr Mami kuscheln. «Diese Momente mit der Familie sind sehr wichtig für mich», sagt Irem Aydin und streicht ihrer Jüngsten über den Kopf.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Von Anatolien in die Welt
Aufgewachsen ist Irem Aydin in Sivas in der Türkei, 400 Kilometer östlich von Ankara, auf einer Hochebene, umgeben von Bergen. «Mein Grossvater war Stoffhändler. Ich erinnere mich, wie ich als kleines Mädchen mit den Stoffen spielte und die verschiedenen Textilien durch meine Finger gleiten liess. Dieses Gefühl hat mich geprägt», erzählt sie. Bereits damals träumte Aydin davon, in der Modebranche zu arbeiten. Als junge Frau zog sie nach Istanbul, um zu studieren. Gleich im ersten Studienjahr lernte sie ihren späteren Mann Tunç kennen. «Das war 2000, seitdem sind wir zusammen – und noch immer sehr glücklich.»
Nach dem Studium arbeitete Irem Aydin für ein Textilhandelsunternehmen im Qualitätslabor in der Türkei. «Ich habe Stoffe getestet und analysiert. Kein Traumjob, aber ein solider Einstieg.» Ihr Mann zog für das Ingenieur-Masterstudium in die USA und später für die Doktorarbeit nach Deutschland. Das Paar führte mehrere Jahre eine Fernbeziehung, bis sich Irem Aydin entschied, nachzukommen und für Hugo Boss zu arbeiten. «Ich konnte damals kein einziges Wort Deutsch, aber ich bekam einen privaten Sprachcoach und hatte grossartige Chefs, die an mich geglaubt haben.»
«Ohne Nanny könnten wir unsere Jobs nicht so ausüben»
2011 zog Tunç in die Schweiz, weil er einen Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Disney Research bekam. Irem blieb noch zwei Jahre in Deutschland, bevor auch sie nach Zürich zog. Sie erhielt eine Stelle bei Charles Vögele. «Ich wusste damals nicht viel über die Schweiz, aber es hat mir hier von Anfang an gut gefallen.»
Ihre beiden Töchter kamen in der Schweiz zur Welt und sprechen Mundart, auch die Mutter besuchte einen Kurs. Zu Hause sprechen die Aydins weiterhin Türkisch, genau wie die Nanny. «Ohne ihre Hilfe könnten wir beide unsere Jobs nicht so ausüben.» Die Organisation des Familienlebens ist dennoch ein Balanceakt. «Wir setzen uns jede Woche zusammen und besprechen, wer was macht», sagt sie. «Ohne die Unterstützung meines Mannes, der immer an mich geglaubt hat, wäre ich nicht hier.» Er ergänzt: «Meine Frau ist ein grossartiges Vorbild für unsere Töchter. Ich bin sehr stolz auf sie.»
Neue Wege bei Calida
Vor knapp zwei Jahren beginnt Irem Aydin ihre Karriere bei Calida, seit einem halben Jahr steht sie an der Spitze des 1941 gegründeten Unternehmens. «Calida steht für Qualität und Tradition – Werte, die mir sehr am Herzen liegen. Mir gehts nicht darum, jedem Trend hinterherzujagen», erklärt sie. «Langlebigkeit ist der Kern unserer Marke. Wir führen ein grosses, zeitloses Basic-Sortiment, und jedes Jahr kommen zwei saisonale Kollektionen raus, um auch die Trends aufzugreifen.»
Besonders stolz ist Aydin darauf, dass Calida ausschliesslich in Europa produziert. Die eigene Produktionsstätte befindet sich seit 2003 in Ungarn. Am Hauptsitz in Sursee LU sind rund 350 Mitarbeitende beschäftigt. Die Hälfte des Jahresumsatzes wird ausserhalb der Schweiz erzielt.
In ihrem ersten Jahr als Geschäftsführerin möchte Irem Aydin alle 47 Filialen in der Schweiz besuchen. «Ich will wissen, was die Kundinnen, aber auch meine Mitarbeitenden über das Produkt denken – und was sie von mir erwarten.» Sie packt auch gern selber an: In einer Filiale in Frauenfeld etwa hat sie kürzlich eine Kundin beraten und gleich ihren ersten BH verkauft.
Klassiker zu Weihnachten
«Eine persönliche, individuelle Beratung ist wichtig. Der Moment in der Umkleide ist für viele Kundinnen sehr intim.» Das Onlinegeschäft möchte sie ausbauen, aber die Läden bleiben wichtig. «Unterwäsche ist das Kleidungsstück, das dem Körper am nächsten ist. Ich finde es wichtig, dass unsere Kundschaft die Stoffe spürt.»
«Inzwischen trägt meine ganze Familie nur noch Calida-Pischis. Sie fühlen sich einfach so weich und komfortabel an», schwärmt Irem Aydin. Die Pyjamas mit den typischen Bündchen an Hand- und Fussgelenken gehörten jahrzehntelang zu den Klassikern unter den Weihnachtsgeschenken und haben bis heute Kultstatus in der Schweiz. «Ich weiss, dass sie bei vielen nostalgische Kindheitserinnerungen wecken. Das gefällt mir sehr gut», sagt sie.
Das Weihnachtsfest feiert Familie Aydin in der Schweiz mit Freunden. «Für uns ist es eine schöne neue Tradition geworden, die ich nicht mehr missen will.»