Der grösste Pharmazulieferer der Welt hat eine turbulente Woche hinter sich: Erst am Montag gab Lonza bekannt, dass CEO Pierre-Alain Ruffieux (53) den Konzern Knall auf Fall verlässt. Am Tag darauf kündigte Partner Moderna an, die Produktion des Wirkstoffs für den Covid-Impfstoff in Visp VS einzustellen – auf Ende Monat.
Verwaltungsratspräsident Albert Baehny (70) springt beim Weltkonzern interimistisch als CEO ein – das ist nicht das erste Mal. Blick liefert eine Übersicht über Baehnys Baustellen bei Lonza.
Marge ist stark unter Druck
Dass Lonza den Abgang von CEO Ruffieux kurz vor dem Ende des Moderna-Deals kommuniziert, scheint kein Zufall zu sein. Ruffieux hat sich verkalkuliert. Der CEO musste bereits im Juli die Prognosen fürs laufende Jahr nach unten korrigieren. Daniel Buchta (33), Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, schätzt den Lonza-Umsatz mit Moderna 2022 auf 200 bis 300 Millionen Franken. Das wären bis zu 4,8 Prozent des letztjährigen Umsatzes. Ein Geschäft, das nun zu grossen Teilen wegfällt. Zudem schwächelt auch der Bereich Capsules & Health Ingredients, der beispielsweise Kapseln wie Vitamintabletten herstellt. Ein Grosskunde hat sein Warenlager abgebaut, was sich auf die Marge auswirkt. «Das sind alles Faktoren, die bereits zu Jahresbeginn absehbar waren. Deshalb muss sich Ruffieux die Gewinnwarnung vom Juli anlasten lassen», so Buchta.
Auch Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler (48) geht davon aus, dass Abgang von Ruffieux mit den verpassten Zielvorgaben zusammenhängt. Baehny muss den Konzern nun wieder auf Kurs bringen.
Nächste CEO-Wahl muss sitzen
Albert Baehny sitzt seit 2018 an der Lonza-Spitze und tauscht bereits zum dritten Mal den CEO aus. «Die Wechsel bringen Unruhe in den Konzern. Für ein eigentlich erfolgreiches Unternehmen zeugt diese Häufung nicht gerade von Stabilität», sagt Geissbühler. Baehny ist bekannt dafür, operativ stark ins Geschäft hineinzureden. Zudem ist der Chefposten bei Lonza unter Baehny ein regelrechter Schleudersitz. Das erschwere die Nachfolgesuche, ist der Analyst überzeugt: «Mögliche Nachfolger sehen das auch und werden sich ganz genau fragen, ob sie die geforderten Aufgaben unter diesen Umständen erfüllen können.»
Baehny hat Ruffieux und dessen Vorgänger selbst ausgewählt – und seinen Entscheid nun zum zweiten Mal korrigiert. «Der nächste Griff muss sitzen», sagt ZKB-Analyst Buchta.
Neue Aufträge müssen her
Lonza hält an ihren Milliardeninvestitionen fest und baut auch im Stammwerk in Visp die Produktionskapazitäten weiter aus. Dabei hat sich die Situation bei den fürs Geschäft so wichtigen Biotech-Unternehmen in den vergangenen anderthalb Jahren deutlich verschlechtert. Die Firmen sind wegen der höheren Finanzierungskosten zurückhaltender mit neuen Forschungs- und Entwicklungsprojekten. «Bei Lonza sind deshalb nicht alle Anlagen ausgelastet, was sich negativ auf die Margen auswirkt», sagt Buchta.
Die höheren Zinsen treffen Lonza auch unmittelbar: «Sie verteuern die Refinanzierung der eigenen Schulden», so Geissbühler. Beide Analysten sehen für Lonza in Zukunft jedoch grosse Wachstumschancen. Sofern es Baehny und dem künftigen CEO gelingt, für die neuen Produktionskapazitäten der nächsten Jahre die nötigen Aufträge an Land zu ziehen. Dabei dürfte Baehny vom Moderna-Deal profitieren: Dieser hat den Pharmazulieferer weltweit ins Schaufenster gestellt.