Hauseigentümer-Chef Gmür wird Pfarrer
«Die Party am Immobilienmarkt ist vorbei»

Das Poltern hat ein Ende: Ansgar Gmür geht als Direktor des HEV in Pension – aber nicht in den Ruhestand, sondern an die Uni. Gmür will Pfarrer werden, eine weitere Mission erfüllen. Was ihn antreibt, darüber hat er mit BLICK gesprochen.
Publiziert: 15.09.2018 um 01:11 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2019 um 10:56 Uhr
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Christian Kolbe

Die Hauseigentümer verlieren ihren Schutzpatron. Freitag war der letzte Arbeitstag von Ansgar Gmür (64) als Direktor des Hauseigentümerverbandes (HEV) Schweiz. In fast zwei Jahrzehnten (ab Mai 2000) an der Spitze hat Gmür den Verband zu einer der mächtigsten Lobby-Organisationen des Landes gemacht. Seine Schlachten mit dem Mieterverband sind legendär. Wer als Journalist den Fehler machte, nur die Perspektive der Mieter – die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung – zu berücksichtigen, der erhielt umgehend einen aufgeregten Anruf von ihm.

Uni statt Ruhestand

Mit rhetorischem Geschick gesegnet und missionarischem Eifer gelang es Gmür, die Anliegen der Hauseigentümer tief im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Doch ein Getriebener wie er geht nicht in den Ruhestand – sondern an die Uni. Der ehemalige Katholik, der sich zeitweise von der Kirche, aber nie von Gott abgewandt hat, wie er sagt, will reformierter Pfarrer werden. Und drückt ab Montag in Vollzeit mit Studenten, die vom Alter her seine Kinder sein könnten, wieder die Schulbank: an der theologischen Fakultät der Universität Zürich im Zürcher Grossmünster. Die Fächer Althebräisch und Altgriechisch hat er bereits abgeschlossen, auch wenn ihm das Pauken der Vokabeln enorm schwergefallen sei.

Bergbauernsohn aus Amden SG

Ansgar Gmür (64) ist als Bergbauernbub in Amden SG aufgewachsen. Nach einer Lehre als Chemielaborant holte er die Matura auf dem zweiten Bildungsweg nach. Während des Wirtschaftsstudiums arbeitete Gmür als Taxifahrer, Nachtportier, Kassierer, Putzmann, Lehrer und Ausbildner. Gmür blickte auf eine lange Karriere bei verschiedenen Verbänden zurück, als er im Mai 2000 Direktor des Hauseigentümerverbandes (HEV) Schweiz wurde. Nun geht er statt in den Ruhestand an die Uni. Der Hobby-Bauchredner ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Töchtern.  

Ansgar Gmür (64) ist als Bergbauernbub in Amden SG aufgewachsen. Nach einer Lehre als Chemielaborant holte er die Matura auf dem zweiten Bildungsweg nach. Während des Wirtschaftsstudiums arbeitete Gmür als Taxifahrer, Nachtportier, Kassierer, Putzmann, Lehrer und Ausbildner. Gmür blickte auf eine lange Karriere bei verschiedenen Verbänden zurück, als er im Mai 2000 Direktor des Hauseigentümerverbandes (HEV) Schweiz wurde. Nun geht er statt in den Ruhestand an die Uni. Der Hobby-Bauchredner ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Töchtern.  

Bekannt wie ein bunter Hund 

Kurz vor dem Semesterbeginn trifft BLICK Gmür im Schatten des Grossmünsters in der Zürcher Altstadt. Auch hier ist der schillernde Ex-Lobbyist bereits bekannt wie ein bunter Hund. Ständig wird das Gespräch unterbrochen: Ein Mitstudent ermuntert ihn, sich nicht so strikt an die Ratschläge des Seminars zu halten, auch das eine oder andere HEV-Mitglied hält am Tisch für einen kurzen Schwatz inne.

Ansgar Gmür über ...

... Immobilien und Markt! Der Warner

«Die Party am Immobilienmarkt ist endgültig vorbei. Davor warne ich seit Jahren, jetzt nehmen mich die Leute endlich ernst. Es gibt in der Schweiz über 72'000 leerstehende Wohnungen, das sind Verhältnisse wie zu Zeiten der grossen Immobilienkrise in den 1990er-Jahren. Der einzige Unterschied zu damals: Heute sind die Zinsen tiefer, die Banken vorsichtiger und es ist mehr Geld im Markt, es herrscht Anlagenotstand. Das bewahrt uns vor einem grossen Crash – schafft aber neue Probleme: Viele kaufen Wohneigentum, obwohl sie sich das gar nicht leisten können. Und es wird weiter gebaut, die Preise – und die Mieten – werden ins Rutschen geraten. Viele vergessen: Auch der Immobilienmarkt ist ein Markt, da gibt es Zyklen, es ist ein stetes Auf und Ab.»GALLERY:

... Zersiedelung und Verdichtung. Der Verdichter

«Alle reden von der Zersiedelung, dabei sind gerade mal acht Prozent der Landesfläche in der Schweiz überbaut, inklusive Strassen und Eisenbahn. Die Gefahr der Zersiedelung wird durch das Raumplanungsgesetz verhindert. Alle reden zwar auch von der Verdichtung, doch nichts passiert: Ein Stockwerk höher in den Städten oder eine bessere Ausnutzung bestehender Bauten, das würde schon sehr viel bringen. Das Gerede von der Zersiedelung hätte ein Ende.» 

... Erfolg und Misserfolg. Der Missionar

«Für die Abschaffung des Eigenmietwerts habe ich immer missioniert. Ich habe eine Initiative lanciert, die aber knapp abgelehnt wurde: ein grosser Misserfolg, eine Riesenenttäuschung. Kaum verlasse ich den HEV, ist die Vorlage wieder auf dem Tisch, jetzt müssen aber die Politiker ran, das Feld ist bestellt, andere können nun hoffentlich die Ernte einfahren. Ein Erfolg für mich ist, dass es meinen Kindern besser geht als mir in meiner Jugend. Das war mein grosses Ziel. Und ein Erfolg ist es auch, dass der HEV grösser und mächtiger ist denn je. In meiner Amtszeit ist die Zahl der Mitglieder um fast 100'000 angewachsen.» 

... Freund, Feinde und Geschäfte. Der Löwe

«Die meisten Mietervertreter haben gar nicht auf meinen Rücktritt reagiert, obwohl ich ihnen nun nicht mehr länger das Leben schwermache! Meine Gegner haben meine Hartnäckigkeit ebenso geschätzt wie meine lustige Seite. Ein dummer Spruch zur richtigen Zeit kann vieles auflockern. Aber in der Sache habe ich gekämpft wie ein Löwe, Kopf runter und durch. Enge Freunde hat man wenig, aber dafür für lange! Die Enttäuschung ist riesig, wenn solche Beziehungen aufbrechen. Ich bin sehr konservativ aufgewachsen, für mich gilt auch im Geschäftsleben: Ein Wort ist ein Wort, man ist ehrlich, man lügt den anderen nicht an, man muss nicht alles sagen, was man weiss, aber man lügt den anderen nicht an!»

... Eigentümer und Mieter. Der Risikonehmer

«Der Eigentümer ist häuslich, sparsam und sesshaft. Im Gegensatz zur Schnecke können wir unser Haus ja nicht einfach mitnehmen. Der moderne Mieter ist ein Wandervogel, ist mobil, wohnt mal hier, mal da. Die Wohnung ist für ihn ein Verbrauchsgegenstand, er muss sich nicht um Renovationen kümmern. Der Mieter wohnt, der Eigentümer lebt an einem Ort. Das mag auf den ersten Blick kein grosser Unterschied sein, für mich aber schon: Der Eigentümer ist in seiner Immobilie zu Hause, für den Mieter ist es ein Leben auf Zeit an diesem Ort. Das predige ich auch meinen Kindern: Der Vermieter stellt dir etwas zur Verfügung, damit geht man entsprechend achtsam um. Als Mieter profitiert ihr davon, dass der Eigentümer mal ein Risiko genommen und ein Haus gebaut hat.»

... Religion und Ruhestand. Der Ökumenische

«Ich stamme aus einer erzkatholischen Familie. Aber ich habe herzlich wenig übrig für die Grabenkämpfe zwischen den christlichen Glaubensrichtungen. Ich glaube, ich wäre ein guter ökumenischer Pfarrer. Die gemeinsame Basis ist die Bibel und das Zentrum Gott. Der hat mir ein Talent gegeben: Ich bin ein grosser Schnurri. Dieses Talent will ich nun in den Dienst der Christen stellen, etwas für Gott tun. Ich bin nicht der Typ, der einfach zu Hause sitzt und nichts tut. Wenn ich nicht arbeite, schlafe ich. Aber man kann ja nicht die ganze Zeit schlafen! Ausbildung und Wirtschaftsstudium habe ich selbst finanziert, immer gearbeitet. Nun habe ich genug Geld, um einfach nur zu studieren. Das geniesse ich!»

... Armut und Aufstieg. Der Tellerwäscher

«Ich bin als Bergbauernbub in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Mein Vater hat mir gedroht: ‹Wenn du aus der Lehre fliegst, dann musst du gar nicht mehr nach Hause kommen.› Das prägt! Meine erste Wohnung in Zürich hatte weder Heizung noch Warmwasser. Dafür war sie billig. Nach der Lehre als Chemielaborant verdiente ich gut. Doch anstatt mit den Kollegen Party zu machen, habe ich für die Abendmatura gebüffelt. Ich wollte raus aus diesen Verhältnissen, das hat mich angetrieben. Ich wollte den Überlebenskampf meiner Jugend hinter mir lassen. Das habe ich geschafft – das ist nicht nur gut fürs Portemonnaie, sondern auch fürs Ego. Gott sei Dank!»

... Manager und Moneten. Der Unternehmerpfarrer

«Als Junger war Geld enorm wichtig für mich. Das ist heute anders, ich habe ja auch genug davon, habe gespart. Nach meiner Ausbildung zum Pfarrer kann ich keine Pfarrstelle antreten, dafür bin ich zu alt. Aber ich kann als Aushilfe arbeiten, als Springer, wie es in der Industrie heisst. Als Pfarrer für Unternehmer, wie einige schon vorgeschlagen haben. Ein normaler Pfarrer wird gleich abgeputzt, wenn er Managern ins Gewissen reden will: Sie mussten ja noch nie Umsatz und Gewinn bolzen – doch ich weiss, wovon ich rede. Ich will die Manager nicht bekehren, aber zum Nachdenken anregen, dass es neben dem unternehmerischen Erfolg auch noch andere Dinge gibt im Leben – und Gott!»

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