Es ist die Art Thema, an der sich die Gemüter gern erhitzen. Geniessen Eltern bei der Ferienplanung gegenüber kinderlosen Kollegen Vorrang?
Viele glauben: ja. Und antworten auf diese Frage mit einem empörten Redeschwall: «Wie und wann soll ich bitte sonst mit meinen Kindern verreisen, wenn nicht während der Schulferien?»
Fakt ist: Eltern sind durch die Ferien ihrer Kinder in der Planung eingeschränkt. Doch ist es fair, wenn Kinderlose bei Reiseplänen in der Hauptsaison generell den Kürzeren ziehen?
Nein, findet Tanja* (35): «Ich habe zwar keine Kinder, möchte aber auch im Sommer freie Tage geniessen und wünsche meine Ferien nicht immer nur ausserhalb der schönsten Saisons beziehen zu dürfen!»
Arbeitgeber muss auf Bedürfnisse Rücksicht nehmen
Wer wann seine Ferientage bezieht, entscheidet grundsätzlich die arbeitgebende Firma. Sie muss aber auf die Bedürfnisse ihrer Angestellten Rücksicht nehmen. Der Schweizerische Arbeitgeberverband schreibt auf Anfrage: «Die Arbeitgeber versuchen bei der Urlaubsvergebung die Bedürfnisse der Mitarbeitenden mit schulpflichtigen Kindern bestmöglich zu berücksichtigen. Wichtig ist aber, dass die anderen Mitarbeitenden nicht benachteiligt werden.» Die Antwort zeigt: Es handelt sich um eine heikle Angelegenheit.
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Schon ein Blick auf die gängige Handhabung in Schweizer Firmen und Behörden macht deutlich, dass man sich in dieser Frage uneinig ist. Im Kanton Luzern ist in der Personalverordnung geregelt, dass Eltern schulpflichtiger Kinder in der Ferienzeit ein Vorrecht auf Bezug von Ferientagen haben.
Hilfreiche Unterschiede bei den Schulferien
Konflikte in Bezug auf den Vorrang der Eltern seien bekannt, lässt ein Sprecher auf SonntagsBlick-Anfrage verlauten. Beim Pharmakonzern Novartis geniessen Mitarbeitende mit schulpflichtigen Kindern ebenfalls Vorrang in der Ferienzeit. Hilfreich für die konfliktfreie Koordination sei, dass die Mitarbeitenden in verschiedenen Kantonen und im grenznahen Ausland wohnen und daher die Zeit der Schulferien variiert, so Sprecher Satoshi Sugimoto: «Da während der Schulferien die Preise und das Reiseaufkommen am höchsten sind, neigen zudem viele Mitarbeitende ohne Schulkinder dazu, ihren Urlaub ausserhalb der Hochsaison zu planen.»
Bei Post, Migros, Nestlé und Swisscom hingegen gibt es in der Ferienplanung keine Bevorzugung bestimmter Gruppen. Dazu Migros-Sprecherin Carmen Hefti: «Die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben ist uns sehr wichtig. Dies gilt für alle Mitarbeitenden gleichermassen, ob mit oder ohne Kinder.»
Auch Kinderlose haben zeitliche Einschränkungen
Auch für die Angestellten des Kantons Bern besteht keine personalrechtliche Regelung. «Wir können uns auch nicht vorstellen, dass ein solcher Anspruch praktikabel wäre», schreibt ein Verantwortlicher.
Dennoch werde bei der Ferienplanung auf den Umstand Rücksicht genommen, dass einzelne Mitarbeitende aufgrund ihrer familiären Situation oder anderer besonderer Umstände in ihrem Privatleben eingeschränkt sind. «Konflikte sind in Einzelfällen sicher nicht ausgeschlossen. Das würde aber auch eine Regel nicht verhindern können», heisst es vonseiten des Kantons.
Jessica Silberman Dunant, Präsidentin von HR Swiss, dem Schweizerischen HR-Verband, gibt zu bedenken, dass auch kinderlose Angestellte teilweise mit gewissen zeitlichen Einschränkungen planen müssen: «Es gibt Mitarbeiter ohne Kinder, deren Partner oder Partnerin zwangsmässig zu einer gewissen Zeit Ferien nehmen muss, etwa wenn der Betrieb schliesst, was oft auch während den Schulferien der Fall ist.»
Lösungen dank gutem Menschenverstand
Laut Auskunft des Personalberaters und Sozialpsychologen Lucas Zehnder führt die Ferienplanung generell häufig zu Konflikten: «Damit die Koordination von allen Beteiligten als fair empfunden wird, ist viel Fingerspitzengefühl gefordert.» Müssten kinderlose Angestellte während der Schulferien prinzipiell hintanstehen, berge dies Frustrationspotenzial. «Jeder kann für sich selbst entscheiden, ob er Kinder will oder nicht. Daher tendiere ich eher zu der Devise: gleiche Rechte für alle», so Zehnder.
Er befürworte es aber, wenn man sich gegenseitig im Team entgegenkomme, betont der Sozialpsychologe. Im Namen von HR Swiss plädiert Jessica Silberman Dunant nachdrücklich für Konzilianz: «Mit gutem Menschenverstand werden Lösungen und Kompromisse gefunden.»
*Name geändert