Gutachter untersuchten Bankgeheimnisverletzung
War es ein privater Racheakt gegen Pierin Vincenz?

Ein Untersuchungsbericht einer Anwaltskanzlei zur Affäre Pierin Vincenz gibt zu reden. Im Auftrag der Julius Bär durchforsteten die Gutachter Computer, Smartphones und auch E-Mails. Die grosse Frage: Wer hat Pierin Vincenz verraten?
Publiziert: 28.11.2021 um 12:57 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2021 um 13:43 Uhr
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Im Januar beginnt der Prozess gegen Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz.
Foto: Keystone

Für Pierin Vincenz gilt es bald ernst. Im kommenden Januar muss sich der Ex-Raiffeisen-Chef zusammen mit seinem ehemaligen Geschäftspartner Beat Stocker und fünf Mitangeklagten vor Gericht verantwortet. Die Anklage lautet auf gewerbsmässigen Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und passive Bestechung. Die Staatsanwaltschaft fordert: Vincenz soll für sechs Jahre ins Gefängnis.

Vieles bleibt an der Affäre Vincenz bis heute unklar. Eine der grössten Fragen überhaupt: Wer lieferte den Ex-Raiffeisen-Boss im Sommer 2016 ans Messer? Und weshalb? Der «NZZ am Sonntag» liegt ein Untersuchungsbericht einer Zürcher Anwaltskanzlei vor, die im Auftrag der Bank Julius Bär aktiv worden ist.

E-Mails, Smartphones und Computer durchforstet

Die Gutachter des Projekts mit dem Namen «Van Gogh» gingen dem «Verdacht auf mehrfache Verletzung des Bankkundengeheimnisses und/oder Geschäftsgeheimnisses» nach. Die Julius-Bär-Verantwortlichen wollten herausfinden, wer dem Finanzjournalisten Lukas Hässig und seinem Portal «Inside Paradeplatz» die notwendigen Insiderinformationen gesteckt hat, die 2016 zu mehreren Artikeln geführt haben.

Laut der «NZZ am Sonntag» werden im 72-seitigen «Van Gogh»-Bericht alle Abklärungen der externen Anwälte beschrieben. In einem ersten Schritt ermittelten sie diejenigen Personen in der Bank Julius Bär, die potenziell Kenntnis und Zugang zu den Insiderinformationen hatten. Eine Liste von 30 Personen entsteht, die schon bald gekürzt werden kann. E-Mails, Smartphones, Festnetztelefone und Computer werden vom «Van Gogh»-Team in der Folge durchforstet. Im Sommer 2017 – ein Jahr nach Beginn der Untersuchung – werden noch sechs Personen verdächtigt.

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War es ein privater Racheakt?

Das Ergebnis des «Van Gogh»-Berichts: Gegen niemanden der sechs Personen konnte ein «harter Beweis» für die Bankgeheimnisverletzung gefunden werden. Doch die Autoren hatten laut der Zeitung wohl einen Verdacht. «Es konnten einige Umstände erstellt werden, die indizieren, dass die mutmassliche Quelle der entsprechenden Artikel heute nicht mehr bei der Bank Bär arbeitet», folgerten sie.

Es werden zahlreiche Indizien aufgeführt – wie beispielsweise geführte Telefonate mit dem Journalisten Lukas Hässig. Im Zentrum steht der Verdacht eines privaten Racheakts, ausgeführt durch eine damals hochrangige Person bei Julius Bär. Die «NZZ am Sonntag» greift einige Indizien auf und spekuliert – doch weder der Anwaltskanzlei, Julius Bär noch der Zeitung gelingt eine zweifelsfreie Überführung des Verdächtigen.

Ob die Fragen im Januar beim Prozess beantwortet werden, bleibt abzuwarten. Denn in erster Linie geht es dort um die Frage, ob Pierin Vincenz illegale Geschäfte getätigt hat. Für sämtliche Angeklagte gilt auch fünf Jahre nach Bekanntwerden der Affäre die Unschuldsvermutung. (nim)

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