Die Experten sind sich einig: «Basel ist attraktiv», heisst es unisono, «ein prosperierender Wirtschaftsstandort, der internationale Zuzügler anzieht, mit viel Leben in der Innenstadt.» Das war nicht immer so. Andreas Zappalà, Geschäftsführer beim Hauseigentümerverband Basel (HEV Basel-Stadt), erinnert sich an die Zeit in den Nullerjahren, als es eine Stadtflucht gab.
«Speziell Familien verliessen Basel und zogen ins angrenzende Baselbiet. Erst seit 2005 ist der Wanderungssaldo wieder Jahr für Jahr positiv. Das heisst, mehr Menschen ziehen in die Stadt, als dass sie wegziehen. Heute findet man alles in Basel: Quartiere, die hip und urban sind, elitäre Stadtteile, diskrete, familienfreundliche, bezahlbare.
19 Prozent in 5 Jahren
Es hat sich viel getan in der Stadt am Rheinknie. Die Pharmaindustrie zog in der Vergangenheit zahlreiche Expats in die Stadt, eine zahlungskräftige Klientel, die das Stadtbild bunter und internationaler machte. Strassen und Plätze wurden verkehrsberuhigt, Parkplätze aufgehoben, Quartiere aufgewertet. In den Sommermonaten lebt man heute vor allem auf den Strassen. Es wurde saniert und modernisiert, günstiger Wohnraum wurde auf einmal teurer.
In den vergangenen fünf Jahren zogen die Preise für Eigentumswohnungen um 19 Prozent an, wie der Immobilienspezialist Iazi ausgewertet hat. Gegenden, die man früher mied, wurden zu Trendquartieren. Dazu gehören Gundeldingen oder das «Gundeli», wie es die Basler nennen, St. Johann und die Quartiere im unteren Kleinbasel.
Der Leerstand liegt in Basel bei 1,1 Prozent. Eine Zahl, die nicht nach Wohnungsnot schreit. Um einiges ungemütlicher ist der Leerstand in Bern mit 0,57 Prozent oder in Zürich mit 0,07 Prozent. «Man findet natürlich keine günstigste Wohnung an bester Lage direkt am Rhein», sagt Andreas Dürr, Anwalt für Immobilien- und Baurecht bei Battegay Dürr und Präsidiumsmitglied des Schweizerischen Verbands der Immobilienwirtschaft (Svit).
«Doch grundsätzlich hat man keine Probleme, in Basel etwas zu finden.» Zumindest was Mietwohnungen angeht. Bei Wohneigentum wird es schwieriger. Das zeigt sich an der Wohneigentumsquote. Darunter versteht man den Anteil der von Eigentümern selbst bewohnten Wohnungen. Dieser bewegt sich auf Rekordtief, bei 16 Prozent. Schweizweit ist die Wohneigentumsquote bei 36 Prozent, im angrenzenden Kanton Basellandschaft liegt sie bei 44 Prozent.
«Gundeli» ist in
Andreas Zappalà, Geschäftsführer beim HEV Basel, hat zwei Töchter. Sie sind unlängst ins «Gundeli» und ins Kleinbasel gezogen. Sie stehen stellvertretend für eine Generation, die dorthin zieht, wo es urban und trendy ist. «Gündülü», die scherzhafte Bezeichnung für das ehemalige Arbeiterquartier, ist verschwunden.
Heute ist das «Gundeli» ein Schmelztiegel der Kulturen, Ausgeh- und Flaniermeile, mit dem rauen Industriecharme des Dreispitz-Areals. Das Quartier auf der Rückseite des Bahnhofs SBB, das sich bis hin zum Bruderholz-Hügel im Süden der Stadt zieht, ist heute wohl der sich am stärksten entwickelnde Stadtteil Basels. «Das urbane Leben drängt ins ‹Gundeli› und hat die Arbeiterbevölkerung verdrängt», meint Andreas Dürr.
«Das ‹Gundeli› ist aktuell eines der gefragtesten Quartiere in Basel», bekräftigt Andreas Biedermann, Präsident Svit beider Basel und Geschäftsführer Berger Liegenschaften AG. Dank der Nähe zum Hauptbahnhof, der Aufwertung mit vielen neuen Gebäuden und Einkaufsmöglichkeiten. Über den Gundeli-Trail führt eine Nordic Walking- und Jogging-Route bis zum Bruderholz. Wenn die Menschen abends in den Boulevardcafés vor ihren Apéros sitzen und der Wind durch die Bäume am Tellplatz fährt, der noch vor wenigen Jahren menschenleer war, fühlt man sich beinahe wie in den Ferien.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
St. Johann für Trendsetter
Will man es trendig, muss man ins St. Johann. Das Quartier an der Grenze zu Frankreich, in unmittelbarer Nähe zum Flughafen, begann sich zu verändern, als der Pharmamulti Novartis entschied, just im ehemaligen Arbeiterquartier seinen Hauptsitz umzubauen. Wo früher noch chemische Produktion war, befindet sich heute der «Campus» mit seinen schicken Bürogebäuden.
Jahrelang wurde dieser tunlichst vor der Öffentlichkeit abgeschottet, einst öffentliche Strassen waren sogar an die Novartis verkauft worden. Mittlerweile ist Öffentlichkeit jedoch erwünscht. Sie steht stellvertretend für die «wyyti Wält», der sich das Quartier öffnet. Man schlendert den Rheinuferweg entlang, an dem man das Dreiland zu Fuss erkunden kann, oder trifft sich im St. Johanns-Park, einem beliebten Treffpunkt im Quartier.
Gleichzeitig wurde die neue, vielbefahrene Nordtangente unter den Boden verlegt, das Quartier verkehrsberuhigt. Die Gassen und Strassen versprühen jedoch weiterhin den ursprünglichen Charme des Quartiers. «Die Entwicklung in St. Johann begann früher als im ‹Gundeli›», sagt Immobilien-Anwalt Andreas Dürr. «Deshalb vermutlich steht das ‹Gundeli› derzeit mehr im Fokus. Doch St. Johann bleibt trendig, gerade auch, weil es noch bezahlbar ist.»
Iselin oder Bachletten für Familien
Für Familien mit Kindern gibt es mehrere Quartiere zur Wahl. «Wer nicht so viel Geld hat und trotzdem ein Eigenheim möchte, ist mit dem Iselin-Quartier gut beraten», meint Anwalt Andreas Dürr. Höherpreisig ist das Paulus-Quartier oder das Bachletten, wie es offiziell heisst. «Die Villen dort sind noch älter als in anderen Quartieren, das gibt dem Quartier einen besonderen Charme und es eignet sich ebenso gut zum Leben für Familien.» Hier gibt es Ein- und Mehrfamilienhäuser neben alten Villen, Alleebäumen und Gartenlagen.
Man entkommt dem wilden Treiben der Stadt und ist doch nicht «ab vom Schuss», sondern schnell im Zentrum. Die zahlreichen Parks laden zum Verweilen ein, zahlreiche Freizeitmöglichkeiten bieten sich an. Der Sonntagsausflug in nächster Nähe geht ins Freibad Bachgraben oder in den Zolli, den historischen Tierpark von Basel.
Mehr zu Immobilien
Luxus im Gellert und auf dem Bruderholz
Teuer hingegen lebt es sich im Gellert oder dem Bruderholz. Das Gellert ist ein Stadtviertel im Osten des St. Alban-Quartiers. Hier wohnt traditionellerweise «der Daig», sprich der Teig, also der alte Geldadel der Stadt mit Familiennamen wie Oeri, Sarasin oder Merian. Im Gellert liegt der Mittelwert des Vermögens bei den Veranlagungen bei rund 2 Millionen. Eine grosse Auswahl an Wohnungen gibt es jedoch nicht.
«Im Gellert ist es schwierig, Änderungen herbeizuführen», sagt Andreas Zappalà, Geschäftsführer HEV. «Die Grundstücke lassen von der Ausnutzung her nicht viel zu, dementsprechend wenig wird gebaut.» Mit dem Effekt, dass die Preise hoch bis unerschwinglich sind und selten eine Wohnung frei wird. Wenn doch, kommt sie meist gar nicht auf den Markt.
Anders auf dem Bruderholz. Allein schon geografisch. Das Bruderholz thront erhaben über der Stadt wie der Balkon einer feudalen Villa mit prächtiger Aussicht. Die Einfamilienhäuser stehen dicht aneinander, auch biedere Genossenschaftshäuser findet man. «Auf dem Bruderholz gibt es die Tendenz, Villen abzureissen und neu mit Stockwerkeigentum zu überbauen», sagt. Andreas Zappalà. «Grund und Boden sind sehr teuer, sodass es nicht rentabel ist, dort Einfamilienhäuser aufzustellen».
Dieses Stockwerkeigentum ist schnell weg. Denn hier trifft eine grosse Nachfrage auf ein knappes Angebot. Teile des Bruderholz gehören ausserdem zur Baselbieter Gemeinde Bottmingen. Dort sind die Preise oft nochmals höher, da die Steuerbelastung je nach Kunde tiefer ist. Auf dem Bruderholz liegt der Mittelwert des Vermögens bei den Veranlagungen bei knapp 1,5 Millionen Franken. In den Kleinbasler Quartieren wie Kleinhüningen und Klybeck bei circa 70’000 Franken.
Quirlig und neuerdings gesellschaftsfähig: Kleinbasel
Entwicklung gab es auch im Kleinbasel, dem Stadtteil am rechten Rheinufer. «Wer im Grossbasel wohnt, zieht nicht ins Kleinbasel und umgekehrt, hiess es früher», sagt Svit-Präsident Andreas Biedermann. «Heute ist das nicht mehr so.» Vieles spricht schon geografisch für das Quartier, sei es seine zentrale Lage, die guten ÖV-Verbindungen oder die Nähe zum Rhein. Beim Museum Tinguely steigen die Basler in den Rhein, um sich dann von der Strömung bis zur Dreirosenbrücke treiben zu lassen.
«Neben der ansässigen Basler Bevölkerung lebten früher viele Menschen aus Südeuropa in diesem Quartier», sagt HEV-Geschäftsführer Zappalà. «Inzwischen wohnen dort auch viele Zugezogene aus anderen Teilen der Welt. Das führte dazu, dass das kulturelle Leben viel stärker gelebt wird.» In der Kleinbasler Altstadt und dem Clara-Quartier finden sich spannende Restaurants. Quirlig geht es an der Feldbergstrasse zu, mit vielen neuen Kleiderläden, Cafés und Restaurants. Trotz dichter Bebauung findet man noch grüne und idyllische Hinterhöfe. «Gerade um den Wettsteinplatz herum findet man schöne Wohnungen», sagt Andreas Biedermann.
Klybeck und Kleinhüningen vor Transformation
Aktuell wird viel geplant in Basel. Es wird um Grossprojekte gerungen, die es in dieser Form noch nie gegeben hat. Industrieareale sollen umgenutzt und transformiert werden, die geplanten Areal-Entwicklungen und Infrastrukturmassnahmen könnten künftig einige Quartiere aufwerten, unter anderem Klybeck und Kleinhünigen. Im Klybeck soll auf grossen Flächen, die bislang von Chemie und Rheinhafen bewirtschaftet wurden, ein Stadtteil für Wohnen, Arbeiten und Freizeit erschaffen werden.
Es geht um Milliarden-Investitionen, das vermutlich grösste Stadtentwicklungsprojekt der Schweiz, mit rund 8500 neuen Wohnungen. Zudem schreitet in der Erlenmatt die Entwicklung des ehemaligen Güterbahnhofs Wolf der Deutschen Bahn zu einem vollwertigen Quartier voran.
«Kleinhüningen und Klybeck haben sich nicht im Gleichschritt wie St. Johann oder das Gundeli entwickelt», sagt Andreas Biedermann. «Sie sind eher etwas stehen geblieben. Es bleibt zu hoffen, dass die aktuellen politischen Vorstösse die geplanten Grossprojekte nicht zu Fall bringen.»
Damit angesprochen ist die Initiative «Basel baut Zukunft». Sie fordert, dass künftig bei Transformationsprojekten 50 Prozent preisgünstiger Wohnraum eingeplant wird. «Sollten diese Forderungen durchkommen, würden sich die Investoren wohl zurückziehen», meint Andreas Biedermann, dem auch das strenge Basler Wohnschutzgesetz Sorgen bereitet. Damit würden wohl ein paar Tausend Wohnungen auf der Strecke bleiben. Es bleibt also spannend in Basel.