Guido Schilling über den Wandel in der Teppichetage
«Das Stigma der karriereorientierten Rabenmutter musste verschwinden»

Die Schweiz hinkt den Nachbarländern bei der Zahl der Frauen in der Führungsetage weit hinterher, wie der aktuelle Schillingreport zeigt. Warum ist das so? Und besteht Handlungsbedarf? Headhunter Guido Schilling ordnet den Report ein.
Publiziert: 19:18 Uhr
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Seit 20 Jahren durchleuchtet Guido Schilling die Teppichetagen der Schweizer Wirtschaft.
Foto: Blick

Auf einen Blick

  • Frauenanteil in Schweizer Geschäftsleitungen steigt, weitere Fortschritte nötig
  • Kulturelle Unterschiede beeinflussen Frauenanteil in Führungspositionen verschiedener Länder
  • Frauenanteil in Geschäftsleitungen stieg innert 20 Jahre von 4 Prozent auf 22 Prozent
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Blick: Herr Schilling, warum gibt es in der Schweiz nicht mehr Frauen in der Teppichetage?
Guido Schilling: Zu Beginn hat die Veränderung viel länger gedauert, als ich mir dies damals vorstellen konnte. Aber es hat 15 Jahre gedauert, bis in den involvierten Kreisen das Bewusstsein und die Sensibilisierung für das Thema Geschlechtervielfalt richtig geweckt wurde. In dieser Zeit stieg der Frauenanteil in Geschäftsleitungen nur langsam von 4 auf 9 Prozent. Seit 2020 ist der Frauenanteil regelrecht explodiert auf derzeit 22 Prozent. 

Was hat sich geändert?
Die Firmen haben erkannt, dass eine gute Durchmischung Vorteile bringt. Und für die Frauen haben lange schlicht die Vorbilder von weiblichen Führungskräften gefehlt. Zudem mussten sie den Willen entwickeln, neben Privatem und Familie die zusätzliche Belastung im Beruf auf sich zu nehmen. Und das soziale Umfeld musste sich entwickeln, damit das Stigma der karriereorientierten Rabenmutter langsam verschwindet. 

Bei welchem Verhältnis können wir von einer ausgewogenen Durchmischung sprechen?
Sobald wir im Bereich von 40 bis 60 Prozent liegen. Dann dürfte es bei der Stellenbesetzung kein Thema mehr sein, ob der Kandidat eine Frau oder ein Mann ist. 

Wie lange wird das noch dauern?
Ich rechne mit weiteren zehn Jahren, bis wir in der sogenannten Akzeptanzphase angekommen sind. Ich bin überzeugt, dass wir bis dahin zu unseren europäischen Nachbarländern aufschliessen werden. 

Länder wie Frankreich sind bereits viel weiter als die Schweiz. Woran liegt das?
In anderen Kulturkreisen hat das Modell mit Doppelverdienern eine viel längere Tradition. In der Schweiz hat in der Vergangenheit ein Einkommen ausgereicht. In Ländern wie Frankreich war das anders, und deshalb gehören dort zwei Haushaltseinkommen deutlich länger zur Norm. Auch in Dänemark, Schweden und Finnland liegt der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen bei über 40 Prozent. Dort ist man der Schweiz kulturell voraus, und die Regierung hat die Voraussetzungen geschaffen, damit sich Familien mit Kindern organisieren können.

In der Schweizer Politik dominiert die Wahrnehmung, dass eine stärkere Förderung von Betreuungsangeboten für Kinder mehr kostet als nützt …
Diese Wahrnehmung ist völlig falsch. Viele Unternehmen haben die notwendigen Voraussetzungen zur Förderung von Frauen geschaffen. Die Frauen tragen ihren Teil bei. Nun ist der Staat gefordert, die notwendigen Tagesstrukturen für Kleinkinder und Kinder zu schaffen, damit nicht ein grosser Teil des Zweitlohns durch die Betreuung aufgefressen wird. Zieht die Wirtschaft in Europa wieder an, können wir nicht mehr wie bis anhin gut ausgebildete Frauen und Männer aus dem Ausland rekrutieren. Dann werden wir die Ressourcen im Inland mobilisieren müssen, und bei den Frauen gibt es noch viel Potenzial.

Sind divers besetzte Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte tatsächlich besser?
Es gibt weltweit diverse Studien, die das bestätigen. Mehr Vielfalt führt zu mehr Auswahl bei der Rekrutierung. Deshalb ist es wichtig, dass die Gender-Diversity-Pipeline gut gefüllt ist. Das heisst, dass möglichst viele Frauen auf tieferen Kaderstufen vertreten sind. Da ist die Schweiz recht gut unterwegs. 

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