Grosser Investitionsstau – jedes fünfte alte Gebäude ist sanierungsbedürftig
Warum viele Eigentumswohnungen zur Sanierungsfalle werden

60 Jahre nach Wiedereinführung des Stockwerkeigentums in der Schweiz stehen viele Gebäude vor Sanierungsproblemen. Eine ZKB-Studie zeigt, dass bei über 20 Prozent der älteren Objekte Erneuerungen überfällig sind. Das stellt Eigentümer vor finanzielle Herausforderungen.
Publiziert: 08.04.2025 um 10:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.04.2025 um 11:10 Uhr
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1965 wurde in der Schweiz das Stockwerkeigentum wieder eingeführt.
Foto: Keystone

Darum gehts

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Martin SchmidtRedaktor Wirtschaft

Geburtstage sind eigentlich ein Grund zur Freude. Dieser kann aber teuer werden: 60 Jahre ist es her, seit die Schweiz das Stockwerkeigentum wieder eingeführt hat. Für die Förderung von Wohneigentum war dieser Schritt ein Erfolg. Nun aber kommen viele der Gebäude in die Jahre, und die Gebrechen nehmen zu.

Im Kanton Zürich stauen sich bei mehr als einem Fünftel der über 30-jährigen Stockwerkeigentumsgebäude die Sanierungen, wie eine aktuelle Immobilienstudie der Zürcher Kantonalbank (ZKB) zeigt. Weitere drei Prozent sind gar stark sanierungsbedürftig. Gerade in den Städten gibt es viele alte Gebäude im Stockwerkeigentum. Das liegt daran, dass bei der Einführung des Stockwerkeigentums die Mietwohnung vieler bestehenden Bauten zu Eigentumswohnungen wurden.

Auf Eigentümerinnen und Eigentümer warten bei einer Grunderneuerung zahlreiche Stolperfallen. Das weiss jeder, der schon einmal an einer Eigentümerversammlung teilgenommen hat. Der eine Eigentümer sieht überhaupt keinen Investitionsbedarf, schliesslich funktioniert noch alles. Ein anderer möchte das Gebäude energetisch sanieren und die Heizung austauschen. Und die Bewohner der Attikawohnung wünschen sich den Einbau eines Lifts. Das Ergebnis: Die Sanierung wird einmal mehr aufgeschoben.

Schwierige Mehrheiten unter den Eigentümern

Stockwerkeigentümer müssen Beschlüsse für eine Sanierung gemeinsam fällen. Je nach Umfang und finanzieller Tragweite des Projekts gelten andere Mehrheiten. «Je unentbehrlicher eine bauliche Massnahme für die Gemeinschaft ist, desto leichter lässt sie sich umsetzen», schreibt Alwin Keller, Rechtsexperte bei der ZBK. Muss bloss eine Heizung ersetzt werden, reicht ein einfaches Mehr. Hierfür müssen mehr als die Hälfte der Anwesenden dafür stimmen. Dies gilt für alle Renovationen, die dem Werterhalt des Gebäudes dienen, wie beispielsweise eine für notwendig befundene Dachsanierung.

Stockwerkeigentum hat seinen Preis

Stockwerkeigentum ist eine alternative Eigentumsform – jedoch längst nicht mehr die zweite Wahl zum Einfamilienhaus. Das zeigt die Preisentwicklung der letzten fünf Jahre im Kanton Zürich eindrücklich. Laut der ZKB sind die Preise für solche Objekte seit 2019 in allen Gemeinden gestiegen. Am stärksten war der Anstieg in den Seegemeinden. In der Stadt Zürich, in Thalwil und Herrliberg kostet Stockwerkeigentum aktuell im Schnitt 450'000 bis 500'000 Franken mehr als vor fünf Jahren. In Erlenbach war das durchschnittliche Stockwerkeigentum 2024 sogar 650'000 Franken teurer als 2019. «Stockwerkeigentum ist längst nicht mehr einfach die billige Variante von Eigentum», sagt Ursina Kubli (44), Leiterin Immobilienresearch bei der ZKB. Wobei die Preisschere zwischen Stadt und Land gross ist. Für den Aufpreis eines Stockwerkeigentums in Erlenbach gibt es in der günstigsten Gemeinde Fischenthal gleich eine ganze Wohnung zu kaufen. Dorothea Vollenweider

Stockwerkeigentum ist eine alternative Eigentumsform – jedoch längst nicht mehr die zweite Wahl zum Einfamilienhaus. Das zeigt die Preisentwicklung der letzten fünf Jahre im Kanton Zürich eindrücklich. Laut der ZKB sind die Preise für solche Objekte seit 2019 in allen Gemeinden gestiegen. Am stärksten war der Anstieg in den Seegemeinden. In der Stadt Zürich, in Thalwil und Herrliberg kostet Stockwerkeigentum aktuell im Schnitt 450'000 bis 500'000 Franken mehr als vor fünf Jahren. In Erlenbach war das durchschnittliche Stockwerkeigentum 2024 sogar 650'000 Franken teurer als 2019. «Stockwerkeigentum ist längst nicht mehr einfach die billige Variante von Eigentum», sagt Ursina Kubli (44), Leiterin Immobilienresearch bei der ZKB. Wobei die Preisschere zwischen Stadt und Land gross ist. Für den Aufpreis eines Stockwerkeigentums in Erlenbach gibt es in der günstigsten Gemeinde Fischenthal gleich eine ganze Wohnung zu kaufen. Dorothea Vollenweider

Wertsteigernde Investitionen wie eine energetische Sanierung der Gebäudehülle setzen bereits ein qualifiziertes Mehr voraus. Bei diesem müssen die Ja-Stimmen auch die Mehrheit aller Stockwerkeigentumsanteile stellen – beispielsweise 501/1000 der Immobilie. Bei Luxussanierungen müssen alle Stockwerkeigentümer anwesend sein und dafür stimmen. Zu solchen Sanierungen gehört zum Beispiel auch ein Gartensitzplatz, der allein der Aufwertung des Aussenbereichs dient.

Erneuerungsfonds zu selten auf dem Radar

Eine häufige Hürde bei Sanierungen sind die Finanzen. Eine Auswertung der ZKB der eigenen Kunden zeigt, dass bei Neubauten meist ein Erneuerungsfonds besteht. Bei über 30-jährigen Gebäude ist der Erneuerungsfonds hingegen zu selten auf dem Radar und oft unterkapitalisiert. Im Median liegen auf den Konti von sanierungsbedürftigen oder stark sanierungsbedürftigen Gebäuden rund 170 Franken pro Quadratmeter Wohnfläche. Das sind fast 25 Prozent weniger als empfohlen. Gemäss Empfehlung sollten es 225 Franken pro Quadratmeter sein.

Oft zahlen die Eigentümer jährlich 0,4 Prozent des Gebäudeversicherungswertes in den Fonds ein, bis dieser auf 6 Prozent des Versicherungswerts angewachsen ist. Fehlt Geld im Fonds, müssen die Eigentümer für eine Sanierung zusätzliche Mittel aus dem eigenen Sack beisteuern. Das kann die nötige Mehrheit rasch verhindern. Wird eine Sanierung aufgeschoben, kann sich das negativ auf den Wert des Gebäudes auswirken.

Ein Eigentümer zahlt nicht

Falls ein Eigentümer nicht zahlt, kann ihn die Gemeinschaft betreiben und gegen ihn klagen. «Darüber hinaus hat die Gemeinschaft Anspruch auf die Einrichtung eines Pfandrechts am Stockwerkeigentumsanteil», so ZKB-Rechtsexperte Alwin Keller.

Der verpfändete Teil kann zwangsverwertet werden, und mit diesem Geld lassen sich die Ausstände decken. Auch bewegliche Sachen wie Möbel in den Räumen des säumigen Eigentümers können verwertet werden.

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