«Wer nicht bereit ist, zu investieren, kann gleich schliessen»
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Garagist Johnny Ferreira:«Wer nicht investieren will, kann gleich schliessen»

Grosse Autohäuser fressen kleine Garagen – nur wenige finden Nischen
«Nicht jeder kommt so gut über die Runden wie ich»

Viele kleine Garagen verschwinden. Sie gehen Konkurs, oder grosse Autohäuser kaufen sie auf. Jetzt schaltet sich die Politik ein. Dabei haben findige Klein-Garagisten ihre Nische gefunden.
Publiziert: 08.12.2022 um 00:16 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2022 um 09:46 Uhr
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Johnny Ferreira (32) hat im Turbenthal ZH eine kleine Autogarage.
Foto: Samuel Walder
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Samuel WalderRingier Journalistenschüler

Die Autobranche ist im Umbruch. Monat für Monat schliessen kleine Garagen ihre Werkstatt oder werden von grossen Autohäusern geschluckt. Betroffen sind insbesondere ländliche Gebiete. Denn abseits der Städte gibt es immer weniger kleine Garagen, die rentabel betrieben werden können.

Eine Motion aus der politischen Mitte soll Gegensteuer geben. Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister (60) setzt sich für kleine Garagisten ein. Konkret fordert der Zuger Nationalrat: Der Bundesrat soll die seit 2002 bestehende KFZ-Bekanntmachung der Wettbewerbskommission (Weko) in eine verbindliche Verordnung einfliessen lassen. Damit soll nicht nur ein fairer Wettbewerb gefördert, sondern die Qualität der Dienstleistungen sichergestellt werden.

Zugang zu digitalen Servicebüchern

Konkret soll die Motion den kleinen Garagisten in folgenden Punkten helfen: Sie sollen klare Konditionen beim Einkauf von Ersatzteilen, generellen Zugang zu digitalen Fahrzeugdaten und eine freie Nutzung von Diagnosegeräten bekommen.

Einer von ihnen ist Roger Kunz (53). Er betreibt in Wohlen AG eine Garage und ist Präsident des Verbandes freier Autohandel Schweiz. «Heute können KMUs und kleine Garagen rechtlich nicht gegen grosse Firmen vorgehen», sagt Kunz. Das soll sich jetzt ändern.

Nicht allen geht es schlecht

Blick besucht eine kleine Autogarage in Turbenthal ZH. Zwei Personen arbeiten hier. Johnny Ferreira (32) ist der Inhaber, er hat einen Angestellten – einen Automechaniker. Geld verdient Ferreira vor allem mit Service-Arbeiten und Tuning. Er selbst will nicht in die Klagen einstimmen.

Ferreira hat seine Stammkunden, er ist spezialisiert auf das Tuning-Geschäft, das gut läuft. Doch nicht jeder komme so gut über die Runden wie er, weiss Ferreira.

Die Kosten sind zu hoch

«Die Diagnosegeräte sind ein grosses Problem», sagt Ferreira. Für fast jede Automarke braucht man ein eigenes Diagnosegerät. Und die sind teuer. Ein Diagnosegerät kann mehrere Tausend Franken kosten. Dazu kommt, dass man sich online bei den Autoherstellern einloggen muss, um die Daten der Fahrzeuge einzusehen. «Für die Dateneinsicht muss ich jeweils Geld bezahlten – und das pro Hersteller», so Ferreira. Es gibt Geräte, die mehrere Marken abdecken. Doch das könne sich eine kleine Garage kaum leisten, betont Ferreira. Ein Lösungsansatz: Eine geregelte Nutzung von Diagnosegeräten für alle und realistische Preise.

Wer den Schwarzen Peter, sprich die Verantwortung für die Krise den grossen Firmen zuschiebe, mache es sich zu einfach, betont er. Die Technologie habe sich stark verändert, alles sei teurer geworden. «Früher konnte man eine Mechanikerlehre absolvieren und jedes Auto flicken», sagt Ferreira. Heute sei das nicht mehr möglich.

Neue rechtliche Grundlage muss her

«Die Technik ändert sich sehr schnell, man braucht als Garagist immer wieder neues Werkzeug.» Grosse Autohäuser könnten es sich leisten, stets auf dem neusten Stand zu sein und ihre Mitarbeiter weiterzubilden. Kleinen Garagen fehle das Kapital dazu. Darum hofft Ferreira, dass der Bund in Zukunft in die Ausbildung investiert. Und die kleinen Betriebe finanziell fürs Equipment unterstützen wird.

Verbandspräsident Roger Kunz sieht noch eine weitere Hürde. «Wenn ein Garagist ein Ersatzteil bei einem grossen Autohaus kaufen will, kann dieses Nein sagen.» Die kleinen Garagen hätten zwar einen Anspruch auf die Teile, haben aber kaum eine Chance, wenn sie rechtlich gegen die Grossen vorgingen. «So kommt es, dass die Kleinen zu teureren Preisen bei anderen einkaufen müssen und dies irgendwann nicht mehr stemmen können.»

Die Amag hält sich an die KFZ-Bekanntmachung

«Da muss dringen eine Lösung gefunden werden», sagt Kunz. Mit einer rechtlichen Grundlage könnten sich kleine Betriebe wehren und die Grossen dürften sich ein «Nein» nicht mehr erlauben.

«Die Amag Import AG beliefert Klein-Garagen und hält sich an die Vorgaben der aktuellen KFZ-Bekanntmachung», sagt Marie-Therese Zell, Sprecherin der Amag. Darum sei eine Änderung der jetzigen rechtlichen Grundlagen nicht nachvollziehbar. «Tatsache ist, dass die Amag sogenannte Klein-Garagen etwa mit Ersatzteilen beliefert», sagt Zell weiter.

«Kleine wollen wie die Grossen sein»

Luigi S.* (42) betreibt ebenfalls in Turbenthal ZH eine kleine Garage. Er hat einen Lehrling. In seinem kleinen Showroom stehen zwei Sportwagen auf dem fein säuberlich auf polierten Boden, abgedeckt und bereit für den Verkauf «Ich glaube nicht, dass die Grossen die Kleinen wegdrängen», sagt er. Das Problem sei, dass die Kleinen sein wollen wie die Grossen.

Ein Garagist sollte kundenorientiert sein, statt die Grossen imitieren zu wollen. «Ein Drei- oder Vier-Mann-Betrieb hat die Kapazität gar nicht, dem Kunden einen Kaffee zu bringen, eine Lounge aufzustellen, einen Showroom mit zehn Autos zu haben und eine Werkstatt mit zwanzig Mechanikern zu betreiben.»

Appell an die Politik

Luigi S.* berichtet von seinen Erfahrungen: «Die Kunden sind froh, wenn ihnen der Garagist mit dreckigen Händen im Overall erklärt, was er am Auto gemacht hat und den Kaffee den Kunden selbst in die Hand drückt.»

Verbandspräsident Kunz appelliert an die Politik. «Sobald es eine rechtliche Grundlage gibt, können sich die Kleinen wehren und müssen nicht mehr bangen, ob sie Ende Monat den Laden schliessen müssen.

Generalimporteure nehmen Stellung

Die grossen Generalimporteure Amag und Emil Frey beschäftigt die Thematik. Amag importieren unter anderem die Marken VW, Audi und Skoda. Bei Emil Frey sind es die Marken Citroën, Peugeot, Toyota und viele mehr. Zusammen verkaufen sie mehr als 40 Prozent aller in die Schweiz importierten Autos.

Die Emil Frey AG gibt zu, dass die Rahmenbedingungen des Garagengewerbes in der Schweiz härter und die Verdienstmöglichkeiten dadurch geringer werden. «Um den Anforderungen des Marktes, den Sicherheitsanforderungen der Produkte, der Hersteller und nicht zuletzt der Politik gerecht zu werden, sind zusätzliche Investitionen in die Mitarbeiterausbildung und Arbeitsinstrumente notwendig», sagt der Sprecher der Emil Frey AG, Peter Hug. «Auch die Emil Frey Gruppe, als grösserer Anbieter, kann sich dieser Entwicklung nicht entziehen.»

Auto-Schweiz begrüsst Festschreibung

Die Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure (Auto-Schweiz) nimmt die Angelegenheit ernst. Sprecher Christoph Wolnik meint: «Sicherlich ist die Situation für Klein-Garagen mit der zunehmenden Komplexität der Produkte in der Automobilbranche und dem stetig wachsenden Anteil an Elektronik nicht einfacher geworden.»

Die Mitglieder von Auto-Schweiz hätten sich bereits in der Vergangenheit an die geltenden Regeln im Wettbewerbsrecht gehalten. «Deshalb begrüssen wir die Festschreibung der Regelungen für alle Markt-Teilnehmenden in einer Verordnung, wie sie die Motion Pfister verlangt», so Wolnik.

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