Grenztourismus im Sarg wegen Corona
Fünfmal mehr Tote aus Italien im Tessin kremiert

Seit Jahren werden im Tessin unbürokratisch auch Italiener kremiert. Wegen Corona vervielfachte sich die Zahl der Einäscherungen von toten Grenzgängern.
Publiziert: 25.01.2021 um 09:41 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2021 um 07:04 Uhr
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Sarg im Feuer: 90 Prozent aller Toten werden im Tessin laut Schätzungen kremiert.
Foto: keystone-sda.ch

Die Särge gelangen ohne grosse Probleme über die Grenze. Italienische Bestattungsunternehmen bringen die Toten ins Schweizer Krematorium und fahren am nächsten Tag mit der Asche wieder über die Grenze.

Das läuft seit Jahrzehnten so. Aber im Corona-Jahr vervielfachte sich die Zahl der Einäscherungen von toten Grenzgängern, wie die Zeitungen von «CH Media» berichten. Hintergrund sind mangelnde Kapazitäten im südlichen Nachbarland.

Konkret heisst das: Im Jahr 2020 wurden in Lugano TI und Chiasso TI rund 600 Personen aus Italien eingeäschert. Das sind fast zwei Italiener pro Tag. In einem normalen Jahr sind es 120 pro Jahr. Der Wert hat sich also verfünffacht.

20 Minuten pro Einäscherung

Der Effekt hat auch einen Einfluss auf die Gesamtstatistik. In den beiden Krematorien in Lugano und Chiasso fanden 2019 genau 1650 Feuerbestattungen statt. Im Jahr 2020 ist diese Zahl auf 2400 gestiegen. Das ist eine Folge der Übersterblichkeit im Südkanton, aber auch eine Folge des gestiegenen Toten-Grenztourismus.

«Tatsächlich haben wir zurzeit viel zu tun», sagt Giorgio Valsangiacomo, der Geschäftsführer des Vereins der Tessiner Krematorien (Associazione Ticinese di Cremazione, ATC), zu den Zeitungen von «CH Media». Valsangiacomo betreibt die beiden Krematorien in Lugano und Chiasso.

Bis zu 24 Kremationen am Tag kann er bewältigen. 20 Minuten dauert die Abdankungszeremonie – zumindest bei den Einheimischen. Italiener müssen auf eine Abdankungsfeier verzichten.

Krematorien am Anschlag

Die Bestatter sind schweizweit am Limit. Sieben Tage die Woche laufen die Öfen auf Hochtouren. In den letzten Wochen wurden deutlich mehr Leichen verbrannt als in den Jahren zuvor. Der Platz im Kühlraum wird zum Teil schon knapp. In Langenthal BE schaffen Container Abhilfe.

«Seit Dezember decken wir für fünf Monate auch die Region Solothurn ab, da dort umgebaut wird. Deswegen hatten wir diesen Container vorsorglich bestellt», erklärte Luis Gómez vor wenigen Tagen im BLICK. Der Fünfzigjährige ist Vorsteher des Amtes für öffentliche Sicherheit der Stadt Langenthal.

Dann kam die Übersterblichkeit wegen der Corona-Pandemie dazu. Der grosse Kühlcontainer ist unabdingbar geworden. Das Personal arbeitet im Schichtbetrieb. Selbst an den Festtagen kam es zu Einäscherungen. (ise)

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