Gopfried Stutz
Nur ein paar Köpfe ersetzen reicht nicht

Um die toxische Kultur in der Credit Suisse zu entgiften, reicht es nicht, ein paar Köpfe im obersten Risikomanagement zu ersetzen.
Publiziert: 22.05.2021 um 17:37 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2021 um 11:25 Uhr
Claude Chatelain, Publizist und Wirtschaftsjournalist.
Foto: Paul Seewer
Claude Chatelain

Weshalb gerät die Credit Suisse regelmässig in neue Skandale? Auf diese rhetorische Frage zitierte die «NZZ am Sonntag» vor Wochenfrist einen CS-Insider, der angeblich zum innersten Machtzirkel gehört. Er sagte: «Die Skandale haben einen tieferen Grund: Die Bank pflegt eine toxische Kultur, die den Profit über die Sicherheit stellt.»

Toxische Kultur? Wie verändert man eine Kultur? Das erinnert mich an ein Ereignis, das ich Anfang der 90er-Jahre in New York beobachtete. Ich war damals USA-Korrespondent unter anderem für die «Handelszeitung».

Beim Bankverein in New York, der unter dem Namen Swiss Bank Corporation einen sehr guten Ruf genoss, rumorte es. Altgediente und gut vernetzte Manager mussten unfreiwillig den Job quittieren. Es war die Zeit, als ein gewisser Marcel Ospel am Hauptsitz in Basel das internationale Geschäft umkrempelte und die Derivatenbude O’Connor aus Chicago kaufte. Gleichzeitig setzte er die Leute aus Chicago in Führungspositionen beim Bankverein in New York ein, was eben zum Köpferollen und zur hellsten Empörung unter den Schweizer Expats führte.

Ich bat John Dugan, so hiess der neue Chef beim New Yorker Bankverein, um ein Interview. Er sagte mir, vom Hauptsitz in der Schweiz, eben von Marcel Ospel, habe er den Auftrag erhalten, frischen Wind in die Swiss Bank zu bringen und eine neue Kultur zu etablieren. Da genüge es nicht, die Tapeten neu zu streichen. Eine neue Kultur lasse sich nur mit neuen Leuten etablieren.

Es war so etwas wie der Startschuss zu einer neuen Epoche. Einer Epoche, in der bei den Schweizer Grossbanken mehr und mehr ein amerikanisch-geprägtes Geschäfts- und Risikoverständnis Einzug hielt. Dadurch sind zwei völlig verschiedene Kulturen aufeinandergeprallt.

Hier der bodenständige, vielleicht etwas langweilige, auf Sicherheit bedachte risikoscheue Bankier nach Schweizer Art. Dort der dynamische, auf Rendite fokussierte, risikofreudige Investmentbanker gemäss der Chicagoer Schule.

Was mitunter zur genannten toxischen Kultur führte, ist die verhängnisvolle Bonipolitik, um nicht ruinös zu sagen. Ruinös natürlich nur für die Bank und deren Aktionäre, nicht für jene, die daran verdienen.

Nun haben wir bei der Credit Suisse einen neuen Verwaltungsratspräsidenten. Er heisst António Horta-Osório und wurde mit den Worten zitiert: «Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Bankangestellten im Herzen Risikomanager sein sollten.»

Man lese ganz genau. Der 57-jährige Portugiese sagte, dass die Bankangestellten im Herzen Risikomanager sein sollten. Er sagte nicht, dass sie es sind. Um also die toxische Kultur zu entgiften, reicht es nicht, ein paar Köpfe im obersten Risikomanagement zu ersetzen. Das ist etwa so wirksam, wie wenn man am Hauptsitz in Zürich die Tapete neu streichen würde.

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