Die Cembra-Money-Bank hat am Montag einen Kurssturz um 30 Prozent hinnehmen müssen. Schuld daran ist die Migros. Sie will ihre Cumulus-Mastercard-Kreditkarte nicht mehr über die Cembra abwickeln, sondern dies mit ihrer eigenen Bank tun. Ein nachvollziehbarer Schritt. Flugs waren Befürchtungen zu hören, Migros könnte zu mächtig werden. Der Argwohn blieb leise. Früher war das noch anders.
Leute meines Alters mögen sich an den «M-Frühling» erinnern, einen vom streitbaren Hans A. Pestalozzi gegründeten Verein, der die Migros zur Mässigung bewegen wollte. Häufig waren KMU total abhängig von der Migros, nur um dann vom Riesen geschluckt zu werden: friss oder stirb.
1978 erschien im Leonis Verlag in Zürich das Buch «M – wer denn sonst?». Claude M. Beck tadelt darin nicht nur die Macht der Migros im Detailhandel, sondern deren Macht auf fast allen Ebenen.
Die Migros ist:
– die grösste Abnehmerin landwirtschaftlicher Produkte
– grösste Herstellerin konsumierter Produkte
– das grösste Detailhandelsunternehmen
– mit 156 Gaststätten der grösste Restaurateur
– die «Grösste» im Blumenhandel
– das grösste Unternehmen für Erwachsenenbildung
Zudem zählt die Migros zu den grössten Reiseunternehmen in Europa und zu den grössten Versicherungsgesellschaften und Banken in der Schweiz.
Zu guter Letzt ist die Migros die wichtigste Institution für Kulturförderung und dank dem «Migros-Magazin», das damals «Wir Brückenbauer» hiess, ist die Migros die grösste Kommunikationsmacht. Das schrieb Claude M. Beck vor 43 Jahren.
An dieser Machtfülle hat sich wenig geändert. Die Versicherungsgesellschaft Secura wurde zwar verkauft, dafür gehört Denner nun zum M-Imperium. Auch Globus durfte den Migros Genossenschaftsbund ins Sortiment aufnehmen, hat sich aber von der Warenhauskette wieder getrennt.
«Die Migros ist gross, gefährlich gross für unsere kleinen Verhältnisse», schrieb Claude M. Beck im Vorwort zum genannten Buch. «Gottlieb Duttweiler hat uns einen kleinen Bären ins Schweizerhaus gesetzt, der lustige Purzelbäume zu schlagen wusste. Nun sehen wir uns in unserer Wohnung einem ausgewachsenen Bären gegenüber und müssen uns fragen, wie lange er gutmütig bleibt.»
Heute, 43 Jahre später, können wir getrost feststellen: Der Bär ist gutmütig geblieben. Kaum jemand stört sich an der Machtfülle der Migros. Wenn uns Schweizer Unternehmen mit einer zu grossen Marktmacht Sorgen bereiten, so sind das die Grossbanken. Sie sind systemrelevant und damit «too big to fail». Das wissen wir seit 2008.
Was wir aber spätestens seit den 70er-Jahren wissen: Es ist kein Erfolg versprechendes Geschäftsmodell, vom Grosskunden Migros abhängig zu sein.