Einen Bestechungsskandal diesen Ausmasses hat die Schweiz schon lange nicht mehr gesehen! Die Bundesanwaltschaft hat in der Affäre im Zusammenhang mit IT-Aufträgen im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Anklage gegen vier Personen erhoben. Die Anklage wurde beim Bundesstrafgericht gegen einen ehemaligen Ressortleiter des Seco sowie drei Unternehmer eingereicht, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte.
Den IT-Unternehmern wird insbesondere aktive beziehungsweise passive Bestechung bei der Vergabe von mehreren hundert IT-Aufträgen des Seco vorgeworfen. Der Wert der Aufträge: 99 Millionen Franken.
Geschenke, Einladungen und Bargeld in der Höhe von 1,7 Millionen
Die Vorwürfe sind happig! Im Fokus der Anklage stehen hunderte freihändige Vergaben von IT-Aufträgen des Seco an externe Firmen unter Missachtung des geltenden Beschaffungsrechts. Das ganze hatte offenbar System: Der ehemalige Ressortleiter soll sich über einen Zeitraum von zehn Jahren bestechen lassen und bei der Vergabe von IT-Aufträgen nicht gebührende Vorteile in der Höhe von über 1,7 Millionen Franken gefordert und entgegengenommen haben.
Er liess sich laut der Bundesanwaltschaft einladen, Anlässe finanzieren, soll Bargeld und Geschenke entgegen genommen haben. Im Gegenzug vergab er die Aufträge in Eigenregie an die Firmen, die ihn zuvor beschenkt hatten. So hebelte er nicht nur den Wettbewerb aus. Er schädigte auch das Seco, wie die Bundesanwaltschaft schreibt.
Verfahren zieht sich über fünf Jahre hin
Die leidige Sache beschäftigt die Untersuchungsbehörden und die Justiz schon seit 2014. Das Verfahren ist sehr zeit- und personalintensiv, weil viele Beschuldigte einvernommen werden müssen. Hunderttausende sichergestellte Dokumente mussten ausgewertet werden. Die Akten füllen schon heute 400 Bundesordner. Neben den zehn Beschuldigten mussten in der Schweiz 30 Auskunftspersonen und Zeugen befragt werden. Das braucht Zeit und geht ins Geld.
Die Strafanträge, welche die Bundesanwaltschaft fordert, wird diese erst an der Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht bekanntgeben. Bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils gilt die Unschuldsvermutung.
Erste Bussen bereits ausgesprochen
Ans Licht gekommen waren die Unregelmässigkeiten 2014 durch einen Artikel in den Zeitungen «Tages-Anzeiger» und «Bund». Das Strafverfahren war im selben Jahr, gestützt auf eine Strafanzeige des Seco gegen den ehemaligen Ressortleiter und gegen Unbekannt, eröffnet worden. Ein Jahr später wurde es mit einem parallel geführten kantonalen Strafverfahren vereinigt und auf insgesamt zehn Beschuldigte ausgedehnt.
Davon wurden drei Unternehmer und ein Treuhänder bereits per Strafbefehl rechtskräftig verurteilt. Die IT-Unternehmer hatten wegen Bestechung bedingte Geldstrafen zwischen 100 und 180 Tagessätzen zu je 40 bis 190 Franken erhalten. Zudem mussten sie Bussen von 1000 bis 1500 Franken zahlen. (pbe)