«Für die Schweiz ist das keine Überraschung»
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Globale Mindeststeuer:«Für die Schweiz ist das keine Überraschung»

G7 einig über globale Mindeststeuer – Blick beantwortet die wichtigsten Fragen
Darum wird sich die Schweiz Amerika fügen

Die G7-Staaten haben sich auf eine globale Mindeststeuer für Grosskonzerne geeinigt. Wie es jetzt weitergeht, was das für den Wirtschaftsstandort Schweiz bedeutet und weshalb wir uns letztlich den Amerikanern, Deutschen und Co. fügen müssen, erfahren Sie hier.
Publiziert: 07.06.2021 um 17:13 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2021 um 20:12 Uhr
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Der Wirtschaftsstandort Schweiz – und besonders der Kanton Zug – sind von der geplanten globalen Mindeststeuer direkt betroffen.
Foto: Keystone
Nicola Imfeld

Jahrelang wurde darüber diskutiert – jetzt kommt der historische Durchbruch. Die Finanzminister der G7-Staaten haben sich am Wochenende in London auf eine globale Steuerreform geeinigt. Grosskonzerne wie Apple und Facebook, aber auch Roche und Novartis sollen stärker zur Kasse gebeten werden. Weltweit müssten sie mindestens 15 Prozent Steuern bezahlen.

Die Einigung ist ein Triumph der führenden Industriestaaten, insbesondere für Amerika. Präsident Joe Biden (78) hatte sich schon lange dafür ausgesprochen und eingesetzt. Die Schweiz hingegen würde die Einführung einer globalen Mindeststeuer direkt betreffen. Der Deal ist noch keineswegs fix. Dennoch ist es an der Zeit, dass Blick die drängendsten Fragen beantwortet.

Was umfasst die geplante Steuerreform genau?

Einerseits sollen Grosskonzerne zu einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent verpflichtet werden. Andererseits soll auch dafür gesorgt werden, dass die Unternehmen künftig in den Ländern Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze machen. Der Hintergrund: Bisher werden Unternehmenssteuern am Firmensitz fällig, aber nicht in den Ländern, wo die Konzerne aktiv sind. Das haben gerade Digitalkonzerne wie Google und Apple gerne ausgenutzt.

Worum gehts den G7-Staaten wirklich?

Offiziell betonen die Finanzminister, dass man das Steuerdumping bekämpfen wolle. Es gehe um Steuergerechtigkeit. Wirtschaftswissenschaftler Christoph Schaltegger (49) glaubt indes nicht, dass für die G7-Staaten eine ritterliche Tugend im Zentrum steht. «Diese grossen Länder haben sich in der Corona-Krise stärker verschuldet. Sie haben ein gemeinsames Interesse in der Frage, wie man Steuersubstrat sichern kann», sagt er zu Blick. Auffällig ist denn auch, dass keiner der G7-Mitgliedstaaten von einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent betroffen wäre. Weil Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, die USA, Italien, Japan und Kanada allesamt die Grosskonzerne bereits höher besteuern.

Wie stark würde die Schweiz unter der Reform leiden?

Auf den ersten Blick: heftig! Immerhin in 18 Kantonen liegt der Steuersatz für die Grosskonzerne derzeit unter 15 Prozent. Gerade das Steuerparadies Zentralschweiz wäre direkt betroffen. Doch Ökonom Schaltegger glaubt nicht, dass man sich grosse Sorgen machen müsste. Dank Steuertricks: «Die betroffenen Kantone können die effektive Steuerbelastung durch neu geschaffene Ausnahmen und Subventionen reduzieren. Für die Schweiz bedeutet das: Wir können attraktiv bleiben, wenn wir uns flexibel anpassen.»

Für die Menschen, die sich Steuergerechtigkeit wünschen, ist es eine schlechte Nachricht. «Viel mehr Steuersubstrat wäre wohl nicht zu erwarten. Ausserdem würde die Steuerbasis durch die neuen Ausnahmen durchlöchert», sagt Schaltegger. Das führe zu Intransparenz und einem Wettbewerbsvorteil für Firmen mit einer grossen Steuerabteilung. «Aus wissenschaftlicher Sicht wären weniger Steuerausnahmen und -löcher, dafür ein tieferer Steuersatz wünschenswert», konstatiert er.

Der zweite Punkt der Reform birgt laut Schaltegger grössere Gefahren für die Schweiz. Wenn Unternehmen künftig dort Steuern zahlen müssen, wo sie ihre Umsätze machen, könnte für unser Land viel Geld flötengehen. «Die Schweiz ist ein kleines Land mit einem kleinen Binnenmarkt», erklärt er. Die Grosskonzerne hätten ihre Konsumenten vor allem in den bevölkerungsreichen Staaten. «Diese Länder würden davon profitieren und mehr Steuereinnahmen generieren. Die Schweiz stünde auf der Verliererseite.»

Was sagt die offizielle Schweiz?

Finanzminister Ueli Maurer (70) äusserte sich bislang nicht zum Entscheid der G7-Staaten. Im April hatte der Bundesrat dazu gesagt, er sehe keine grossen Nachteile für die Schweiz. Er gab aber zu bedenken, dass bei einem globalen Mindeststeuersatz die hohen Umweltabgaben der Unternehmen in der Schweiz berücksichtigt werden müssten. «Die Schweiz sitzt künftig am Tisch und diskutiert mit», sagt Schaltegger. Er ist überzeugt: «Wir werden in der Lage sein, auf allfällige Entscheide reagieren zu können.»

Macht die Steuerreform Sinn?

Darüber lässt sich streiten. Ökonom Schaltegger ist kritisch. «Es gibt viele Studien, die zeigen, dass die Unternehmenssteuer stark auf die Mitarbeitenden abgewälzt wird», sagt er. Und zwar nicht auf die Verwaltungsräte. «Eher die Angestellten mit tiefem und mittlerem Einkommen müssen bluten, weil sie intern weniger Macht haben und sich demnach nicht stark positionieren können.» Wenn man einen Milliardär wie Amazon-Gründer Jeff Bezos (57) stärker besteuern möchte, sei die Unternehmenssteuer der falsche Hebel, sagt Schaltegger. «Eine Besteuerung durch die Einkommens- oder Vermögenssteuer würde mehr Sinn machen.»

Wie reagieren die Grosskonzerne?

Gelassen. Oder man könnte es auch so sagen: Jeff Bezos, Mark Zuckerberg (37) und Co. geben sich fast schon verdächtig relaxed. Google und Amazon äusserten sich am Samstag positiv. Ein Facebook-Sprecher begrüsste das Vorhaben auf Twitter – wenn auch unter dem Eingeständnis, dass der Konzern dadurch wohl bald mehr Steuern zahlen muss.

Wie gehts jetzt weiter?

Als Nächstes sollen die G20 – eine umfassendere Gruppe führender Wirtschaftsnationen – ins Boot geholt werden. Gelegenheit dazu gibt es im Juli bei einem Treffen in Italien. Letztlich entscheiden 139 Länder, darunter auch die Schweiz, über die Steuerreform.

Kommt der Deal zustande?

Davon ist auszugehen. Zu viel politisches Kapital steht auf dem Spiel. «Letztlich wird man auch kein globales Gesetz unterschreiben müssen.
Die Reform wird so funktionieren, wie internationale Organisationen schon immer funktioniert haben: mit Gruppendruck», sagt Experte Schaltegger. Wenn ein Land nicht mitziehen möchte, würde es wohl auf eine schwarze Liste gesetzt. «Doch darauf will niemand landen. Das wäre Gift für den jeweiligen Wirtschaftsstandort. Deshalb wird sich die Schweiz mit anderen kleinen Ländern letztlich fügen müssen.»


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